‹ Zurück zur Übersicht
Depositphotos.com | anterovium

© Depositphotos.com | anterovium

Bundesregierung setzt auf teures & klimaschädliches CCS

Die Bundesregierung will den Export und die Speicherung des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) im Meeresboden außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets möglich machen, um das wirtschaftliche Überleben der fossilen Wirtschaft zu sichern.

Aus Verbrennungsgasen der Kraftwerke, Raffinerien und Industrieanlagen soll das Klimagas CO2 abgeschieden werden und dann in „sicheren“ unterirdischen Depots über lange Zeiträume gelagert werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür werden bereits angepasst, berichtete kürzlich die WELT unter Berufung auf das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium. Norwegen, die Niederlande, Belgien und Großbritannien bereiten zum Teil mit Milliardenaufwand die Verpressung großer Mengen Kohlendioxid im Meeresboden vor. Deutschland will diese Möglichkeit nutzen. Der Weg dafür wird gerade frei gemacht.

Die Abkürzung CCS kommt aus dem Englischen: Carbon Capture and Storage, also: Kohlenstoff einfangen und lagern. Bei CCS-Verfahren wird von fossilen Energieerzeugungsanlagen wie Kohlekraftwerken und anderen Industrieanlagen erzeugtes CO2 abgetrennt und unter der Erde eingelagert. CO2 soll somit nicht in die Atmosphäre gelangen, sondern in geeigneten geologischen Formationen gespeichert werden. In Frage kommen dafür ausgebeutete Erdgas- oder Erdöllagerstätten, saline Aquifere oder der Meeresuntergrund. CCS dient Politik und fossiler Wirtschaft als Feigenblatt, fossile Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle in Zeiten des Klimawandels weiter zu nutzen

Ich kann mich gut erinnern, wie vor etwa 20 Jahren die fossile Wirtschaft begann, CCS als Klimaschutzlösung zu präsentieren. Natürlich eröffneten sie mit CCS eine angebliche Klimaschutzlösungsstrategie, die das Weiterführen ihrer Geschäftsmodelle mit Erdöl, Erdgas und Kohle ermöglichen könne. In toll aufbereiteten parlamentarischen Abenden luden BP, Shell, RWE und andere ein und erzählten uns Abgeordneten, dass sie nun die Lösung für den Klimaschutz gefunden hätten. Aus den Verbrennungsgasen der Schornsteine der Kohle- und Erdgaskraftwerke wollten sie das Kohlendioxid abscheiden und dann über Pipelines in unterirdische, angeblich sicheren Kohlendioxid-Lagern deponieren. Gerade die Ölkonzerne versprachen durch CCS auch klimaschutz-kompatible Erdöl- und Erdgasanwendungen. Sie konnten aber nie irgendeine Perspektive aufzeigen, wie man CO2 aus den Schornsteinen der Heizungen oder aus den Auspuffen der Autos, LKW oder Flugzeuge auffangen und abspalten kann. Im Heizungs- und Verkehrssektor, in denen der größte Teil des klimaschädlichen Erdöles und Erdgases verbrannt wird, wird CCS nie Anwendung finden können. Dennoch lobbyieren gerade auch die Erdöl- und Erdgaskonzerne für CCS.

Offensichtlich war und ist ihr Kalkül, mit der CO2-Verpressung in Erdöl- und Erdgaslagerstätten die Gewinnung dieser Rohstoffe weiter zu stärken und so zum Klimaschutz völlig kontraproduktiv das CCS-Verfahren zu nutzen.

Inzwischen wendet die Erdöl- und Erdgasbranche tatsächlich das sogenannte „Enhanced Oil Recovery“ (EOR)-Verfahren an, wie die Deutsche Welle hervorragend recherchierte.

Auch Jahrzehnte, nachdem sie erschlossen und fast leergepumpt wurden, bergen die meisten Lagerstätten noch immer riesige Erdölvorkommen, nur sind sie meist schwer zu erreichen. Um dennoch an diese Ölvorräte heranzukommen, pumpt man CO2 in die erschöpften Öllagerstätten hinein, dies „erhöht den Druck“ und treibt das verbliebene Öl somit nach oben. Dadurch wiederum werden eine höhere Öl-Förderung und eben höhere CO2-Emission ermöglicht, durch das so geförderte zusätzliche Erdöl in Heizungen oder Autos. Im Durchschnitt kann jede halbe Tonne Kohlendioxid, die durch EOR injiziert wird, ein weiteres Fass oder noch mehr Öl aus der Erde herauspressen. Die Folge: Die Emissionen von auf diese Weise gewonnenem Öl können am Ende größer sein als die Menge CO2, die an abgeschiedenem Kohlendioxid verpresst wurde.

Seit 20 Jahren gibt es also die Forderungen der fossilen Wirtschaft nach CCS und den Ruf nach staatlichen Förderprogrammen. Die gab es nun weltweit in Milliardenhöhe, mit dem Ergebnis, dass es außer ein paar staatlich finanzierten CCS-Anlagen nirgends auf der Welt eine kommerzielle Anlage zu CCS gibt. Zum gleichen Zeitpunkt wurde von uns Abgeordneten im rot- grünen Parlament mit dem EEG Solar- und Windenergie als Alternative zu fossilen Energien und damit auch CCS erfolgreich auf den Weg gebracht. Man sagte uns damals, das würde nie wirtschaftlich, nur CCS sei die echte Lösung.

