Beschlossen – Booster für die Solarenergie!
In den letzten Monaten bin ich mit politischen Aussagen weitgehend verstummt. Diese Zurückhaltung ist als Europa-Staatssekretär des BMWK gerade berufsbedingt, denn die letzten Verhandlungen zum Green Deal im Rat der EU sowie zu einigen weiteren europäischen und deutschen Gesetzen waren in der Bundesregierung und zwischen den Mitgliedstaaten sehr schwierig. Diese wichtigen Einigungen wollte ich nicht durch öffentliche Einlassungen gefährden. Und ja – es war oft kompliziert in der Ampel, aber auch im Rat der Mitgliedsstaaten (wie auch im Europaparlament), die Mehrheiten zusammenzubringen.
Doch jetzt können wir sagen: Geschafft! Alle Elemente des Fitfor55-Pakets der EU zum ambitionierten Klimaschutz sind beschlossen und alle mit Zustimmung Deutschlands!
Das war mein Hauptjob in der Regierung. Grüner wird’s nicht mehr. Denn mit diesem Paket ist Europa als erste Region der Welt auf gutem Wege zur Klimaneutralität! Auch das EU-Lieferkettengesetz, das mir besonders am Herzen liegt, wird nun Gesetz, wenn auch ohne deutsche Zustimmung. Lediglich zwei klimarelevante Gesetze des Green Deal sind derzeit in Brüssel blockiert: Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur wegen des Widerstands der Europäischen Volkspartei und die Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie wegen der notwendigen Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten. Jetzt kommt es darauf an, das Beschlossene in den Mitgliedsstaaten konsequent und investitionsfreundlich umzusetzen, europäisch braucht es die Fortsetzung des Green Deals als gemeinsame Wirtschaftsstrategie Europas. Doch zu all dem bald mehr.
Gleichzeitig hat der Bundestag am letzten Freitag mit dem Solarpaket ein nationales Gesetz beschlossen, für das ich mich seit zwei Jahren eingesetzt habe.
Dieses Solarbeschleunigungspaket ist das Ergebnis unzähliger Hinweise, Beschwerden und Forderungen von Unternehmen und Bürger*innen, die sich für Solarenergie einsetzen:
- Der Youtuber Dr. Andreas Schmitz aka “Der Akku Doktor” hat in kürzester Zeit über 100.000 Unterschriften unter eine Petition an den Bundestag für einfachere Regeln für Balkonsolaranlagen gesammelt.
- In einem Praxischeck zum Bürokratieabbau mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) haben wir im BMWK bürokratische Hemmnisse für größere Dachanlagen von z.B. Supermärkten ermittelt.
- Mit unserer Photovoltaik-Strategie hat das BMWK Maßnahmen zur Konsultation gestellt und von unzähligen Verbänden, Kommunen, Unternehmen und auch Bundesländern konkrete Hinweise bekommen.
- Im Rahmen des Webinar-Formats “Europe Calling” haben wir über die letzten drei Jahre mehrfach gesammelt, welche Hindernisse Betreiber*innen von Solaranlagen und Bürgerenergie Schwierigkeiten machen.
Alle Hinweise wurden im BMWK gründlich geprüft. Über unsere Abteilung Mittelstand und Bürokratieabbau habe ich viele dieser Hinweise immer wieder ins Gesetzgebungsverfahren gespeist. Unsere ohnehin überarbeiteten Expert*innen in der Strom-Abteilung des Ministeriums haben noch mehr Überstunden gemacht und auf der Basis ihrer eigenen jahrelangen Expertise einen Gesetzentwurf gemacht. Der Bundestag hat weitere Verbesserungen – und auch zwei Verschlechterungen – untergebracht und nun ist das Paket in Kraft.
Das ist auch dringend nötig, denn um unsere deutschen Klimaziele zu erreichen, muss die Stromproduktion bis 2030 zu 80% aus erneuerbaren Quellen kommen.
Dazu brauchen wir ab 2026 einen Solarboom mit einem Photovoltaik-Zubau von 22 GW pro Jahr. Dabei sind wir auf gutem Wege, denn in 2023 haben wir erstmals 14,6 GW geschafft. Das ist mehr als doppelt so viel wie im bisherigen Solarrekordjahr 2012 direkt vor dem politischen Abwürgen der Photovoltaik durch die vorherigen Bundesregierungen. Alleine 2023 wurden über eine Millionen neue Solaranlagen errichtet, also eine Millionen Menschen zu Solarunternehmer*innen! Und 2024 geht es erfolgreich weiter: Die letzte Photovoltaik-Freiflächenauktion war deutlich überzeichnet. Im Durchschnitt bekommen die Betreiber*innen nur 5,11 ct/kWh, die günstigsten Gebote gar nur 3,62 ct.
Kurzum: Solarstrom wird günstig. Zusammen mit den ebenso boomenden Speichern, dem wachsenden europäischen Energienetz und Nachfrageflexibilität bekommt Deutschland eine stabile, klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung.
