CO2-Emissionen: Krieg heizt die Klimakrise an
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist der erste, dessen Klimaschaden umfassend dokumentiert wird. Militärische Konflikte verursachen zusätzliche Emissionen weltweit, auch die Aufrüstung trägt dazu bei. Letztere zu reduzieren ist nicht leicht.
Der Krieg gegen die Ukraine hat seit Russlands Angriff im Februar 2022 unzählige Leben und Lebensgrundlagen vernichtet. Hinzu kommt die Zerstörung der Infrastruktur, der Umwelt und die Klimafolgen. Denn der Krieg verursacht große Mengen zusätzlicher Emissionen. Der Klimaschaden trifft am Ende alle.
Die Ukraine plant, die Umweltfolgen des Kriegs auf der Weltklimakonferenz zur Sprache zu bringen, die seit Anfang der Woche in Baku tagt. Auf der COP29 wird diskutiert, wie der globale Temperaturanstieg aufgehalten werden und Klimaschutz und Klimafolgenanpassung finanziert werden können. Die Ukraine strebt einen grünen Wiederaufbau an und will am globalen Klimaschutz mitwirken.
Klimaschaden Krieg
Mitten im Krieg kann die Ukraine zwar nur schwer mit einem grünen und nachhaltigen Wiederaufbau beginnen. Doch die Deklaration ist sowohl Ausdruck der Resilienz der Ukraine als auch des Willens, dem von Russland verursachten Klimaschaden entgegenzuwirken. Krieg und Militär verursachen weltweit erhebliche Emissionen, die bisher nicht verpflichtend dokumentiert werden. Das Conflict and Environment Observatory geht davon aus, dass der Sektor für 5,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
Der Krieg in der Ukraine ist der erste militärische Konflikt, dessen Emissionen von Forschern umfassend dokumentiert werden – und bei dem es Reparationsforderungen für diese Emissionen gibt. Im Sommer stellte die Initiative On Greenhouse Gas Accounting Of War auf einer Wiederaufbaukonferenz in Berlin einen Bericht vor, der unzählige Emissionsquellen und absehbare Klimafolgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine aufschlüsselt.
Die meisten Emissionen, rund 32 Prozent der Gesamtsumme, werden durch den Wideraufbau verursacht, denn von der Infrastruktur über Häuser und Industrie muss vieles erst wieder erschaffen werden. Fast ebenso viele Emissionen werden durch die Kampfhandlungen selbst verursacht, vom Treibstoff bis zur Munition. Mit 14 Prozent ist der drittgrößte Faktor der internationale Luftverkehr: Aufgrund des Krieges muss der ukrainische Luftraum großräumig umflogen werden. Hinzu kommen Geflüchtete sowie einzelne Großereignisse wie die Zerstörung elementarer Energieinfrastruktur und des Kachowka-Staudamms. Sie alle verursachen zusätzliche Emissionen.
Insgesamt emittierte der Krieg in den ersten zwei Jahren 175 Millionen Tonnen CO2e. Das entspricht den Jahresemissionen der Niederlande. Die Initiative begründet mit den Berechnungen Reparationsforderungen an Russland von mehr als 32 Milliarden Dollar allein für Klimaschäden.
Europa verteidigen
Weitere Faktoren wie der zusätzliche Rohstoffabbau und die Aufrüstung des Westens finden im Bericht Erwähnung, werden aber nicht genauer beziffert. Fast alle EU-Staaten haben Ihre Rüstungsimporte seit 2022 deutlich erhöht, berichtet das Friedensforschungsinstituts SIPRI.
Auch Deutschland rüstet seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine auf. In diesem Jahr wird voraussichtlich das von der Nato geforderte Ziel erreicht, zwei Prozent des BIP für Verteidigung aufzuwenden. Dafür muss das Budget der Bundeswehr um 25 bis 30 Millionen Euro erhöht werden. Die Menschenrechts- und Umweltschutzorganisation Greenpeace bezweifelt allerdings, dass immer mehr Waffen auf beiden Seiten helfen, den Krieg zu beenden.
„Die russische Invasion in der Ukraine hat in Deutschland einen reflexhaften Schrei nach immer mehr Geld für die Bundeswehr ausgelöst, obwohl die Nato militärisch deutlich überlegen ist. Statt weiter Ängste zu schüren, sollte Verteidigungsminister Pistorius die strukturellen Probleme der Bundeswehr anpacken,“ sagt Alexander Lurz, Experte für Frieden und Abrüstung von Greenpeace.
Militärisch ist die Nato Russland in fast allen Punkten deutlich überlegen, zeigt eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Kurzstudie. Die Nato-Staaten geben derzeit zehnmal so viel Geld für Streitkräfte aus wie Russland, haben knapp 2,5-mal so viele Soldaten und übertreffen Russland in allen Kategorien an Großwaffensystemen um mindestens das dreifache. Die Ausnahmen bilden Atomwaffen, bei denen Nato und Russland etwa gleich auf liegen.
„Wenn Frieden durch militärische Übermacht gewonnen werden könnte, hätten Deutschland und die Nato längst Frieden geschaffen“, sagt Lurz. Wenn der Haushaltsausschuss kommende Woche Milliarden umschichtete, solle die Finanzierung internationaler Organisationen, humanitärer Hilfe und Entwicklungspolitik Vorrang vor der nächsten Milliarde für Pistorius haben. Auch der Wahlsieg Trumps ändere daran wenig.
Nicht kompatibel
Es mag unwahrscheinlich sein, dass Trump Amerika aus der Nato führt. Umso wahrscheinlicher ist es allerdings, dass er – wie bereits in seiner ersten Amtszeit – mit Nachdruck höhere Verteidigungsausgaben der anderen Nato-Mitglieder fordert. Russland könnte vielleicht nicht erfolgreich die Nato angreifen. Doch mit der erneuten Präsidentschaft Trumps steht das nordatlantische Bündnis nicht auf sicherstem Grund.
Europa allein ist deutlich weniger verteidigungsfähig, als die Zahlen vermuten lassen. Militärisch Einzellösungen der europäischen Staaten stellen grundlegende Hürden dar, die nicht ignoriert werden können. So werden in Europa beispielsweise mehr als 150 verschiedene Waffensysteme genutzt, die oft nicht miteinander kompatibel sind.
Eine im Juni von der EU-Kommission vorgestellte Militärstrategie soll Abhilfe schaffen und das europäische Militär besser vernetzen. Doch die Strategie steht noch am Anfang. Strukturen müssen erst ausgehandelt und aufgebaut werden, eine Aufgabe, die sich über Jahrzehnte ziehen könnte. Eine europäische Armee ist derweil nicht einmal hinter dem Horizont zu vermuten.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (jb) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 37/2024 | „Flexibler werden – Erneuerbare Energien nutzen statt abregeln“ | Download