„Chief Disruptor“ Tony Seba: Die 2020er Jahre werden die disruptivsten Jahre aller Zeiten
Sein Buch “Saubere Revolution 2030” ist nun auch auf Deutsch erschienen. Tony Seba erwartet, dass sich in naher Zukunft das Energie- und Verkehrssystem radikal verändern werden. Die Erneuerbaren und Speichertechnologien sind aus seiner Sicht nicht mehr aufzuhalten.
Tony Seba gilt als „Chief Disruptor“. Es klingt wie ein Dinosaurier, ist aber das genaue Gegenteil. Den Ruf eines weltweiten Vordenkers hat sich der Silicon-Valley-Unternehmer und Standford Dozent nicht zuletzt mit seinem Buch „Clean Disruption of Energy and Transportation“ erworben. Es ist jetzt auf Deutsch unter dem Titel „Saubere Revolution 2030“ erschienen und in dieser Woche in Berlin vorgestellt worden.
Nach Ansicht von Tony Seba stehen das Energie- und Verkehrssystem an der Schwelle zur Disruption. „Ich gehe davon aus, dass die 2020er Jahre im Energie- und Verkehrssektor die disruptivsten Jahre aller Zeiten werden“, sagt der Autor, der für die Vorstellung der deutschen Ausgabe extra per Skype aus Neuseeland zugeschaltet ist. Photovoltaik, Windkraft, Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren würden die Systeme bis 2030 radikal umwälzen. Einige Länder machten gerade bei der Elektromobilität große Fortschritte, erklärt Seba. Er verweist auf Australien und Neuseeland, aber auch auf China. In diesen Ländern bewege sich derzeit viel im Energie- und Verkehrssektor.
Der Chief Disruptor regt sich während der Buchvorstellung darüber auf, dass wichtige Institutionen wie die Internationale Energieagentur (IEA) immer noch beispielsweise die Entwicklung des Photovoltaik-Marktes weltweit unterschätzen. „Sie ignorieren die Tatsachen. Sie sollten mein Buch lesen“, sagt Seba in Richtung der IEA-Mitglieder. Er glaubt daran, dass die fallenden Kosten bei Photovoltaik, Windkraft, Speichern und digitalen Produkten die Disruption beschleunigen werden, zumal sie sich auch noch gegenseitig noch Dynamik verleihen würden. Seba verweist darauf, dass die Photovoltaik in immer mehr Ländern weltweit zur günstigsten Energiequelle wird. Wenn der Photovoltaik-Ausbau exponentiell so wie bisher weiterwachse, werde das Energiesystem 2030 zu 100 Prozent auf Solarstrom basieren, so Sebas These.
In seinem Buch hat er die Kostenverbesserungen von Photovoltaik seit 1970 gegenüber den fossilen Energien ausgerechnet. Seba hat ermittelt, dass sich die Kosten für Photovoltaik gegenüber dem Öl 5355-mal seit 1970 verbessert haben. Beim Erdgas hat er den Faktor 2275, bei der Atomkraft den Faktor 1540 und der Kohle den Faktor 900 ermittelt. Diese Zahlen sind bezogen auf den Stand 2014 und wären damit aktuell noch beeindruckender. „Die Kosten sinken so schnell, dass bald jeder die Möglichkeit haben wird, seinen Strom selbst zu erzeugen und zu speichern, was günstiger sein wird als Netzstrom“, sagt Seba im Skype-Gespräch. Selbst wenn ein großes Kraftwerk für null Cent produzieren würde, wäre allein der Stromtransport teuerer als die Produktion und Speicherung von Solarstrom vor Ort. Photovoltaik und Speicher würden so zu einem ökonomischen Faktor. In dieser Situation verweist Seba auch auf das Potenzial von Elektrofahrzeugen: „Sie werden Speicher auf Rädern sein.“
Für politische Barrieren, die für Erneuerbare oder Elektromobilität aufgebaut werden, hat er kein Verständnis. „Die Regierungen sollten aus dem Weg gehen.“ Sie könnten die Entwicklung ohnehin nicht aufhalten. Die Disruption werde sich ihren Weg bahnen. Die Regierungen könnten sie höchstens kurzfristig verzögern.
Mit Blick auf die Speicher hält er die Diskussion über eine mögliche Knappheit des Rohstoffs Lithium für den falschen Ansatz. „Der Anteil von Lithium in Batterien macht so wenig aus. Es kommt vielleicht zu Engpässen, doch es wird keinen jähen Stopp geben“, ist Seba überzeugt. In diesem Feld setzt er auch große Hoffnungen auf China. Das Land sei jahrzehntelang technologisch hinten dran gewesen, hole nun aber stark auf und setze sich sich mit an die Spitze der Entwicklung. „Chinesische Konzerne investierten massiv in die Entwicklung, gerade wenn es um autonomes Fahren, Elektrofahrzeuge oder Batterien geht. Sie wollen unbedingt nun vorn dran sein“, sagt Seba.
Daniel Bannasch, Vorsitzender von Metropol Solar Rhein-Neckar, hat in den vergangenen zwei Jahren viel Schweiß und Herzblut in die Übersetzung des Buchs von Seba gesteckt und vertreibt es jetzt auch in Deutschland. Er will, dass Sebas Konzepte, Analysen und Vorhersagen endlich auch in Deutschland ankommen. „Das Buch hat das Potenzial, die Diskussion bei uns grundlegend zu verändern“, sagt Bannasch. Es beschreibe eine „unvermeindliche, exponentiell ablaufende, technisch-wirtschaftliche Entwicklung“, die zugleich eine gesellschaftliche und ökologische Revolution sei.
Auch Eicke Weber, ehemaliger Leiter des Fraunhofer ISE, ist von Seba und dessen Thesen angetan. Er gehöre zu den wichtigsten Vordenkern weltweit. „Wer sein Buch liest, begreift das Muster hinter den rasanten Veränderungen, die in kurzer Zeit zu circa 100 Prozent erneuerbaren Energien führen werden, und kann sich eher darauf einstellen“, wirbt Weber für die Lektüre des Buches. „Wer die Entwicklung der Photovoltaik wie auch der Speichertechnologie und der Elektromobilität bisher unterschätzt hat, bekommt hier seine zweite Chance.“
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „pv-magazine“ (Sandra Enkhardt) 2017 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Sandra Enkhardt
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