Erneuerbare wachsen zu langsam, Fossile schrumpfen zu langsam
Der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik muss sich global um ein Vielfaches beschleunigen, um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, legt eine heute veröffentlichte Analyse offen. Parallel muss aber auch der Einsatz fossiler Energien bis 2030 um zwei Drittel bis drei Viertel sinken.
Seit Februar 2022 ist das in Deutschland nicht mehr passiert: Eine Ausschreibung für Windkraft an Land ist überzeichnet.
Für die dritte Runde im August dieses Jahres hatte die Bundesnetzagentur rund 2.700 Megawatt Windkapazität ausgeschrieben. Darauf gingen Gebote von nahezu 3.000 Megawatt ein mit dem Ziel, für ein Windprojekt die EEG-Vergütung zu erhalten.
Schließlich erhielten 2.723 Megawatt den Zuschlag, teilte die Behörde mit. Die Projekte bekommen im Schnitt 7,33 Cent je Kilowattstunde für den eingespeisten Strom garantiert.
Damit könnte es die Windbranche in diesem Jahr tatsächlich erstmals schaffen, in den Ausschreibungen Zuschläge über zusammen 10.000 Megawatt zu bekommen, rechnen Branchenvertreter jetzt nach der dritten Runde vor.
Dazu müsste die Bundesnetzagentur in der kommenden vierten Ausschreibung im November etwas mehr als 3.100 Megawatt aufs Tapet bringen. Ob das passiert und ob die Branche dann auch die Gebotsmenge weiter erhöht, wird zu sehen sein.
Und schließlich müssen all die bezuschlagten Anlagen noch gebaut werden. Im ersten Halbjahr 2024 wuchs die reale Windkapazität an Land um nur 900 Megawatt.
Dennoch: Mit den 10.000 Megawatt bei den Zuschlägen nähert sich Deutschland dem im EEG geplanten Ausbaupfad endlich auch in der Umsetzung, betonen Branchenvertreter. Ab 2026 könnte dann der reale Zuwachs bei der Kapazität ebenso die 10.000er-Marke erreichen, so die Hoffnung.
„Wind- und Solar-Ausbautempo muss um das Dreifache steigen“
Das wird aber nicht mehr reichen, um das Wind-Ausbauziel für 2030 zu erfüllen. Das sind 145.000 Megawatt an Land und auf See zusammen. Dafür müsste das Ausbautempo nochmals vervielfacht werden, stellt eine heute veröffentlichte Analyse der Wissenschaftsplattform Climate Analytics und des Thinktanks New Climate Institute fest.
Der Bericht widmet sich dem globalen Stand der beiden „entscheidenden Technologien“ im Kampf gegen den Klimawandel, der Wind- und Solarenergie. Wie schnell sie in den wichtigsten Ländern ausgebaut werden müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, soll die Untersuchung aufzeigen.
Ganz überraschend ist das Ergebnis nicht: In den untersuchten elf Ländern, auf die über 70 Prozent der derzeit installierten Solar- und Windkraft entfallen, müsste der Ausbau in den verbleibenden Jahren bis 2030 um das Dreifache beschleunigt werden, verglichen mit dem Ausbautempo seit 2020, betont Mitautor Markus Hagemann vom New Climate Institute gegenüber Klimareporter°.
Wind- und Solarenergie seien das A und O der Energiewende und die stärksten Instrumente im Werkzeugkasten des Klimaschutzes, erklärt Climate-Analytics-Chef Bill Hare. Der Bericht sende die Botschaft, wie grundlegend wichtig Wind und Sonne seien, um die Welt in Richtung des 1,5-Grad-Ziels zu bringen, sagt der Physiker und Klimaforscher.
Bis 2035 müsste laut der Studie die Kapazität von Windkraft und Photovoltaik sogar auf das Achtfache wachsen. Bekanntlich haben sich die Staaten auf dem jüngsten Weltklimagipfel 2023 in Dubai lediglich verpflichtet, die globalen Kapazitäten der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen. Da klaffen also schon vom politischen Ziel her noch Lücken.
Staaten verfehlen 1,5-Grad-gerechten Windausbau
Die deutschen Wind- und Solarziele für 2030 stimmen dabei weitgehend mit den 1,5-Grad-Benchmarks überein, bescheinigen die Thinktanks der Bundesregierung. Bei der Solarenergie sei hier nicht nur das Ausbauziel, sondern auch das derzeitige Ausbautempo kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel.
Als eigentliches Sorgenkind in Deutschland wie auch global macht der Bericht die Windkraft aus. In den elf untersuchten Ländern spiele die Windenergie in naher Zukunft eine „Schlüsselrolle“, wird betont. Wind könne bei der auf Mitte der 2030er Jahre ausgerichteten 1,5-Grad-gemäßen Transformation mehr Strom liefern als die Sonne, begründen die Forscher.
Entscheidend dafür ist, dass Windkraft einfach mehr Erzeugungsstunden in die Waagschale werfen kann. Auch weht der Wind oft gerade dann, wenn die Sonne nicht scheint.
Ein Vergleich dazu: 2023 speisten in Deutschland rund 61.000 Megawatt Windkraft an Land knapp 140 Milliarden Kilowattstunden ins Netz, während Photovoltaik mit einer deutlich höheren Kapazität von 82.000 Megawatt „nur“ auf rund 61 Milliarden Kilowattstunden kam, also weniger als die Hälfte der Windstrommenge.
Da ist es schon ein gravierendes Problem, wenn derzeit in allen untersuchten Ländern die 1,5-Grad-Ziele für den Windkraftausbau verfehlt werden, wie Markus Hagemann betont.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!