Energiebilanz der Temperierung von Fahrgastraum, Antrieb und Batterien in Zügen: Ein genauer Blick lohnt
Der Antrieb eines Schienenfahrzeugs ist der größte Energieverbraucher im Betrieb, gefolgt von den Systemen zur Temperierung von Fahrgastraum und Antrieb – unabhängig von der Antriebsart der Züge.
Bei elektrisch betriebenen, aber nicht über Oberleitungen oder Stromschienen mit Energie versorgten Zügen müssen zusätzlich Batterien oder Brennstoffzellen in einer optimalen Betriebstemperatur gehalten werden. Viele Bahnbetreiber ziehen den Einsatz solcher Züge für die knapp 40 Prozent noch nicht elektrifizierten Streckenabschnitte in Deutschland in Betracht. Bei diesen Zügen hat der Gesamtenergieverbrauch großen Einfluss auf Reichweite und mögliche Einsatzzeiten.
Welche Strategie für das Temperaturmanagement von Antrieb, Innenraum und eventuellen Energiespeichern an Bord die geeignetste ist, hängt insbesondere von Antriebskonzept, Klima und Einsatzbedingungen ab. Marcos Escamilla Sánchez‘ Masterarbeit zum Potenzial eines integrierten Thermomanagements, die am Fraunhofer IWU als »Exzellente Abschlussarbeit 2024« ausgezeichnet wurde, kommt zu dem Ergebnis: Die im Hamburger S-Bahn-Betrieb eingesetzte DB-Baureihe 490 verfügt dank Wärmepumpe und Abwärmenutzung aus den Traktions- und Hilfsbetrieben über ein so effizientes Thermomanagementsystem, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung am sinnvollsten erscheint. Bei dieser Baureihe handelt es sich um einen klassischen Elektrotriebzug ohne Traktionsbatterie. Der Wirkungsgrad (Coefficient of Performance) des Systems ist über den Jahresverlauf dank der energieeffizienten Heizung bzw. Klimatisierung insgesamt hoch.
Sánchez arbeitet mittlerweile als Systemingenieur beim Schienenfahrzeughersteller Alstom. Gemeinsam mit dem Spezialisten für Klimatechnik und Ausrüstung von batteriebetriebenen Nutzfahrzeugen Wölfle GmbH untersuchte er, unter welchen Betriebsbedingungen ein integriertes Thermomanagementsystem Effizienzvorteile haben kann. Die Idee: ein Gesamtsystem so auszulegen, dass Antrieb und – wo vorhanden – Batterien und Leistungselektronik in einem Wasserkreislauf zusammengeschaltet und mit einer Wärmepumpe oder Kaltwasserklimaanlage gekoppelt werden. Dies soll alle Temperaturszenarien abdecken: Fahrgastraum und Batterie müssen im Winter eher erwärmt und im Sommer eher gekühlt werden; die Abwärme des Antriebs lässt sich zwar im Winter nutzen, im Sommer muss sie jedoch aus dem System abgeführt werden.
Das Ergebnis: Eine kaltwassergestützte Klimaanlage mit Wärmepumpe und Abwärmenutzung bietet im Hamburger Jahresmittel kaum Effizienzgewinn; sie könnte ihre Vorteile jedoch in besonders kalten Regionen ausspielen – also dort, wo im Gesamtjahresverlauf oft geheizt, aber eher selten gekühlt werden muss. Den besten Coefficient of Performance weist das Modell für einen Fahrzeugbetrieb mit häufigen Beschleunigungs- und Bremsvorgängen, kurzen Fahrstrecken und häufigen Zwischenhalten aus, was insbesondere dem Betriebsprofil von S- und U-Bahnen entspricht. Ein integriertes Thermomanagementsystem könnte außerdem Gewicht einsparen und mit weniger HVAC-Komponenten (Heating, Ventilation, Air Conditioning) auskommen.
Sánchez ist sich sicher: Energiebilanz und Einsetzbarkeit von batterieelektrischen Zugsystemen oder Zügen mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb, deren Energiespeicher nahezu permanent gekühlt oder erwärmt werden müssen, würden von einem integrierten Thermomanagementsystem sehr profitieren.
Quelle
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU 2024