15.03.2019
Fridays For Future: Das gab's noch nie
Um die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte abwehren zu können, bedarf es großer Umwälzungen. Je länger wir warten, desto massiver und unangenehmer wird es werden. Ja, das haben Sie hier schon öfter gelesen. Aber vielen von uns ist nicht so ganz klar, dass sich die vom Menschen gemachte Erderwärmung noch Jahrzehnte lang beschleunigen wird, auch wenn wir von heute auf morgen aufhören würden, fossile Brennstoffe zu verbrennen. Wir haben also bereits Schäden verursacht, die unabwendbar in der Zukunft wirken werden und wir haben darüber Kenntnis. Das gab es so noch nie. Das liegt vor allem an der langen Verweildauer aller Klimagase, nicht nur des CO2. Auch wurden bereits heute erste klimarelevante Kipppunkte erreicht: Zu den reinen Emission der Klimagase kommen noch selbstverstärkende Effekte hinzu.
Fridays For Future
Wenn nun die junge Generation aus dem
Klassenzimmer heraustritt und protestiert, dann ist das eigentlich nicht
verwunderlich, sondern am Ende nur konsequent, auch wenn es so etwas
noch nie gab. Denn als ob es nicht schon schlimm genug wäre, die Zukunft
nachfolgender Generationen wissentlich zu gefährden, wird Klimaschutz
permanent vorsätzlich blockiert und boykottiert. Das sind Schläge in die
Gesichter der jungen Generation, deren Leben scheinbar wenig
interessiert. Dies als Politikversagen zu deklarieren, ist bereits
verharmlosend. Es ist zu hoffen, dass die FridayForFuture-Bewegung sich
etablieren und ausweiten und Fehlverhalten nicht länger akzeptiert wird.
Es gibt noch so eine verharmlosende Formulierung: das "fehlende
Handeln". Denn es wird ja gehandelt. Frei nach Greta Thunberg: "Dass die
Klimakrise etwas ist, das wir alle verursacht haben, ist eine
praktische Lüge. Denn wenn jeder schuldig ist, dann ist niemand schuld!"
Sich darauf zurückzuziehen, dass man als einzelner nichts tun kann, ist
somit schon deshalb falsch, da wir, so lange wir leben, immer etwas tun
und es ist immer möglich ist, etwas anderes zu tun; warum nicht auch
mal was Sinnvolles.
Dass eine solche Bewegung gefährlich sein könnte, kann man gut an den hysterischen Reaktionen manch reaktionärer Politiker und Lobbyorganisationen erkennen. So verglich die klimaskeptische Lobbyorganisation "Global Warming Policy Foundation" die Jugendlichen mit dem sogenannten "Kreuzzug der Kinder", einem unbewaffneten Kreuzzug ins Heilige Land, bei dem Tausende von Kindern, Jugendlichen und Erwachsene 1212 aufbrachen. Damals ließ es sich, dank mangelnder Bildung, sicherlich sehr einfach fanatisieren und mobilisieren. Heute ist es jedoch bereits für 15-Jährige ein Leichtes, die Zusammenhänge von den großen Wirkungen der kleinen Gase zu verstehen (siehe auch Jugendseite in dieser Ausgabe). Es ist eben genau nicht der Fall, dass die Materie der Klimaphysik zu kompliziert sei, um sie zu verstehen. Man muss ja auch die Gravitationstheorie nicht in Gänze verstehen, um danach zu handeln. Denn sie ist ebenso wenig "bewiesen" wie der menschengemachte Klimawandel. Klar, man kann nach der absoluten Gewissheit suchen. Der Beweis, dass es ihn tatsächlich gibt, lässt sich nur dummerweise erst von einer uns nachfolgenden Spezies erbringen, dann ist es aber zu spät. Auch Bundeskanzlerin Merkel kann sich nicht vorstellen, dass deutsche Schüler aus eigenem Antrieb für Klimaschutz auf die Straße gehen und vermutet den Einfluss fremder Mächte und Trolle. Das ist eine gewaltige Beleidigung des Verstandes dieser "besorgten Mitbürger". Hans-Joachim Schellnhuber schrieb dazu erst kürzlich: "Und wo die Politik versagt, liegt unsere Hoffnung bei denjenigen Menschenkindern, die kein Problem mit den Naturgesetzen haben, sich aber nicht den weiterhin vorherrschenden Regeln der Konsumgesellschaft unterwerfen wollen: Die widerborstige Jugend hätte die Kraft und die Möglichkeit, eine nachhaltige Transformation "von unten" in Gang zu setzen."
