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Ambitionierte EU-Ausbauziele für erneuerbare Energien ökonomisch sinnvoll

Mitgliedsländer müssen bei der Umsetzung der Energiepolitik Freiräume behalten.

Die europäische Energiepolitik braucht auch nach 2020 ambitionierte Ausbauziele für Erneuerbare Energien, aber auch Freiräume bei deren nationaler Umsetzung. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Leitung von Umweltökonomen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Das in letzter Zeit häufig kritisierte deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stehe auch nicht im Widerspruch zur Idee des europäischen Binnenmarktes, so die Wissenschaftler. 

Gegenwärtig verhandeln die europäischen Regierungschefs in Brüssel über die Ziele der europäischen Klima- und Energiepolitik für das Jahr 2030. Eine Verschärfung des verbindlichen Klimaziels scheint grundsätzlich Konsens zu sein.

Hingegen bestehen noch klare Differenzen, wie es mit dem Ausbauziel für Erneuerbare Energien weitergeht:

  • Wie stark soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 erhöht werden?
  • Und sollen feste Ausbauziele auch für einzelne Mitgliedsstaaten festgelegt werden oder nur für die EU insgesamt?

Die UFZ-Forscher sprechen sich in ihrer Studie für ambitionierte und auch auf Länderebene verbindliche Erneuerbaren-Ziele aus.„Die mit der Energieerzeugung verbundenen Umweltauswirkungen sind vielfältig und betreffen nicht nur die Erderwärmung: Sie reichen vom Abbau der Energieträger (etwa Landschaftsverbrauch durch Kohletagebau) über deren Einsatz zur Strom-, Wärme- und Krafterzeugung (Feinstaubemissionen und nukleare Störfälle) bis zur Entsorgung von Atommüll oder Importrisiken“, erklärt Dr. Paul Lehmann vom UFZ.

Um all diese Probleme anzugehen, sei es wichtig, am Ausbau der erneuerbaren Energien festzuhalten und sich hier weiterhin ambitionierte Ziele zu setzen. Eine umweltverträgliche Gestaltung der europäischen Energieerzeugung erfordert auch aus rein ökonomischer Sicht einen Mix aus Zielen und Instrumenten, zu dem der Ausbau erneuerbarer Energien und ihre Förderung sinnvoll beitragen können. Modellberechnungen der UFZ-Ökonomen zeigen, dass zusätzliche Ziele für den Ausbau Erneuerbarer volkswirtschaftlichen Mehrwert erbringen könnten. Die Förderung erneuerbarer Energieträger würde den Einsatz nuklearer und teilweise auch fossiler Brennstoffe in der Stromerzeugung und die damit verbundenen Umweltschäden verringern. Gleichzeitig fielen die volkswirtschaftlichen Zusatzkosten verhältnismäßig gering aus.

Immer wieder fordert zudem die Europäische Kommission – aber auch deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter – eine stärkere „Europäisierung“ der deutschen Energiewende. So werden regelmäßig Zweifel geäußert, ob das jüngst reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und der Idee des Binnenmarktes vereinbar sei. Eine insgesamt sehr heterogene energiepolitische Landschaft in der EU lässt aber weiterhin Raum für nationale Ansätze, zumal eine vollständige Harmonisierung auch ökonomisch nicht auf allen Feldern der Energiepolitik – anders als beim Klimaschutz – überhaupt sinnvoll ist.

Das EEG verstößt aus Sicht der Umweltökonomen auch nicht gegen das EU-Beihilferecht: So seien die Ausnahmeregelungen für bestimmte Industriezweige zwar staatliche Beihilfen und auch im EEG 2014 zu weitreichend geraten. Sie verfälschen den europäischen Wettbewerb aber nicht, da niemand besser gestellt werden kann als ein EU-Konkurrent. Die jüngsten Vorschläge der Kommission zu den Leitlinien für die Förderung Erneuerbarer Energien sehen zusätzlich vor, dass diese überall in der EU mittelfristig auf Ausschreibungsmodelle umzustellen sind. Ausschreibungsmodelle sollen gezielt die günstigsten Produzenten von erneuerbaren Energien fördern.

„Eine derartige Harmonisierung hat jedoch auch Nachteile: Letztlich ist noch gar nicht klar, wie die langfristigen Herausforderungen der Umstellung auf Erneuerbare am besten angegangen werden müssen. Entsprechend könnte sich eine dezentrale Suche nach Lösungen – etwa durch „Politikexperimente“ der Mitgliedsländer – auf Dauer als effizienter herausstellen als eine zentral verordnete Vereinheitlichung der Förderpolitik“, gibt Prof. Erik Gawel vom UFZ zu bedenken.

Zudem analysierten die UFZ-Wissenschaftler anhand von Satellitenbildern, wie der tropische Regenwald im Amazonasgebiet und der Küstentropenwald räumlich verteilt sind. Um möglichst viele kleine Waldareale zu berücksichtigen, arbeiteten sie mit einer sehr hohen Auflösung von bis zu zirka 30 Metern: „Das ist in der Wissenschaft die Grenze der Bearbeitung, da die Datenmengen für den Amazonas sehr groß sind“, sagt UFZ-Wissenschaftler Prof. Dr. Andreas Huth.

Den Aufnahmen zufolge nimmt Küstentropenwald insgesamt mit elf Prozent seiner ursprünglichen Flächen nur noch 157.000 Quadratkilometer ein und ist in 245.173 Fragmente zersplittert. 90 Prozent der Waldreste sind kleiner als 100 Hektar, so dass sie sehr viele Ränder ausweisen. Insgesamt liegen 46 Prozent der Wälder im Mata Atlântica in diesen Randlagen. Das hat Folgen: Wegen des veränderten Mikroklimas an den Waldrändern gehen in zehn Jahren mehr als 68 Millionen Tonnen Kohlenstoff verloren.

„Bezogen auf die geringe Gesamtfläche des Küstenwaldes ist das ein enormer Verlust“, konstatiert Pütz. Der 3,1 Millionen Quadratkilometer große brasilianische Teil des Regenwaldes im Amazonasgebiet besteht aus über 300.000 Waldfragmenten. Die Randgebiete machen aber nur etwa sieben Prozent der gesamten Fläche aus. Der zusätzliche Verlust an Kohlenstoff durch die Randeffekte beläuft sich damit im gesamten Regenwald des Amazonas auf zirka 600 Millionen Tonnen in zehn Jahren.

Eine weitgehende Zentralisierung energiepolitischer Kompetenzen oder eine entsprechende Harmonisierung von Politikansätzen auf europäischer Ebene halten die Umweltökonomen um Gawel und Lehmann weder für realistisch noch für erstrebenswert. Zum einen umfasst die Energiepolitik unterschiedlich zu beurteilende Felder wie Klimapolitik, Technologiepolitik, Energieeffizienzpolitik oder Binnenmarkt- und Netzpolitik.

Zum anderen sind auch die Vorstellungen der Bevölkerung in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich, was jene Auswirkungen der Energieversorgung angeht, die nicht über Märkte bewertet werden können – wie etwa die Risiken der Atomenergie oder den Einsatz Norwegens als „grüner Batterie“ Europas. Außerdem könnte eine europaweit organisierte Stromversorgung zur Aufgabe nationaler Produktionsstandorte und damit zum Verlust an regionaler Wertschöpfung sowie zu neuen Herausforderungen bei der Netzstabilität führen.

Weitere Informationen:

Sijm, J., Lehmann, P., Gawel, E., Chewpreecha, U., Mercure, J.-F., Pollitt, H., Strunz, S. (2014): EU climate and energy policy beyond 2020: Are additional targets and instruments for renewables economically reasonable? UFZ Discussion Paper 3/2014, Helmholtz-Centre for Environmental Research – UFZ, Leipzig.

Gawel, E., Strunz, S., Lehmann, P. (2014): „Wie viel Europa braucht die Energiewende?” in: Zeitschrift für Energiewirtschaft, Heft 3/2014; siehe auch UFZ Discussion Paper 4/2014, Helmholtz-Centre for Environmental Research – UFZ, Leipzig. UFZ Discussion Paper 4/2014

Quelle

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) | Tilo Arnhold 2014

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