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EEG-Novelle mit Licht und Schatten im Bundestag verabschiedet

Gestern verabschiedete der Bundestag die jüngste EEG-Novelle gemeinsam mit einer Reihe anderer Gesetze, die alle eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien bringen sollen. Von Hans-Josef-Fell

Historischer Konsens im Bundestag

Die schon lange vor dem Ukraine-Krieg rasant gestiegenen fossilen Energiepreise, die Kriegsfinanzierung Russlands durch deutsche Energieeinkäufe und die sich stetig beschleunigende Erdaufheizung haben zu einem bemerkenswerten Konsens im Bundestag geführt: Alle Fraktionen mit Ausnahme der AFD-Fraktion waren sich einig, dass es nun einen wesentlich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien braucht, um die katastrophale Abhängigkeit von fossilen Energien schneller zu beenden.

Dies war in den letzten 16 Jahren unter Kanzlerin Merkel noch vollkommen anders. In dieser Zeit wurde von der CDU/CSU zusammen den wechselnden Koalitionspartnern SPD und FDP der Niedergang des Ausbaus der Erneuerbaren Energien organisiert, was letztendlich in die heutige Energienotlage geführt hat.

Einbindung der Opposition im weiteren Prozess dringend erforderlich

Der nun zu beobachtende neu geschaffene Konsens für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien im Bundestag, hat eine historische Dimension. Daran sollte die Ampelkoalition nach der Sommerpause im Herbst anknüpfen und auch die Union sowie die Linke in die Erarbeitung weiterer Energiegesetze einbinden. Denn, dies ist die letzte historische Chance, einen weitgehend gesamtgesellschaftlichen Konsens für das Ziel von 100% Erneuerbaren Energien herzustellen, der aus Klimaschutzgründen dringend notwendig ist und nicht weiter aufgeschoben werden darf.

MdB Andreas Jung, CDU, hatte in seiner Rede kritisiert, dass die Ampelkoalition das Gesprächsangebot der Union nicht aufgegriffen hat, um gemeinsam eine EEG-Novelle zu erarbeiten, die auch die Zustimmung der Union finden könnte. Die Ampelkoalition sollte dieses Angebot für die Energiegesetznovellen im Herbst unbedingt aufgreifen, obwohl die Union selbst in ihrer Regierungsarbeit alle Gesprächsangebote der Grünen im Energiebereich ausgeschlossen hatte.

Durchbruch im Bereich der Wasserkraft, nicht jedoch für die Bioenergie

Die Union hat in der Debatte zielgenau auf große Defizite der EEG-Novelle hingewiesen: Die fehlende Unterstützung des Ausbaus der Geothermie und der Bioenergie, insbesondere für Biogas, weshalb deren erheblichen Potentiale zur Ablösung der russischer Erdgaslieferungen eben nicht gehoben werden.

Immerhin hat die Ampelkoalition im Bundestag den noch im Regierungsentwurf vorgesehenen Abbau der Kleinwasserkraft korrigiert. Die Kleinwasserkraft wird nun doch – völlig zurecht – in die Kategorie des „überragenden öffentlichen Interesses“ aufgenommen und die Vergütung der Anlagen bleibt wie bisher bestehen.  Ein großer Erfolg, der auch der Energy Watch Group zuzurechnen ist. So hatte die Energy Watch Group doch in ihrer jüngsten Kurzstudie die Bedeutung der Kleinwasserkraft für das Energiesystem und als bürgerliche Energiequelle herausgestellt, was viel Beachtung in den Verhandlungen zum EEG fand.

Leider ist ein solcher Durchbruch im Bereich der Bioenergie bisher nicht gelungen, weshalb die Anstrengungen dazu im Herbst intensiviert werden müssen.

