Der Terror und die 58 AKW in Frankreich
Der Terrorismusforscher Peter Neumann, Gründungsdirektor des International Center for the Study of Radicalisation am Kings College in London sieht die Terroranschläge in Paris in einer Reihe von früheren und möglichen künftigen Anschlägen.
In einem TAZ-Interview sagte er: „Ich befürchte, dass das nicht das letzte Ereignis dieser Art in diesem Jahr war.“
Zu den größten Sicherheitsrisiken in Europa gehören die circa 200 Atomkraftwerke auf unserem Kontinent. Davon stehen neun in Deutschland und 58 in Frankreich.
Es war wohl reiner Zufall, dass am zweiten und dritten Tag nach den Pariser Anschlägen auf ARTE ein atomarer Doppelschlag lief: „Tag der Wahrheit“ hieß der deutsche Beitrag – ein eindeutiger Anti-Atom-Thriller und „Das gespaltene Dorf“ – eher eine französische Komödie.
Im deutschen Beitrag kapert ein Attentäter ein AKW, unterbricht den Kühlkreislauf und droht mit dem atomaren Super-GAU. Beim französischen Beitrag soll ein Dorf mit viel Geld für den Bau eines atomaren Endlagers gewonnen werden, was die Bürgermeisterin, eine resolute Öko-Aktivistin aus Deutschland, zu verhindern sucht.
Dieses ARTE-Programm war ganz plötzlich und ungewollt dramatisch aktuell. Es gab den Blick frei auf unsere atomare Risikogesellschaft.
Der Terrorismus-Forscher Peter Neumann sagt über das Terrornetz Al Qaida, zu dem die Pariser Terroristen Kontakt hatten: „Die glauben, dass sie durch einen großen, komplexen Anschlag wieder in die Offensive kommen können.“ Al Qaida und der Islamische Staat (IS) konkurrieren jetzt um den Führungsanspruch innerhalb der islamistischen Terrorgruppen.
Ist der Zusammenhang zwischen Terrorismus und atomarer Sicherheit zu theoretisch?
Seit dem 5. Oktober 2014 wurden mindestens sechs französische Atomkraftwerke von nichtidentifizierten drohnenähnlichen Objekten überflogen, berichtet die französische Presseagentur AFP. Darunter ist das grenznahe AKW Cattenom, bestätigt der staatliche Atomkonzern Electricite de France, EdF.
Susanne Neubronner, Atomexpertin von Greenpeace: „Frankreichs Behörden wissen seit Jahrzehnten, dass ihre Atomkraftwerke äußerst anfällig für Terrorangriffe sind. Dass nicht identifizierte Drohnen ohne jegliche Reaktion der Sicherheitsbehörden über Atomanlagen fliegen können, offenbart große Sicherheitslücken. Ein Unfall oder ein vorsätzlicher Angriff auf Cattenom oder Fessenheim wäre verheerend für die französische und deutsche Bevölkerung.“
AKW-Betreiber EdF stellte inzwischen Strafanzeige gegen unbekannt wegen nicht identifizierter Flugobjekte über den Atomanlagen Blays, Graveline, Cattenom, Chooz und Nogent-sur-Seine. Greenpeace will von Flügen über vier weitere AKW-Standorte wissen, darunter Fessenheim, nur wenige Kilometer von Freiburg entfernt. In Frankreich sind Flüge im Umkreis von fünf Kilometern und unter 1.000 Meter Höhe um eine Atomanlage gesetzlich verboten.
Greenpeace in Paris verlangt sofortige Aufklärung der Atomsicherheitsbehörde und bemängelt die viel zu späte Reaktion des Konzerns EdF.
Nach den Terroranschlägen dieser Tage ist diese Aufklärung erst recht dringlich. Jedes AKW ist ein hohes Sicherheitsrisiko. In „Tag der Wahrheit“ gibt der Terrorist den Betreibern drei Stunden Zeit, um den Super-GAU zu verhindern. Der Film lässt offen, was passiert.
Programm-Informationen:
ARTE-Mediathek: „Tag der Wahrheit“
ARTE-Mediathek: „Das gespaltene Dorf“
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Drohnen über Atomkraftwerken
Über 19 französischen Atomanlagen kreisen seit Wochen unbehelligt Drohnen – zuletzt über Melox, der größten Plutoniumfabrik des Landes. Der Beleg für mangelnde Sicherheit. Der Staatskonzern EdF bestätigte Überflüge der Meiler in Le Blayais, Creys-Malville, Bugey, Gravelines, Chooz, Nogent-sur-Seine, Tricastin, Golfech, Penly, Flamanville, Dampierre, Saint-Laurent-des-Eaux, Belleville, Saint-Alban und der grenznahen Anlagen Fessenheim und Cattenom. Am Abend des 06.11.2014 wurde auch die Plutoniumfabrik in Marcoule in der Nähe von Avignon überflogen, die noch wesentlich schlechter als Atommeiler gegen terroristische Angriffe geschützt ist. Eine Erkundungsdrohne könnte sensible Informationen über Fabrikabläufe liefern, die einen Angriff ermöglichen könnten. Drohnenflüge über Atomanlagen sind gesetzlich verboten. © Greenpeace
Quelle
FRANZ ALT