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© Depositphotos.com | PR-PhotoDesign01 | Politik ist ein Lernprozess: Friedrich Merz (CDU), seit knapp zwei Wochen Bundeskanzler.

Der neue Klimakanzler

In seiner ersten Regierungserklärung hat Friedrich Merz sich zu den Klimazielen bekannt. Doch wie Klimaneutralität bis 2045 wirklich erreicht werden soll, ist unklar. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD könnte den Treibhausgasausstoß noch ansteigen lassen. Ein Kommentar von Joachim Wille

Olaf Scholz wollte ein „Klimakanzler“ sein, und er versprach ein grünes Wirtschaftswunder. Leider, es klappte nicht so richtig.

Nun, bei Friedrich Merz und seiner Mini-Groko liegt die Messlatte nicht so hoch. Die neue Koalition hat gar nicht den Anspruch, die Klimapolitik ins Zentrum der Modernisierung Deutschlands zu stellen und mit beherzten Schritten in Richtung der Netto-Null bei den Treibhausgasen zu bringen, die bereits in 20 Jahren – also fünf Legislaturperioden – erreicht sein soll.

Die Merz-Truppe vermittelt, ob gewollt oder nicht, den Eindruck, wir könnten diese veritable zweite industrielle Revolution im Schlafwagen erreichen. Also, ohne uns viel selbst bewegen zu müssen.

Wer weiß, vielleicht ist das sogar besser, als den Mund zu voll zu nehmen, wie es Merz‘ Vorgänger getan hat. Immerhin hat der neue Kanzler sich in seiner ersten Regierungserklärung in dieser Woche zwar nicht enthusiastisch, aber doch eindeutig zu den nationalen und internationalen Klimazielen bekannt, die Deutschland eingegangen ist. Und damit eben auch zu besagter „Klimaneutralität“ bis 2045.

Daran wird man ihn und sein Kabinett in den nächsten vier Jahren messen können. Denn wenn in wichtigen, bisher in der falschen Spur laufenden Sektoren wie Gebäudeheizung, Verkehr und Industrie unter dieser Regierung die Weichen nicht endlich richtig gestellt werden, ist das ambitionierte Ziel nicht zu schaffen.

Kein Hexenwerk

Die neue Koalition hat allerdings durchaus die Chance, umzusteuern. Sie muss es sogar tun.

Verfolgt sie nämlich nur einen klimablinden Wachstumskurs, um die deutsche Wirtschaft wieder flottzumachen, wird schon das Mittelfrist-Ziel zur CO2-Reduktion bis 2030 krachend verfehlt werden. Das hat der Expertenrat für Klimafragen, der in dieser Woche sein Gutachten vorgelegt hat, Merz und Co ins Pflichtenheft geschrieben.

Die Regierung wäre schlecht beraten, nur die Hauptüberschrift des Reports zu lesen, wonach Deutschlands Emissionen im Gesamtjahrzehnt 2021 bis 2030 aller Voraussicht nach die Vorgabe des Klimaschutzgesetzes erfüllen werden. Diese positive Botschaft täuscht nämlich gewaltig.

Sie fällt nur deshalb so aus, weil die Corona-Pandemie und die jüngste Wirtschaftskrise den CO2-Ausstoß nun schon fast fünf Jahre lang nach unten gedrückt haben. Springt die Ökonomie wieder an, was Merz und Co erreichen wollen, und wird keine beherzte Klimapolitik gemacht, geht die Sache schief.

Der aktuelle Report der „Klimaweisen“ macht deutlich, dass eine bloße Umsetzung des Koalitionsvertrages eher zu mehr als zu weniger Emissionen führen wird, verglichen mit den bereits beschlossenen Maßnahmen der Ampel-Regierung.

Bisher ist es der Energiesektor, der mit seinem zügig sinkenden CO2-Ausstoß die Versäumnisse der anderen Sektoren ausgleicht. Der Ausbau von Solar- und Windenergie schreitet voran und rettet so die Bilanz.

Dieser Erfolg darf nicht gefährdet werden. Wer bei Sonne und Wind jetzt auf die Bremse tritt, wie es in der Koalition diskutiert wird, riskiert die Klimaziele und gefährdet wichtige Zukunftsbranchen. Es drohte ein neuerlicher Absturz bei den Erneuerbaren, wie Deutschland ihn in der Merkel-Ära schon zweimal erlebt hat.

Was in den Sektoren Gebäude und Verkehr geschehen muss, ist ebenfalls bekannt. Schwarz-Rot muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass Wärmepumpen und Elektroautos sich als Alternative endlich durchsetzen, ergänzt durch einen Turbo bei der Gebäudesanierung und eine echte Verkehrswende.

Und dann muss der natürliche Klimaschutz vorangetrieben werden, damit Wälder, Moore und andere Ökosysteme wieder ihre Funktion als CO2-Puffer erfüllen können.

Eigentlich alles kein Hexenwerk. Wäre gut für uns alle, wenn die Koalition das auch so sähe.

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Der Kommentar wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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