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Über den „Frieden“

Interview-Serie von Christian Frietsch mit Franz Alt. Teil 6 „Frieden“ – Im sechsten goodnews4-Interview befassen sich Christian Frietsch und Franz Alt mit dem Begriff „Frieden“. „Der alltägliche Atheismus oder Materialismus ist die eigentliche Krankheit unserer Zeit,“ Franz Alt

goodnews4: Franz, unter den zehn Begriffen, die wir uns ausgesucht haben, ist auch der Begriff «Frieden». Er steht als Stiefschwester oder Stiefbruder neben dem Begriff «Krieg», den wir schon erörtert haben. Beginnen wir mal bei der Frage nach einem selbst, man trägt ja in sich verschiedene Gehirne, verschiedene Positionen. Gibt es auch die Suche nach dem «Selbstfrieden», dass in einem selbst zuerst mal die Frage ist: Habe ich eigentlich den Frieden in mir selbst, der dazu Voraussetzung ist, zum Frieden aller anderen beizutragen?

Franz Alt: Das habe ich mal den Dalai Lama gefragt in einem Buch, das wir zusammen geschrieben haben. Da hat er gesagt: «Ohne inneren Frieden kann es äußeren Frieden gar nicht geben.» Also das hängt zusammen. Je mehr Menschen, zum Beispiel im Ukraine-Krieg, über ihre eigenen Konflikte in sich nachdenken und friedlicher werden, desto eher hat auch die Politik die Möglichkeit, dann auf internationaler Ebene Frieden zu schaffen. Ich habe gerade eine Organisation mitgegründet und die Schirmherrschaft übernommen, die sich «One Million for Peace» nennt. Und diese Leute, die über Frieden meditieren, jede Woche zwölf Minuten über Frieden nachdenken, denken zuerst über ihren eigenen Frieden nach. Wir wissen zum Beispiel aus Amerika, dass in Großstädten, in denen tausende Menschen jede Woche zwölf Minuten über inneren Frieden meditieren, die Gewaltspirale stark zurückging. Über 50 Prozent der Gewaltdelikte sind zurückgegangen dadurch, dass tausende Menschen in diesen Städten über Frieden meditiert haben, das ist ein geistiges Gesetz ganz offensichtlich.

goodnews4: Es gibt auch bestimmte Theorien, aber wahrscheinlich kann man es in der Praxis auch sehen, dass der innere Frieden der beste Arzt ist, also die innere Unausgewogenheit, der ständige innere Zweifel, der Zerriss und die Unzufriedenheit dazu beiträgt, dass man krank wird. Warum versuchen wir nicht mal das Grundsätzliche eines zufriedenen Menschen – das steckt da ja auch drin, «zufrieden» – nach vorne zu bringen? Was ist denn eine Voraussetzung für den unmittelbaren Frieden um einem herum? Was kann man da für einen praktischen Ratschlag geben, dass man den Frieden herstellt? Mehr Kommunikation oder die Empfehlung, endlich römisch-katholisches Mitglied zu werden? Was ist der Ratschlag, den Frieden erstmal für sich zu finden – aus Gesundheitsgründen?

Franz Alt: Darüber haben schon die alten griechischen Philosophen nachgedacht und haben am Tempel zu Delphi die schöne Inschrift «Gnothi Seauton», «Erkenne dich selbst», angebracht. Das hat mich schon immer beeindruckt, auch als Schüler, als ich Griechisch lernte. Das war mir klar als etwas ganz Wichtiges im Leben – «Erkenne dich selbst». Das heißt, denke mehr über dich selbst nach, bevor du einen anderen beschuldigst oder deine Partnerin beschuldigst oder so etwas. Allerdings in unseren Geschichtsbüchern steht leider der Folgesatz nicht, der im Tempel angeschrieben ist in Delphi. Nämlich «Erkenne dich selbst» außen und innen «damit du Gott erkennst». Wir leben in einer Zeit des Atheismus. Für mich ist der praktizierte Atheismus, der alltägliche Atheismus oder Materialismus – wie immer man das nennen mag – die eigentliche Krankheit unserer Zeit. Die Gottlosigkeit ist die eigentliche Krankheit unserer Zeit. Den Satz innen «Damit du Gott erkennst», musst du dich erst selbst erkennen, haben wir total vergessen. Das ist ein Riesenproblem.

goodnews4: In der säkularen Welt ist das natürlich sehr theoretisch. In Baden-Baden gehen bei einer Oberbürgermeisterwahl nur noch 35 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl, die ja nur einmal alle acht Jahre stattfindet. Die Menschen gehen jede Woche eher mal lieber zu Aldi. Das hat vielleicht auch ein archaisches Vorbild, dass man einfach zufrieden ist, wenn die materielle Seite stimmt. Und überall dort, wo der materielle Konflikt größer wird, ist auch der Unfrieden größer. Ist denn die theoretische Vorstellung eines Friedens, der über den Weg der Religion geht oder über den Weg Gottes geht oder über eine Ideologie geht, in dieser Welt zu weit entfernt? Brauchen wir nichts Praktischeres?

Franz Alt: Ich würde sagen für mich ist Glaube und Religion nicht identisch mit Geist. Geist ist weit, weit mehr. Und die Kirchenkrise, in der wir heute sind, ist auch eine typische geistige Krise. Die Leute haben immer noch die Sehnsucht nach etwas Metaphysischem. Die meisten Deutschen glauben an Gott, bei allen Umfragen, und die Kirchenkrise ist weit mehr als eine Glaubenskrise. Der Materialismus ist für mich die eigentliche Krankheit unserer Zeit. Wir brauchen so etwas wie ein Zeitalter des Geistes. Wenn wir ein Zeitalter des Geistes kriegen, haben wir mehr Zufriedenheit, wir haben auch mehr Gesundheit und wir haben mehr Glück. Das ist das, was heute den meisten Menschen fehlt. Wir sind zu sehr materialistisch orientiert, der Mensch ist aber einerseits Materie, also Körper, aber auch Geist und Seele und die beiden anderen Aspekte neben dem Körper sind zu sehr vernachlässigt.

goodnews4: Da bräuchten wir in Zukunft vielleicht sehr viel mehr Werbekampagnen für den Geist als für den Schokoriegel.

Franz Alt: Richtig.

Quelle

goodnews4 2023 | Danke für das Interview. Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de

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