Bitte teilt meinen Tweet mit den guten Nachrichten und der Einladung zum Webinar hier:
Im Solarpaket stecken dutzende einzelne Maßnahmen, die den Dschungel schädlicher Bürokratie gegen die Nutzung der günstigen Sonnenenergie lichten. Von der Balkon-PV-Anlage über die Dachanlagen auf großen und kleinen Gebäuden bis hin zur großen Freiflächenanlage – überall fallen die Hürden. Der Netzanschluss und Zertifizierung von PV-Anlagen wird vereinfacht und beschleunigt. Den Mieterstrom erleichtern wir. Für Freiflächensolaranlagen gibt es neue Regeln für noch mehr Biodiversität. Alle neuen Möglichkeiten des EU-Rechts zur Beschleunigung für Erneuerbare und Speicher werden verlängert beziehungsweise im deutschen Recht verankert.
Alle Details findet Ihr hier im Briefing unseres BMWK.
Parallel dazu – und fast unbeachtet von der Öffentlichkeit – ist es uns auch noch gelungen, europaweit eine Solarpflicht auf Gebäuden zu verankern.
Dank der neuen EU-Gebäuderichtlinie müssen rechtsverbindlich in allen EU-Ländern große alte Gebäude mit Solaranlagen nachgerüstet werden. Bei neuen Gebäuden werden Solaranlagen genauso zu einem genehmigungsfähigen Gebäude gehören wie eine Toilette oder ein Abwasseranschluss.
Im einzelnen gilt: Solaranlagen (wo immer wirtschaftlich) werden verbindlich
- auf allen neuen öffentlichen Gebäuden und neuen Nichtwohngebäuden mit einer Nutzfläche über 250 m² ab 31.12.2026;
- auf allen bestehenden öffentlichen Gebäuden mit Nutzflächen von mehr als 2000 m² bis 31.12.2027, mehr als 750 m² bis 31.12.2028 und mehr als 250 m² bis 31.12.2030;
- auf allen bestehenden Nichtwohngebäuden mit einer Nutzfläche über 500 m², bei größerer Renovierung oder wenn Maßnahmen erfolgen, die einer Genehmigung bedürfen, ab 31.12.2027;
- auf allen neuen Wohngebäuden und allen neuen angrenzenden überdachten Parkplätze ab 31.12.2029.
Durch diese Regeln wird es zu einem Boom von neuen Solaranlagen in ganz Europa kommen – besonders umweltfreundlich auf Dächern. Durch den Rat der Mitgliedsländer ging das Gesetz mit 65,43%, also mit hauchdünner Mehrheit über den erforderlichen 65%. Damit war die deutsche Bundesregierung entscheidend für diesen Durchbruch.
Beim deutschen Solarpaket mussten wir im Gesetzgebungsverfahren jedoch auch Kompromisse machen. Die FDP hat den Beschluss des Solarpakets im Bundestag mit einer Reform des Klimaschutzgesetzes verbunden. Diese Reform des Klimaschutzgesetzes enthält Verbesserungen, aber vor allem wird die Verbindlichkeit der Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Ministerien abgeschwächt. Das ist bitter, aber war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Diese Veränderung war entscheidend, um all die starken Maßnahmen für den Klimaschutz in Europa und in Deutschland im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbaren zu können. Das Solarpaket ist dagegen nicht im Koalitionsvertrag abgesichert. Es ist eine gemeinsame Leistung der Ampel.
Im Solarpaket selbst gibt es auch drei einzelne Kompromisse:
- Große Dachanlagen ab 750 kWp (vorher 1000 kWp) müssen nun zwingend ins Ausschreibungsverfahren.
- Die Verlegung von Leitungen zum Anschluss neuer erneuerbaren Anlagen muss nun – anders als im BMWK-Entwurf vorgesehen – nur von öffentlichen und nicht von privaten Grundbesitzern geduldet werden.
- Ein Resilienzbonus für Strom aus Solaranlagen, die unter sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt werden, ist nicht vorgesehen. Das verschlechtert die Chancen in Europa eine eigene PV-Produktion zu erhalten.
Nach dem Solarpaket geht es weiter! Die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie III der EU muss in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Stärkung des bereits boomenden Marktes für Energiespeicher steht an. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Energiemarktrichtlinie werden wir die Regeln für das gemeinschaftliche Nutzen von Energie („energy sharing“) weiter verbessern.
Es gibt noch viel zu tun für die Bundesregierung und auch alle anderen Ebenen – Bundesländer und Kommunen – werden gebraucht, alle verbleibenden Hemmnisse für die Erneuerbaren auf dem Weg zu schaffen. Wir brauchen insbesondere mehr Windräder im Süden und mehr Solaranlagen im Norden. Denn nur wenn alle Ampeln das Staates auf Grün stehen, können Unternehmen und Bürger*innen dafür sorgen, dass der Solarboom weitergeht – bis Deutschland und Europa treibhausgasneutral sind.
Quelle
Sven Giegold 2024 | Seit Dezember 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.