Bedeutsame Verbesserungen der EEG Novelle

Dass nun alle Erneuerbaren Energien gesetzlich als „überragendes öffentliches Interesse“ deklariert werden, ist einer der wichtigsten energiepolitischen Paradigmenwechsel auf Vorschlag von Minister Robert Habeck. Im Resultat werden künftig viele Abwägungsprozesse, die bisher im Rahmen von Genehmigungsprozessen oder Gerichtsverfahren zu Lasten des Ausbaus der Erneuerbaren Energien gingen, nun zugunsten der Erneuerbaren Energien entscheiden werden.  Ein großer grüner Erfolg.

Durchaus bringt die EEG-Novelle viele Detailverbesserungen an Stellen, die bisher durch Bürokratie oder ungenügende Vergütungs-Unterstützung eine massive Bremswirkung erzeugten. So sind nun PV-Anlagen bis 10 kW auf den Dächern von der Einkommensteuer befreit. Im Entschließungsantrag verspricht die Koalition dies auch für Anlagen bis 30 kW im Herbst zu schaffen. Garten PV ist endlich zugelassen, die Verschlechterung der Balkonmodule in letzter Minute abgewehrt.  Viele weitere Verbesserungen für die Solarenergie wird es geben, nachzulesen teilweise im PV Magazin.

Auch die Windkraft wird durch die EEG-Novelle deutlich besser gestellt. Nun sind die Länder gesetzlich verpflichtet, 2% ihrer Landesfläche für Windkraft auszuweisen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Bayern und andere Bundesländer werden es nun schwer haben, die bisherige Windkraftblockade aufrecht zu halten.

Bestehende fossile Denkmuster

Andererseits zeigte aber die Debatte im Bundestag auch, dass viele alte Denkmuster immer noch nicht überwunden sind. So glaubt die FDP allen Ernstes noch immer, dass die Erneuerbaren Energien hoch subventioniert seien und die Vergütung abgeschafft werden sollte, sobald das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet ist. Eine Abschaffung der immensen und kürzlich erst wieder gestiegenen fossilen Subventionen für Erdgas und Erdöl hat die FDP nicht gefordert.

Instrumentalisierung des Naturschutzes durch die AFD

Erhellend waren auch die Reden der AFD. Sie fokussierten sich fast ausschließlich darauf, dass Erneuerbare Energien im Allgemeinen und die Windkraft im Besonderen, die Biodiversität gefährden würden. Bemerkenswert ist, dass sie damit die pauschale Kritik der Naturschutzverbände , wie z.B. NABU, BUND, WWF, Deutsche Umwelthilfe, aufgreifen und diese für Ihr ihre eigenen Interessen, die Unterstützung von Kohle und Atomkraft, instrumentalisieren. Ähnlich, wie es viele fossile Interessenvertreter*innen und Bürgerinitiativen gegen Erneuerbare Energien eben auch tun.

Es zeigte sich dabei einmal mehr, dass die Naturschutzverbände die Taktgeber*innen für die Gegner*innen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sind. Wenn auch sicherlich unbeabsichtigt von den Naturschutzverbänden selbst, ist diese Instrumentalisierung des Naturschutzes in ihrer Wirkung eben doch sehr effektiv.

So wirken die Naturschutzverbände letztlich gegen ihre eigenen Ziele: Indem sie den Kern des Klimaschutzes – den Ausbau der Erneuerbaren Energien – massiv behindern, behindern sie schließlich auch den Schutz der Biodiversität. Genau diese wird schließlich über die beschleunigend voranschreitende Aufheizung der Erde massiv zerstört. Während vielleicht einzelne Rotmilane durch die Verhinderung des Ausbaus von Windrädern geschützt werden, sterben gleichzeitig Arten wie das Schneehuhn oder der Eisbär in der Arktis aufgrund ebendieses zu langsam voranschreitenden Ausbaus klimaschützender Erneuerbarer Energien aus.  Die Naturschutzverbände sollten daher intern dringend eine Debatte darüber führen, warum sie ausgerechnet von der AFD im Bundestag so dominant argumentativ aufgegriffen werden und wie dies künftig verhindert werden kann.

