Erneute kritische Bewertung der Kernkrafttechnologie
Katastrophale ökologische und humanitäre Folgen – Ärztekammer fordert sofortigen Ausstieg
„Der aktuelle Vorfall im ukrainischen Atomkraftwerk Saporoschje hat wieder einmal eindrucksvoll illustriert, wie desaströs die technische Beherrschbarkeit und das Krisenmanagement in der Realität funktionieren.“ Das betonte der Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien, Piero Lercher, am Rande der heute, Samstag, stattfindenden internationalen Staatenkonferenz zu humanitären Konsequenzen von Atomwaffen in Wien. ****
In Saporoschje hat ein technischer Defekt dazu geführt, dass eines der leistungsstärksten Kernkraftwerke Europas abgeschaltet werden musste. „Erschütternd und äußerst bedenklich ist die Tatsache, dass als Erstreaktion erneut versucht wurde, den Vorfall gänzlich zu vertuschen“, kritisiert Lercher. Diese „gängige Praxis“ verhindere rasche Reaktionen im Sinne von Public Health und sei „ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit vieler Menschen“. Gesundheitsgefährdung und Lebensbedrohung durch radioaktive Verstrahlung seien keine Utopien, „und schon gar keine nationalen Probleme“.
Saporoschje, wo auch ungefähr 100 Spezialbehälter mit abgebrannten Brennelementen ungeschützt im Freien stehen, ist nur 200 Kilometer vom Kampfgebiet in der Ostukraine entfernt. Lercher: „Die Ukraine ist überhaupt das erste Land mit mehr als einem Atomkraftwerk, in dem seit Wochen mit schweren und modernsten Waffen Krieg geführt wird.“
Die Ärztekammer fordert daher erneut einen generellen Ausstieg aus der Kernkraft respektive ein Einfrieren sämtlicher Förderungen für Atomstromproduktionen. Der Appell erfolgt auch an die politisch verantwortlichen Personen, sämtliche Kernkraftwerke im Kampfgebiet der Ukraine präventiv abzuschalten. Lercher: „Die Folgen von nuklearen Katastrophen, sei es durch Kernkraftwerksunfälle oder Atombombentests, sind aus ökologischer und humanitärer Sicht gesehen katastrophal, lassen sich nicht eingrenzen und verursachen weitreichende Folgen auf internationaler Ebene.“ In diesem Sinne begrüßt die Ärztekammer auch den couragierten Antiatom-Einsatz der Regierung der Marshall Inseln, deren Volk und Regierung kürzlich in Wien der international renommierte Sean-MacBride-Friedenspreis verliehen wurde.