Nun, heute 20 Jahre später sind Solar- und Windenergie die billigste Art der Energieerzeugung, viel billiger als Strom aus Kohle oder Erdgas. Und ebenso ist der Betrieb eines E-Mobiles mit Ökostrom viel günstiger als der mit Erdöl. Wenn man nun noch CCS an ein Kohlekraftwerk oder Industrieanlagen anhängen würde, wäre deren Betrieb wohl unbezahlbar teuer. Niemand würde CCS anwenden und lieber auf die viel billigeren Erneuerbaren Energien zurückgreifen, die heute schon günstiger sind als Energie aus fossilen Quellen – selbst ohne die teure CCS-Technologie.

Aber bis heute haben sich solche einfachen Erkenntnisse nicht in der Politik durchgesetzt. Falsch beraten auch von vielen Klimaforscher*innen des Weltklimarates und dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dessen Leiter Ottmar Edenhofer bis heute CCS fordert, setzen sie immer weiter auf die Fata Morgana CCS, statt auf 100% Erneuerbare Energien, womit CCS im Energiesektor ja überflüssig würde.

Dabei kann CCS – würde es denn tatsächlich verwirklicht werden – keinen wirklichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, denn der kann nur noch mit dem schnellen Ende aller Treibhausgasemissionen umgesetzt werden.

Selbst mit großflächig verwirklichten kommerziellen CCS-Projekten würde es neben dem schon bestehenden massiven weltweiten Methanschlupf in den Fördergebieten und Pipelines von Erdöl, Erdgas, Kohle auch weiterhin einen CO2-Schlupf aus undichten geologischen Formationen geben. Da das fossile Energiesystem von schlampiger Handhabung und mafiösen Strukturen durchsetzt ist, wird es immer unkontrollierbare Emissionen geben.

Schlimm ist, dass die Bundesministerien für Wirtschaft sowie Umwelt wohl noch versuchen werden, die Erlaubnis zum CO2-Export in die Länder, die die marine Verpressung durchführen, noch vor dem Regierungswechsel und unter dem Radar der Wahrnehmung (Corona, Wahlkampf, Urlaub, etc.) auf den Weg zu bringen.

Denn es gibt erhebliche, bis heute nicht entkräftete Bedenken gegen CCS, was – selbst wenn es angewandt wird – dazu führt, dass es keine Klimaschutzwirkung entwickeln kann: So ist völlig unsicher, ob das Kohlendioxid über den angedachten Zeitraum von 10.000 Jahren eingeschlossen bleibt.

Denn die Verpressung des CO2 in Gesteinsschichten wird zu Rissen und Erdbeben führen, durch die das Kohlendioxid wieder aus dem Untergrund entweicht, da CO2 in gelöster Form Gesteine und Metalle zerstören kann. Leckagen sind also sehr wahrscheinlich und Umweltverbände vermuten in diesen Fällen daher schwere ökologische Schäden, tote Zonen und eine starke Versauerung des Wassers. Außerdem existieren bereits durch frühere Öl-und Gasbohrungen in der Nordsee ca. 10.000 Bohrlöcher, durch die das CO2 wieder entweichen könnte.

Weiterhin stellte das Mitglied des globalen Wissenschaftlernetzwerkes der Energy Watch Group (EWG), M. Z. Jacobson, in seinen Untersuchungen fest: Die CCS-Technik verschlechtert den Wirkungsgrad von Kraftwerken. Bei modernen Kohlekraftwerken wird von einem Brennstoffmehrverbrauch in Höhe von ca. 24 bis 40 % gegenüber Kraftwerken ohne CCS-Technik ausgegangen, hauptsächlich für die Abscheidung und Verdichtung des Kohlenstoffdioxids.

Die angepeilte Erlaubnis der Bundesregierung für den Export und die Speicherung des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) im Meeresboden außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ist also nur ein weiterer Kniefall vor den Klimaverschmutzern der fossilen Wirtschaft. Dem Klimaschutz dagegen dient CCS nicht.

Mit 100% Erneuerbaren Energien bis 2030, wie es die EWG vor kurzem in einer Studie vorgestellt hat, gibt es keinerlei Notwendigkeit für CCS im Energiesektor.

Auch für die CO2 Emissionen in der Industrie gibt es genügend Optionen, die ohne CCS auskommen. Stichworte sind beispielsweise grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien oder Textilbeton statt Stahlbeton.

Doch in ihrer ökologischen Blindheit und als Erfüllungsgehilfe der Interessen der fossilen Wirtschaft setzen CDU/CSU und SPD offensichtlich unbelehrbar auf CCS und befördern so das weitere Überleben derjenigen, die Klimaschutz seit Jahren torpedieren.

Quelle

Hans-Josef Fell 2021Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren