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EUROPA zur Sonne

Endlich reagiert die EU mit einem eigenen Plan auf die massive Förderung grüner Technologien in China und den USA.

Deutschlands und Frankreichs Wirtschaftsminister machen gut Wetter in Washington. Solange es keinen weltweiten CO2-Preis gibt, ist Industrieförderung der einzige Weg zur dringend nötigen Energiewende.

„Make Europe great again.“ Das wurde auch Zeit. Endlich, mit einem halben Jahr Verspätung, hat der alte Kontinent begriffen, dass er etwas tun muss. Schließlich droht er industrielle Zukunftsfelder des grünen Wirtschaftens endgültig zu verpassen, schon länger abgehängt von China, aber nun auch noch von den USA.

Die EU-Kommission versucht im letzten Moment, den Schalter noch umzulegen. Sie hat einen „Industrieplan“ zur Unterstützung ihres klimapolitischen Green Deal vorgestellt – als Antwort auf die industriepolitische Initiative der USA namens „Inflation Reduction Act“ (IRA).

Und sie versucht, die negativen Folgen dieses amerikanischen Subventionsprojekts für die hiesigen Unternehmen abzumildern, die wegen der Bevorzugung von US-Unternehmen durch den „IRA“ ihren Exportmarkt in Nordamerika wegbrechen sehen.

Die Reise des deutschen Wirtschaftsministers Habeck und seines französischen Kollegen Le Maire nach Washington, um dort gut Wetter für die europäischen Hersteller zu machen, kam zwar etwas spät. Sinnvoll war sie trotzdem, Verbesserungen zeichnen sich ab, etwa für Europas Autoindustrie, die einen Großteil ihrer E-Autos in den USA wohl doch subventioniert verkaufen kann, auch wenn sie nicht komplett den IRA-Vorgaben entsprechen. 

Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als würde die EU keine vernünftige Antwort auf Präsident Bidens Mitte 2022 vorgelegtes Industriefördergesetz finden, das die unglaubliche Summe von fast 370 Milliarden Dollar für klimafreundliche Technologien mobilisiert – von Solar- und Windenergie über E-Autos bis Wasserstoff.

Milde Töne von Robert Habeck

Zuerst waren die Europäer begeistert, dass nun auch die USA den Klimaschutz vorantreiben wollen, immerhin eine 180-Grad-Wende zur fossilen Trump-Ära. Dann jedoch dämmerte ihnen, was da drohte: ein Subventionswettlauf um grüne Fabriken. „America First“ in Öko. Von Verstößen der Amerikaner gegen die Regeln der Welthandelsorganisation war die Rede und davon, die EU müsse hart darauf reagieren.

Als der Grünen-Minister Habeck jetzt in Washington auftrat, klang das ganz anders. Der IRA sei „großartig“ und „hoch willkommen“. Er glaube nicht, dass die USA Europa damit schaden wollten. Es gehe den USA um Wirtschaftssicherheit. „Das ist exakt der gleiche Ansatz, den ich auch habe.“

Habeck beschwor die transatlantische Partnerschaft, die sich bewährt habe, und betonte, es gebe beim IRA zwar Konflikte, doch das Verhältnis zu den USA sei geprägt von „Zugewandtheit und Freundschaft“.

Die milden Töne haben nachvollziehbare Gründe. Einen Handelskrieg mit den USA kann die EU sich nicht leisten, sowieso nicht, und in Zeiten von Putins Ukraine-Krieg schon gar nicht. Zudem wäre es aberwitzig, ihn ausgerechnet bei den grünen Technologien von Zaun zu brechen, ohne deren schnellen – und vor allem weltweiten – Durchbruch die Klimakrise nicht bewältigt werden kann.

Zwar wäre es viel besser, diesen Durchbruch von Sonne, Wind, E-Mobilität und Energieeffizienz über eine angemessene, global gültige Bepreisung des Treibhausgases CO2 zu erreichen. Das wäre effizient und würde die faktische Subventionierung der fossilen Energieträger durch das Ausblenden ihrer horrenden Umweltkosten endlich beenden.

Nur: So etwas ist auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar. So bleiben vor allem Instrumente wie der „IRA“ oder der „Industrial Plan“, um die Klimatechnologien gegenüber den fossilen durchzusetzen.

Die einzige Chance, nicht den Anschluss zu verlieren

Die Politiker der EU und ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland hätten das wissen müssen. Schließlich hat Europa die Folgen einer zu kurzsichtigen oder inexistenten Industriepolitik schon mehrfach erfahren. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel bei Computer, Internet, der Digitalisierung generell, wo die USA durch Etablierung des Silicon Valley den alten Kontinent wirklich alt aussehen ließen.

Vor zehn Jahren dann bei der Solarenergie. Hier schauten die EU und Deutschland fast tatenlos zu, wie China mit riesigen Subventionen die hierzulande zur Marktreife gebrachte Technologie als neuer Weltmarktführer übernahm und die hiesige Industrie atomisierte.

Tatsächlich hat die verspätete Reaktion der EU auf Bidens „IRA“ bereits große Schäden angerichtet. So kündigten Solar- und Batteriehersteller an, neue Gigafabriken nun doch nicht in der EU, sondern in den USA bauen zu wollen. Hier geht es nicht um Peanuts, sondern um Milliardeninvestitionen, gigantische Umsätze und unzählige Arbeitsplätze.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat bei der Präsentation des „Industrieplans“ potenziellen Investoren in Aussicht gestellt, dass sie auch in der EU die Fördermittel und Steuererleichterungen bekommen sollen, die ihnen in den USA winken, und zwar ebenso schnell und unkompliziert.

Anfangs ist das zwar teuer, doch es verspricht die Teilhabe an den globalen Zukunftsmärkten und finanziert sich durch höhere Steuereinnahmen schon mittelfristig selbst. Das ganz Projekt muss noch von den EU-Staats- und Regierungschefs abgenickt werden.

Und das muss so kommen, denn es ist die einzige Chance, den Anschluss gegenüber China und den USA nicht zu verlieren.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2023 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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