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FVEE-Jahrestagung: Wirtschaftsministerium provoziert bei Erneuerbaren-Forschern

Die Energiepolitik der Vorgängerregierung soll dem Vergessen anheimfallen, forderte die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums auf der Jahrestagung des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien. Ein Weiter‑so beim Ausbau von Wind und Sonne soll es nicht geben.

„Energieforschung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ – mit diesem Titel für seine Jahrestagung 2025 hatte sich der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) offenbar bereits auf die neuen Regierungsverhältnisse eingestellt.

Die passenden Standort-Stichworte fürs zweitägige Treffen nannte Hans-Peter Ebert vom Center for Applied Energy Research (CAE) zur Einführung am Dienstag. Es gehe darum, Technologien und Konzepte zu entwickeln, um Sicherheit, Robustheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit des Wirtschaftsstandortes zu garantieren, so der Physiker und FVEE‑Sprecher.

Auch habe Energieforschung die Chance, Produkten und Unternehmen der Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und globale Märkte zu erschließen. Dies werde von der Bundesregierung besonders gewürdigt und als wichtig eingestuft, sagte Ebert.

Ausdrücklich bedankte sich der Sprecher bei den Bundesministerien, die die Arbeit des FVEE seit Jahren ermöglichten und unterstützten. Dem Verbund gehören derzeit 17 Institute an, darunter mehrere Fraunhofer- und Helmholtz-Einrichtungen, weiter das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Deutsche Biomasseforschungszentrum, das KIT Karlsruhe und das Wuppertal-Institut.

Grußworte der neuen Regierung an die FVEE‑Tagung gab es auch. Für das Bundeswirtschaftsministerium kam anstelle des angekündigten, aber verhinderten Staatssekretärs Frank Wetzel die erst kürzlich eingesetzte Leiterin der Abteilung Energieeffizienz, Wärme und Energieforschung, Stephanie von Ahlefeldt.

Von Ahlefeldt: „Forget about the past“

Von Ahlefeldt ist eine weniger bekannte, aber dafür schillernde Figur in der deutschen Energiepolitik. Sie machte im Wirtschaftsministerium und im Bundeskanzleramt Karriere und wechselte in den 2010er Jahren in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Ihr Chef war dort auch Carsten Linnemann, nunmehr CDU-Generalsekretär und Vertrauter von Bundeskanzler Friedrich Merz. Linnemann hat in den 2010er Jahren ein Ende der rechtlichen Privilegien sowie Mindestabstände für Windräder gefordert, um die Kommunen vor immer mehr Bauanträgen für neue Anlagen zu schützen, wie damals die Tageszeitung Taz berichtete.

Die Zeitung wies auch darauf hin, dass von Ahlefeldt unter anderem für den CDU-Abgeordneten Michael Fuchs tätig war. Der 2022 verstorbene Fuchs war ein energiepolitischer Hardliner, der den Atomausstieg für einen Fehler und Klimapolitik für „Planwirtschaft“ hielt.

Beim Treffen der führenden Erneuerbaren-Forscher machte von Ahlefeldt am Dienstag aus ihrer scharfen Ablehnung der bisherigen Energiewende keinen Hehl. Gern werde, sagte sie im Grußwort, auf die Erfolge der Vergangenheit verwiesen – wie den steigenden Anteil erneuerbarer Energien, den Ausbau der Elektromobilität und die Fortschritte beim klimafreundlichen Bauen. Im selben Atemzug gefiel sich von Ahlefeldt darin, in den Saal etwas, wie sie selbst sagte, Provokatives zu werfen, und zwar wörtlich: „Forget about the past“ (Vergessen Sie die Vergangenheit).

Kein „Weiter so“ bei Photovoltaik und Windkraft

Was die Forscher vergessen sollen, erläuterte von Ahlefeldt sogleich. So dürfen und müssen „wir“ beim Ziel Klimaneutralität wirklich „neu“ denken. Es gehe nicht um ein „Weiter so“, um weiteren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft im Stromsystem, sondern darum, wie die schwankende Stromerzeugung mit den Wünschen der Industrie nach einem schonenden und auslastenden Betrieb ihrer Anlagen zusammenzubringen sei, erklärte sie.

In dieser Sicht hat die bisherige Energieforschung für von Ahlefeldt offenbar keinen großen Wert. „Wir können heute nicht einmal genau sagen, welche Investitionen und Innovationen uns am besten voranbringen, um Volatiliät beherrschbar und Flexibilität bezahlbar zu machen“, behauptete sie gegenüber Fachleuten, die das ziemlich genau wissen, wie auch die Tagung zeigte.

Im Stile einer gewieften Machtpolitikerin versäumte es von Ahlefeldt in der Folge nicht, die gerade Gedissten plakativ zum Mitwirken aufzufordern. Aller Augen würden sich jetzt auf sie, die Forscher, richten. „Wo andere eingeschüchtert vor dem Aufgabenwerk stehen, da stehen Sie im Labor oder im Feld und suchen nach Lösungen“, rief sie im Macherstil in den Saal.

Und für alle, die doch eher beim Weiter‑so bleiben wollen, hatte von Ahlefeldt auch eine veritable Drohung in petto. Sie verwies darauf, dass die Bundesregierung 2024 über eine Milliarde Euro in die Energieforschung investierte, davon allein das Bundeswirtschaftsministerium über 620 Millionen Euro. Und bestätige der Bundestag den Regierungsentwurf für den Haushalt 2026, werde auch deutlich mehr für die Energieforschung bereitstehen, kündigte von Ahlefeldt an.

Die Botschaft, die die Ministerialdirigentin so in den Saal sandte, war ziemlich unmissverständlich: Wer bei den Vorhaben der Regierung mitmacht, kann auch mit Geld rechnen.

Forscher sehen massiv sinkende Kosten bei Wind und Sonne 

Vor von Ahlefeldt hatte Mario Ragwitz, Chef von Fraunhofer Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG, im Einführungsvortrag allerdings noch ein anderes Bild von der Vergangenheit gezeichnet.

So habe die Energieforschung wesentlich dazu beigetragen, dass die Energiekosten massiv gefallen sind – bei Photovoltaik um den Faktor zehn innerhalb von zehn Jahren, aber auch bei Wind an Land und auf See, hob Ragwitz hervor.

Solar- und Windenergie sind für den Physiker heute die günstigsten Erzeugungstechnologien. Auch bei der Systemintegration habe es „Riesenfortschritte“ gegeben. Kombinierte Kraftwerke aus Photovoltaik, Windkraft und Flexibilität gehörten heute schon zu den kostengünstigsten Optionen, erklärte er. Und man wisse, dass solche Systeme beim Übergang zu 80 oder 100 Prozent erneuerbaren Energien massiv an Bedeutung gewännen.

Als erste Herausforderung für die Energieforschung bezeichnete Ragwitz übrigens den Klimawandel. Seit dem Pariser Klimaabkommen seien die globalen CO2-Emissionen weiter gestiegen und ein noch späteres Einlenken auf den Klimaneutralitäts-Pfad würde in der Zukunft noch stärkere Korrekturen erfordern, warnte er. Die Energieforschung helfe hier, systemische Zusammenhänge zu erfassen und Lösungen voranzubringen.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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