EU-Klimagesetz: Rat unter deutschem Vorsitz bleibt weit hinter Parlamentsposition zurück
Das europäische Klimagesetz ist wohl der wichtigste Baustein des europäischen Green Deal. Ein starkes Klimagesetz wäre eine der bedeutendsten Initiativen der deutschen Ratspräsidentschaft gewesen. Leider ist es anders gekommen.
Nachdem man sich erst lange im Rat der Mitgliedstaaten nicht einigen konnte und das Problem an die Staats- und Regierungschefs abgeben musste, hat der Rat heute nach langem Zaudern seine Position festgelegt. Doch nicht nur bei dem vielzitierten Treibhausgasreduktionsziel bis 2030 ist der Rat zu wenig ambitioniert. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat auch in vielen anderen Punkten leider keine grundsätzlichen Verbesserungen des Vorschlags der Kommission vorgelegt.
Ganz anders das Europaparlament. Wir haben bereits Anfang Oktober eine sehr ambitionierte Verhandlungsposition mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken beschlossen. Das starke Wahlergebnis der Grünen in Deutschland und Europa bei der Europawahl 2019 zeigte in den knappen Abstimmungen des Klimagesetzes ganz deutlich seine Wirkung. Dieser Erfolg war nur möglich Dank des kontinuierlichen Drucks aus der Zivilgesellschaft – insbesondere durch Fridays for Future. Eine Übersicht der wichtigsten Unterschiede zwischen Europaparlament und Rat habe ich hier zusammengestellt.
- EU-Klimaneutralität in 2050: Das positive vorweg: Sowohl Rat als auch Europaparlament bestätigen, dass die EU bis 2050 klimaneutral sein wird.
- 2030 Ziel für Treibhausgasreduktion: Das Parlament beschloss ein ambitioniertes Ziel von -60% bis 2030 gegenüber 1990, das dem europäischen Treibhausgasbudget passend zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens näher kommt (auch wenn wir Grüne für mehr gekämpft haben). Der Rat verlangt netto -55% Emissionen. Das bedeutet, dass erstmals auch CO2-Senken, wie Wälder, in die Berechnung einfließen sollen. Mit der alten Berechnungsgrundlage, die das Parlament nutzt, ist das Ziel des Rates nur rund -52% gegenüber 1990.
- Klimaneutralität für alle EU Mitgliedsstaaten in 2050: Das Parlament fordert, dass nicht nur die EU als ganzes, sondern auch jeder einzelne Mitgliedstaat bis 2050 klimaneutral sein soll. Der Rat unter deutscher Präsidentschaft beschloss nur ein EU-weites Ziel.
- Netto negative Emissionen ab 2051: Das Parlament fordert, dass die Emissionen in der EU und in allen Mitgliedstaaten ab 2051 netto negativ sein müssen. Europa muss dann also mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernen, als wir emittieren. Der Rat unter deutscher Präsidentschaft beschloss keine Regeln für nach 2050.
- Ende aller fossilen Subventionen: Das Parlament legt fest, dass die EU und alle Mitgliedstaaten nachhaltige Investitionen mobilisieren sollen. Alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe werden schrittweise eingestellt. Der Rat unter deutscher Präsidentschaft beschloss keine Regeln zu fossilen Subventionen.
- EU Treibhausgas-Budget: Das Europaparlament fordert von der EU-Kommission innerhalb eines Jahres einen Vorschlag für ein EU Treibhausgas-Budget, dass die Menge der Treibhausgase, die in der EU bis 2050 ausgestoßen werden darf, berechnet. So soll festgelegt werden, dass die EU ihren fairen Anteil zum Pariser Klimaabkommen nicht überschreitet. Der Rat unter deutscher Präsidentschaft beschloss kein Treibhausgas-Budget.
- Europäischer wissenschaftlicher Klimarat: Ähnlich dem internationalen Weltklimarat soll die EU einen eigenen unabhängigen wissenschaftlicher Klimarat bekommen, der untere anderem die Kommission in der Berechnung des Treibhausgas-Budgets berät. Der Rat unter deutscher Präsidentschaft beschloss keinen Klimarat.
Die Unterschiede zwischen Parlament und Rat sind also gravierend. Die mangelhafte Position des Rates muss sich auch die deutsche Ratspräsidentschaft auf die Fahne schreiben. Mit dem heutigen Beschluss der Ratsposition können die Verhandlungen über das erste EU-Klimagesetz endlich ernsthaft beginnen. In den Verhandlungen wird mein Fraktionskollege Michael Bloss für die Grünen am Tisch sitzen. Wir Grüne werden uns vehement für die Position des Europaparlaments einsetzen. Und wir werden Unterstützung aus der Zivilgesellschaft benötigen. Gerade jetzt muss der Druck auf den Rat aufrecht erhalten werden. Denn jedes Aufweichen dieses starken Textes durch den Rat würde dem Klima erheblich schaden. Die Folgen des Klimawandels sind schon jetzt so dramatisch, dass wir entschieden umsteuern müssen. Wer das nicht versteht, gefährdet in Europa Arbeitsplätze und ganze Lebensgrundlagen hier und vor allem in anderen Teilen der Welt. Starke und verbindliche Klimaziele Europas sind die Basis für zukunftsfähige Investitionen der europäischen Wirtschaft und damit der Garant für langfristige Jobs und wirtschaftliche Stärke.
Der Newsletter von Sven Giegold zur Parlamentsposition von Oktober finden Sie hier