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Wo Franz Alt richtig und wo er falsch liegt

Der Baden-Badener legt ein neues Jesus-Buch vor, in dem er eine weibliche Kirche fordert. Das neue Buch von Franz Alt ist im HERDER Verlag erschienen. Eine Buchbesprechung von Dieter Klink.

Foto: Dirk Wächter

Der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt hat ein neues Buch vorgelegt. „Ich habe einen Traum, die Zukunft der Kirche ist weiblich“, lautet die beim Herder-Verlag veröffentlichte Schrift des früheren ARD-Journalisten. Darin fordert er, die Kirchen, vor allem die katholische, mögen die weibliche Seite in ihnen wiederentdecken.Er beruft sich auf die Apostelin Maria Magdalena, die im Jüngerkreis um Jesus dabei war. Ihr habe er spirituelle Erkenntnisse anvertraut, die er den Männern vorenthalten habe, weil diese sie nicht verstanden hätten. Ja, die Männer um Jesus herum haben seinen Tod und Auferstehung nicht verstanden. Aber haben es die Frauen besser kapiert? Alt setzt männliche Ratio gegen weibliche Emotio. Wird die Balance dieses vermeintlichen Gegensatzes Jesu Lehre und Leben gerecht?

Wie seine bisherigen Jesus-Bücher ist auch dieses kein wissenschaftliches Werk. Alt geht eher pauschal vor, mit viel Gefühl. Er springt von einem Thema zum anderen. Gerade noch ist er bei Maria Magdalena, und schwups, schon beim Ukraine-Krieg oder bei den Pariser Klimazielen. Der assoziative Stil hält sich nicht immer an die Titel der Kapitel.

Für alles muss dieser Jesus herhalten. Zum wiederholten Mal sieht er im BibelZitat „Er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ einen Hinweis aufs Solarzeitalter. Der 85- Jährige predigt ein nach innen gewandtes Christentum, Jesus als Therapeut. Etwas Buddha, Yin und Yang und viel C.G. Jung.

Alt kritisiert die „akademische Theologie“, nennt sie erstarrt. Aber er differenziert nicht und nimmt nicht wahr, was unter Theologen konträr diskutiert wird. Zudem geht Alt polemisch vor. Die Rede ist von „skrupellosen Machtpolitikern“, einfach nur „Politiker“ täten es auch. Seine Sprache ist manipulativ, das macht misstrauisch. Wenn Jesus laut Matthäus sagt: „Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst“, ist das für Alt kein Befehl. Nein, Jesus mache ein „Liebes-Angebot“.

In zwei Punkten hat er allerdings absolut recht: Seine Analyse der Kirche in der Frauenfrage stimmt hundertprozentig. Kaum zu glauben, dass konservative Kardinäle oder der Neu-Freiburger Georg Gänswein mit ihrer Argumentation durchkommen, die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen zu weihen. Natürlichhat sie die! Die Abwertung der Frauen ist Jesus-widrig. Alt hat recht: Die Kirche hat Frauen unterdrückt, hat Maria Magdalena lange diffamiert. Also weg mit dem Patriarchat. Doch das fordert feministische Theologie auch ohne Alt.

Er hat ebenfalls recht mit der Kritik, die Kirchen seien Christus-versessen und Jesus-vergessen: „Wir haben eher ein Paulustum als ein Jesustum.“ Die Berufung auf Paulus erklärt Fehlentwicklungen der Kirchengeschichte, die Ausgrenzung der Frauen etwa und die Überbetonung der Gnade.

Gefährlich wird es aber, wenn Alt so sehr auf Jesus, den neuen Mann, fokussiert, dass er die Wurzeln zum Alten Testament kappen will. Für Christinnen undChristen sei es „unmöglich, das Alte Testament weiterhin als Grundlage anzuerkennen“. Denn „erst in der Person Jesu vereinigt sich idealerweise das Weibliche und das Männliche“.

Aber Vorsicht: Enthält die Bibel nicht ganz unterschiedliche Gottesbilder und Gotteserfahrungen? Diese lassen sich nicht harmonisieren, aber sie stehen zueinander in Beziehung. Jesus hebt sich ab von den alten Schriften, setzt einen neuen Bund, aber er kappt nicht die Wurzeln. Das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum ist hochkomplex. Denkt Alt seinen Vorschlag zu Ende, die Geschwister zu trennen?

Auf die Politik bezogen, ist bei Alt viel Wunschdenken dabei: Er meint, „der Aufstand der russischen Frauen nimmt zu, je länger der Krieg dauert“. Ja, man muss die Zivilgesellschaft stark reden. Aber muss man nicht auch die Realität wahrnehmen, die Entwicklung hin zur Autokratie und weg von der Demokratie? Alt redet sich die Welt schön. Darauf würde er antworten: Ich habe eben einen Traum.

Alt glaubt an den neuen Menschen. „Mehr Jesus wagen“ lautet sein Programm. Auf diese Formel können sich sicher viele seiner Leserinnen und Leser einigen. Aber würde es so viel bewirken, wie Alt es sich erträumt? Der neue Mensch ist schon oft ausgerufen worden. Er kam nie.

Alts Buch ist ein Ausgangspunkt zum Nach- und Weiterdenken. Sicher: Es gab schon Alt-Bücher, die weiter vom versprochenen Thema entfernt waren als dieses. Und in diesen Zeiten tut ein positiver, zuversichtlicher Blick auf die Welt auch gut. Aber nicht alles davon hält der Realität stand. Alts Buch ist eine sehr persönlich gehaltene Anregung, ein emotional vorgetragenes Sammelsurium an Lichtblicken – und als solches ein Gewinn.

Die Energiewende ist eines der Lebensthemen von Franz Alt. Ein neues Jesus-Bild fordertder Baden-Badener auch.

Quelle

Badische Neueste Nachrichten / Mittwoch, 29.11.2023 / Ausgabe Nr. 276 / Seite 6 | Eine Buchbesprechung von Dieter Klink

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