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OV-chipkaart | Moeerd

© OV-chipkaart | Moeerd

Alles auf eine Karte?!

Wovon in Deutschland seit Langem geträumt wird, gibt es in den Niederlanden seit Jahren.  Die Niederlande haben nur ein System für den gesamten öffentlichen Verkehr. Von Martin Unfried

Ich Erzähle mal einen Traum. Die Zufriedenheit mit der Bahn ist deutlich gestiegen. Der öffentliche Verkehr ist laut jüngster Umfragen viel beliebter als noch vor Jahren. Einiges hat sich verbessert. Die Züge sind pünktlicher, mehr als neunzig Prozent sind weniger als fünf Minuten zu spät. Die Züge sind aufgehübscht oder neu. Die Chance auf einen Sitzplatz ist gestiegen und die Bahnhöfe sind renoviert. Selbst kleine Stationen sind gepflegt. Das Produkt Eisenbahn ist gegenüber dem Auto super konkurrenzfähig. Die Zahl der Reisenden steigt und das Überraschende ist: Nicht weil die Tickets so günstig sind, sondern weil das System so attraktiv ist.

„Dream on!“ werden Sie sagen. Wo gibt es denn so was? Tja, ich muss zugeben, das beschreibt im Moment die Situation in den Niederlanden und entspricht auch meiner Erfahrung mit der niederländischen Bahn (NS) und dem öffentlichen Verkehr. Da ich viel im Land rumkomme, kann ich das aus erster Hand bezeugen. Bahnfahren ist in den Niederlanden viel besser mit anderen Formen der Mobilität vernetzt als in Deutschland. Wir haben hier nämlich seit Jahren eine elektronische Karte, wie es sie beispielsweise in London gibt oder in Ansätzen in Düsseldorf und Berlin. Nur besser.

Unsere OV-Chipkaart funktioniert im ganzen Land, das ist das Entscheidende. OV steht für Openbaar Vervoer, das ist der öffentliche Verkehr. Ich kann mit dieser Karte in Maastricht, in Den Haag oder in Amsterdam in jeden Bus, in jede Bahn, Metro und Tram einfach ein- und auschecken. Der Ticketpreis wird später abgebucht. Kein Fahrkartenkauf am Schalter oder online ist mehr nötig, keine Frage, welcher Tarif wo gilt. Von einem System für den gesamten öffentlichen Verkehr spricht, glaube ich, in Deutschland noch kaum jemand. Dazu fehlt den öffentlichen Verkehrsbetrieben und der Politik die Fantasie.

Die Niederländer haben den ganzen Prozess bereits vor fünf Jahren abgeschlossen. Heute fährt niemand mehr mit Papiertickets. Die gibt es noch am Automaten, sie sind aber immer einen Euro teurer.

Der Aufwand für die Vereinheitlichung ist sicher nicht zu unterschätzen: Überall an Bahnsteigen und in Bussen brauchte es Investitionen in Lesegeräte und andere Infrastruktur. Und die IT dahinter ist ebenso anspruchsvoll: Der Schlüssel der Kundenzufriedenheit ist ein verlässliches und vertrauenerweckendes Abrechnungssystem.

Natürlich gab es anfangs Probleme mit nicht korrekten Rechnungen. Auch ich hatte mal vergessen, nach der Reise auszuchecken. Aber davon hört man heute nichts mehr, da anscheinend auch die Reisenden dazugelernt haben. Kritik gibt es immer wieder an der Datensicherheit. Natürlich kann man mit den Daten mein Reiseprofil nachvollziehen, was allerdings mit Handydaten ebenso möglich ist. Wer möchte, kann eine anonyme Chip-Karte verwenden, die erst mit Geld aufgeladen werden muss.

Für mich hat sich der Aufwand gelohnt. Kein nerviges Warten, bis jemand beim Busfahrer den Fahrschein bezahlt hat. Völlig entspanntes Umsteigen in jeder Stadt und jedem Dorf, ohne das lokale Tarifsystem zu kennen. Nie mehr verwirrt vor einem unbekannten Automaten stehen.

Und das Beste: Die letzte Meile kann man mit dem Rad fahren. Ich kann am Bahnhof mit meiner Chipkarte ein Fahrrad der Bahn mieten, für 3,50 Euro am Tag. Das geht ruckzuck. Ich nehme mir selbst eines an der Fahrradstation, die es an jedem Bahnhof gibt, jemand scannt meine Karte ein – und los. Mein eigenes Fahrrad checke ich in Maastricht übrigens auch ein: in der gesicherten Fahrradtiefgarage. Und ich habe neulich mit meiner Karte zum ersten Mal einen Mietwagen geöffnet. Die wurde beim Car-Sharing-Partner der Bahn freigeschaltet. Ich nehme an, das nennt man intermodalen Verkehr.

Quelle

Martin Unfried | Mehr von Martin Unfried www.oekotainment.eu | Erstveröffentlichung: Kolumne
fairkehrt 2/2019 | Alles auf eine Karte?!
 | Foto: Moeerd  „OV-chipkaart“ |  creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

 

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