Rasante Entwicklung
Den meisten unter uns ist es nur schwer
vorstellbar, dass wir uns auf allen Ebenen umstellen können, wir haben
ja schon immer so gehandelt. Auch wenn das "Übel" schon vor etwa 11.000
Jahren seinen Lauf nahm - zu der Zeit änderte sich unsere Lebensweise,
wir Menschen wurden sesshaft, entwickelten den Ackerbau und die
Viehzucht und neben keramischen und metallischen Werkstoffen, Siedlungen
aus festen Gebäuden auch Waffen und den Krieg - geht es gar nicht darum
das Rad so weit zurückzudrehen. Denn die "Traditionen", die für die
nahende Katastrophe maßgeblich verantwortlich sind, berühren nur einen
klitzekleinen Ausschnitt unserer Geschichte. Unter dem Begriff der
"großen Beschleunigung" (siehe Ausgabe 1|18), wurde erstmals
beschrieben, dass es vor allem die sogenannte Nachkriegsgeneration und
die geburtenstarken Jahrgänge sind, also wir, die wir jetzt auf dem
Planeten in Verantwortung leben, die jene exponentielle Note in die
Komposition des Lebens hineingebracht hat. Es ist unsere momentane Art
zu wirtschaften, die es zu ändern gilt. Wir müssen nicht zurück ins
Mittelalter, eine Reise zurück in die bunten 60'er wäre schon
ausreichend. Das sehen selbsternannte Skeptiker wie EIKE natürlich
anders und malen ein Bild in düsteren Farben. So wäre die Loslösung von
fossilen Treibstoffen eine derart abrupte Änderung unserer Art zu leben,
dass es uns konsequent zurück in das Mittelalter werfen würde.
Es gibt immer eine Zukunft
Das sollte in dem Zusammenhang
auch mal angemerkt werden: Wir müssen endlich von unserem
selbstherrlichen Thron herabsteigen und aufhören zu glauben, dass wir
die Welt retten müssen. Die Erde braucht uns nicht, es geht eigentlich
nur darum uns selbst zu helfen, was wiederum nur funktionieren kann,
wenn wir unsere Lebensumgebung erhalten. Denn wir sind nicht das Zentrum
der Welt, lediglich der gestaltende Organismus auf ihr. Und wir müssen
uns darüber klar werden, dass wir eigentlich nur die Wahl haben zwischen
einer Wende zu einer sozialökologischen Zukunft oder einem Diktat der
einfachen Antworten in totalitären Systemen. Jugend rette uns!
Fatalismus (Et hätt noch immer jot jejange) ist dabei sicherlich nicht
förderlich.
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Dieser
Kommentar stammt aus der soeben erschienenen SONNENENERGIE 1|19. Darin finden
Sie wieder eine breite Palette von Themen rund um die Erneuerbaren Energien und
Energiewende. Vertreten sind alle Aspekte: Politik, Wirtschaft und Technik. Die
erste Ausgabe 2019 hat als Titelthema „Klimaschutz“ und beschäftigt sich unter
anderem mit der Wärmewende und den Folgen einer politisch forcierten
Erdgasabhängigkeit, Gebäudeeffizienz und dem „Global warming potential“ als
Leitindikator, Batteriespeichern für Industrie- und Gewerbeanwendungen, dem
elektromobilen Laden und den Rohstoffimporten für die Automobilindustrie, dem
Platz von Biogas in einem durch EE dominierten Strommix wie auch der
Kompensation von CO2-Emissionen als globaler Chance. Das ist nur ein
Ausschnitt, das Inhaltsverzeichnis können Sie hier einsehen.
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Quelle Der Bericht wurde von der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias Hüttmann) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 01/2019 | Das Inhaltsverzeichnis zum Download!
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