Zusammenfassend zeigte die Debatte zum EEG im Bundestag deutlich: Es gibt Licht und Schatten.

Obwohl es insbesondere für den Ausbau der Solarenergie und Windkraft enorme Verbesserungen gibt, bleiben die großen strukturellen Bremsen der Merkel Regierungen weiterhin bestehen.

Insbesondere drei strukturelle Hemmnisse bleiben bestehen
  1. Die Abhängigkeit von den Beihilfeprüfungen der EU-Kommission, die Ihre Schwerpunktinteressen klar bei den fossilen und atomaren Energien hat und damit jüngst im EU-Parlament einen verheerenden „Erfolg“ erzielte: Erdgas und Atom werden in der EU-Taxonomie als Grüne Energie anerkannt.
  1. Die großen Hemmnisse des Ausbaus der dezentralen Bürgerenergie, als eigentliche entscheidende Kraft der Energiewende, bleiben bestehen: Die bürger*innenfeindlichen, bürokratieschaffenden und ausbaubremsenden Ausschreibungen wurden außer mit einem Nebensatz der Linken in der Bundestagsdebatte gar nicht erst thematisiert. Dabei ist ebendiese Abschaffung der Ausschreibungen zwingend erforderlich. Auch Energysharing wird noch immer nicht ermöglicht, obwohl Deutschland längst wegen fehlender Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie vor dem EUGH verklagt wurde .
  1. Es fehlt an einer gesetzlich garantierten Einspeisevergütung für alle Erneuerbaren Energien in Form eines eigenen Vergütungssatzes für eine dezentrale systemdienliche Einspeisung. Wie eine solche „Kombikraftwerksvergütung“ für einen Mix aus allen Erneuerbare Energien und Speichern aussehen kann, zeigt das EWG Politikpapier. Denn, auch dies hat die Debatte gezeigt: Die Stärkung der Netze auf Verteilnetzebene ist noch immer nicht im Fokus der Ampelkoalition.
Dringend notwendige Reformen nach der politischen Sommerpause

Fazit: Für den Herbst bleibt noch viel politische Überzeugungsarbeit in der Ampelkoalition zu leisten. Die Abschaffung des Bürokratiemonsters der Ausschreibung und ein Zurück zur gesetzlich garantierten Einspeisevergütung für alle Erneuerbaren Energien, das Energysharing und die Unabhängigkeit von den Beihilfeprüfungen der EU-Kommission müssen endlich verwirklicht werden. Anders wird die Ampelkoalition selbst die eigenen – in Anbetracht der voranschreitenden Klimakrise noch immer zu schwachen – Ziele von 85% Ökostrom bis 2035 nicht erreichen, geschweige denn das für den Klimaschutz eigentlich notwendige Ziel von 100% Erneuerbaren Energien bis 2030.

Der Erhalt der Kleinwasserkraft als Mut-machender Erfolg

Und doch zeigt der große Erfolg des Erhalts der kleinen Wasserkraft, dass sich die Einmischung in die politische Debatte lohnt.

Ein weiterer Mut machender Aspekt der aktuellen Verabschiedung der EEG-Novelle im Bundestag: Sie verdeutlicht, dass der Bundestag der eigentliche Souverän der Gesetze ist. Er hat sich auch diesmal mit vielen Verbesserungen nicht nur bei der Wasserkraft und der Solarenergie gegenüber dem Regierungsentwurf durchgesetzt. Damit bleibt das EEG 2023 in der Tradition des EEG 2000, welches aus der Mitte des Parlamentes ohne Regierungsentwurf entstanden ist. Der Bundestag ist nun im Herbst gefordert, nicht nur, wenn auch bedeutsame, kleinschrittige Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf durchzusetzen, sondern endlich die großen Strukturreformen des EEG anzupacken: Abschaffung der Ausschreibungen, eine Kombikraftwerksvergütung und die Befreiungen von dem Diktats der EU-Kommission.

Quelle

Hans-Josef Fell 2022Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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