Was Jesus wirklich gesagt hat
Das Buch „Was Jesus wirklich gesagt hat – eine Auferweckung“ von Franz Alt hat zu einer lebhaften Debatte geführt. Der Papst hat sich zu Wort gemeldet, die EKD sowie Margot Käßmann und Franz Alt heute in einer Titelgeschichte der „Bild am Sonntag“.
BamS: Stimmen Sie Papst Franziskus in seiner Kritik am Vaterunser zu?
Franz Alt: Unbedingt. Das, was der Papst jetzt gesagt hat, ist nicht weniger als eine geistige Revolution. Zum Glück haben wir keinen Dogmatiker als Papst, sondern einen sehr mutigen Menschen, dem ich meine letzten Bücher über Jesus gewidmet habe. Ich bin überzeugt, dass die Hälfte der Jesusworte, so wie sie in unseren Bibeln stehen, falsch übersetzt oder gar bewusste Fälschungen sind.
Wie kommen Sie darauf?
Franz Alt: Es hilft, sich klar zu machen wie das Neue Testament, das das Wirken Jesu beschreibt und das auch das Vaterunser enthält, entstanden ist. Jesus sprach Aramäisch. Über zwei Generationen wurden seine Worte nur mündlich weitergegeben. Dann erst kamen Leute, die sein Leben aufgeschrieben haben. Allerdings auf Griechisch. Vor 2000 Jahren war das Aramäische so weit von der Bibelsprache Griechisch entfernt, wie heute das Arabische vom Deutschen. Erst aus der griechischen Version wurde die Bibel in alle Sprachen übersetzt.
Was bedeutet das?
Franz Alt: Stellen Sie sich eine arabische Erzählung vor, die zunächst nur von Mund zu Mund übertragen wird, dann auf Deutsch aufgeschrieben wird und schließlich, nach Jahrhunderten, ins Chinesische übersetzt wird. So weit ungefähr ist unsere Bibel von Jesus entfernt.
Wie aber soll man sonst wissen was Jesus gesagt hat?
Franz Alt: Der 2009 verstorbene deutsche Jesus-Forscher Günther Schwarz hat über 40 Jahre daran gearbeitet, den griechischen Bibeltext ins Aramäische zurück zu übersetzen. Seine Einsicht war, dass die Jesus-Erzählung ursprünglich in Versform erzählt wurde. Nur so war es damals möglich, einen Text mündlich weiter zu geben, ohne dass er sich groß verändert. Schwarz schloss, dass nur die Sätze in der Bibel original von Jesus sein konnte, die sich in eine aramäische Versform zurück übertragen ließen. Das Vaterunser, das er so rekonstruiert hat, kommt dem Ur-Jesus viel näher und hört sich ganz anders an als das was wir kennen.
Wie lautet es?
Abba!
Deine Gegenwart – lass geheiligt werden!
Deine Herrschaft – lass sich ausbreiten!
Dein Wille – lass geschehen!
Lass geben unsere Nahrung!
Lass vergeben uns unsere Sünden!
Lass retten uns aus unserer Versuchung.
Amen.
Franz Alt: Das ist wunderbare aramäische Poesie. Ein Mustergebet von Jesus, ohne Blabla, ohne ein Wort zu viel oder ein Wort zu wenig. Abba heißt wörtlich übersetzt ‘Papi‘ – die zärtlichste Anrede eines Kindes für seinen Vater.
Die Zeile mit der Versuchung ist auch hier anders als in der bekannten Version.
Franz Alt: Genau. Der liebende Vater, von dem Jesus immer sprach, ist doch kein Zyniker, der uns in Versuchung führen möchte! Er will uns retten.
Es gibt aber Bibelstellen, in denen Gott die Menschen sehr wohl in Versuchung führt. Eva mit dem Apfel am Baum im Garten Eden. Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern soll.
Franz Alt: Richtig, das ist das alte Gottesbild im Alten Testament. Der war ein Gott der Strafe, der Rache, sogar des Krieges. Damit hat Jesus aufgeräumt. Er hat etwas völlig Neues gebracht. Im letzten Buch des Neuen Testaments, in der Offenbarung des Johannes sagt Jesus ‘Siehe, ich mache alles neu‘ Jesus sprach vom Gott der Liebe, des Friedens, der Gerechtigkeit, Abba, mein und unser aller Papi! Jesus verkündete eine frohe Botschaft, keine drohende Botschaft.
Vielen Gläubigen gibt es aber Sicherheit, das Vaterunser so zu beten wie schon ihre Großeltern und deren Großeltern.
Franz Alt: Das mag stimmen. Jesus war aber anders. Ein Rebell. Keiner, der alles übernommen hätte, nur weil es immer so war. Im Gegenteil.
Franziskus‘ Begründung: Es sei „nicht Gott, der den Menschen in die Versuchung stürzt, um dann zuzusehen, wie er fällt“. „Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft, sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“, so der Papst.
Aber es heißt die Bibel sei Gotteswort.
Franz Alt: Die Bibel ist Menschenwort über die Erfahrung von Gott.
Auch das Glaubensbekenntnis ist eine Grundsäule für viele Christen. Wackelt die auch?
Franz Alt: Da stehen auch Sätze drin, die Jesus heute niemals mitbeten würde. Etwa ‚Ich glaube an die heilige katholische Kirche.“ Er hat doch nicht beim Abendmahl gesagt: ‚Tut dies zu meinem Gedächtnis. Aber bitte nach Konfessionen getrennt.’ Er sprach vom ‘neuen Bund‘. Auch die Stelle im Glaubensbekenntnis ‘geboren von der Jungfrau Maria‘ ist ein Irrtum.
Warum?
Franz Alt: Maria war keine Jungfrau, sie war nur schlicht eine ‚junge Frau‘. Im Aramäischen gibt es das Wort Jungfrau gar nicht. Jesus kam auf biologischem Wege in Welt. Er hatte wahrscheinlich auch fünf oder sechs Geschwister. Indem Theologen solche Glaubenssätze beschützen, machen sie es kritischen Menschen heute sehr schwer zu glauben.
Ist Jesus nicht vielleicht doch von gestern?
Franz Alt: Nein! Jesus hat uns noch immer viel zu sagen. Jeden Tag erscheinen im Schnitt drei Bücher über Jesus. Aber wenn die Worte nicht stimmen, dann ist die ganze Botschaft falsch. Kein Wunder, dass den Kirchen die Menschen fort laufen. Gut, dass der Papst reagiert hat. Vor kurzem hat er auch gesagt: „Ich bin nicht unfehlbar – das ist nur Gott“. So ein Satz war lange lange undenkbar. Ich hoffe, wir finden mit Franziskus zum ursprünglichen Jesus zurück.
- Franz Alt „Was Jesus wirklich gesagt hat – Eine Auferweckung“
- Franz Alt „Die 100 wichtigsten Worte Jesu: Wie er sie wirklich gesagt hat“
Quelle
BILD am SONNTAG | Das Interview führte Volker Weinl 2017 | Die „BILD am SONNTAG“ bekommen Sie an jedem Kiosk oder online hier | Auch mit einer Stellungnahme dazu von Margot Käßmann.