‹ Zurück zur Übersicht
klimareporter.de / Jörg Staude

© klimareporter.de / Jörg Staude / Abschlussplenum des Klimagipfels COP 26 in Glasgow: Über die Zukunft der Menschheit wurde in nüchterner Atmosphäre verhandelt. CO2-Ausstoß soll bis 2030 fast halbiert werden.

Glasgower Klimapakt hält 1,5-Grad-Ziel am Leben

Am Samstagabend verabschiedete der Weltklimagipfel den „Glasgow Climate Pact“. Er verpflichtet die Staaten zu deutlich mehr Ehrgeiz, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die Festlegungen zu fossilen Energien wurden nochmals abgeschwächt. Kritisiert werden unzureichende Klimahilfen für Entwicklungsländer und besonders betroffene Staaten.

Um den Klimapakt durchzubringen, griff Gipfelpräsident Alok Sharma am Ende zur Brechstange. Am Samstagmorgen hatte die britische Präsidentschaft des UN-Klimagipfels in Glasgow zunächst die dritte Fassung der Abschlusserklärung veröffentlicht.

Im Vergleich zur Version vom Vortag fanden sich darin aber nur relativ wenig Änderungen. Besonders die Begriffe „Kohle“ und „fossile Energien“ waren noch immer im Text enthalten – zum Erstaunen nicht weniger Beobachter.

Um halb drei am Samstagnachmittag begann eine Plenarversammlung. Dort lobte Sharma den Text als „umfassend, ehrgeizig und ausgewogen“ und bat die Staaten, von Wortmeldungen abzusehen.

Dieser Wunsch blieb ihm verwehrt. Die Statements der verschiedenen Länder dauerten mehr als drei Stunden. Viele Entwicklungsländer bedauerten, dass nur wenig Geld für die Bewältigung von klimabedingten Verlusten und Schäden zur Verfügung gestellt wird.

Wirklich gefährlich für Sharmas Plan, die Konferenz am Samstag zu beenden, wurde aber etwas anderes: Wichtige Länder wie China und Indien ließen nicht von ihrer Forderung ab, der Ausstieg aus der Kohleverstromung und die Abschaffung von Subventionen für fossile Energien dürften nicht im Text erwähnt werden. Dem schlossen sich dann Südafrika, Nigeria, Iran und einige andere Länder an.

Viele Staaten plädierten aber auch für die Annahme des Textes. EU-Vertreter Frans Timmermans warnte vor dem „Risiko, wenige Meter vor der Zielgeraden zu stolpern“, und bat die Vertreter der anderen Staaten: „Zerstört diesen Moment nicht.“

CO2-Ausstoß soll bis 2030 fast halbiert werden

Gegen sechs Uhr abends machte Sharma klar, dass er nicht geneigt sei, erneut in Verhandlungen über den Text einzusteigen. Er wolle bald mit der offiziellen Plenarversammlung beginnen, um den Klimapakt formell anzunehmen.

Ein Zugeständnis machte der Konferenzpräsident allerdings den Kohlefreunden: Der Kohleausstieg und das Ende fossiler Subventionen sollten „in Anerkennung des Bedarfs an Unterstützung für einen gerechten Übergang“ erfolgen. Konkret bedeutet das wenig bis nichts, kann aber als Rücksichtnahme auf die Bedenken Indiens interpretiert werden.

Mit seiner Brechstangenmethode ging Sharma ein nicht unerhebliches Risiko ein, denn Entscheidungen auf Klimakonferenzen können nur im Quasi-Konsens getroffen werden. Ein einzelnes Land hat kein Vetorecht, stellen sich aber mehrere Länder quer, kommt ein Beschluss nicht durch.

Bei der Verabschiedung des Glasgow-Pakts kam es dann zu einem kleineren Eklat: Indien war mit dem Zusatz noch immer nicht zufrieden und setzte eine weitere Abschwächung durch: Statt aus der Kohleverstromung „auszusteigen“, soll diese nur noch „langsam beendet“ werden.

Ob sich Indien mit diesem Manöver Freunde gemacht hat, darf allerdings bezweifelt werden. Im Anschluss kritisierten die Schweiz, Mexiko und mehrere Inselstaaten das Vorgehen massiv. Dennoch wurde der Pakt dann in der entschärften Variante angenommen.

Laut der Einigung müssen alle Länder bis 2024 ihre Treibhausgasemissionen detailliert gemäß dem nun vollendeten Paris-Regelwerk melden. Damit wird zwar die Grundlage geschaffen, um die nationalen Klimaziele zu verbessern, dennoch ist es extrem ehrgeizig, die Emissionen – wie im Glasgow-Pakt ebenfalls beschlossen – bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 zu reduzieren. Diese Reduktion ist nötig, um unter dem 1,5-Grad-Limit zu bleiben. Das Ergebnis des Glasgower Gipfels macht das zumindest nicht unmöglich.

„Zombie-Zertifikate“ verzögern Klimaschutz

Neben der Kohlefrage stritten die Länder bis zuletzt auch um den Umgang mit CO2-Gutschriften. Beim Handel mit Emissionsreduktionen war das Ergebnis schließlich gemischt: Eine doppelte Anrechnung der gleichen Reduktion konnte weitgehend verhindert werden.

Doch das hat einen Preis: Eine begrenzte Zahl an alten Emissionszertifikaten aus der Zeit vor dem Paris-Vertrag wird in das neue System übernommen, sodass dieses erst dann zu echten Emissionsreduktionen führen wird, wenn die alten „Zombie-Zertifikate“ aufgebraucht sind.

Die Forderung des Glasgow-Pakts an die Staaten, ihre Reduktionsziele für 2030 schon in kommenden Jahr nachzuschärfen, stellt für Gabriela Bucher von der Entwicklungsorganisation Oxfam einen wichtigen Schritt dar. „Die großen Emittenten, insbesondere die reichen Länder, müssen der Aufforderung nachkommen und ihre Ziele angleichen, damit wir die bestmögliche Chance haben, 1,5 Grad in Reichweite zu halten“, sagte die Oxfam-Chefin.

Scharf kritisierte sie, dass die reichen Länder die von den Entwicklungsländern verlangte Schaffung eines speziellen Fonds zum Ausgleich klimawandelbedingter Verluste und Schäden ablehnten. Die im Pakt vereinbarte begrenzte Finanzierung von technischer Hilfe sowie eines Dialogs über das Thema sei ein „lächerliches“ Ergebnis, so Bucher. Es stelle das „Leid von Millionen von Menschen jetzt und in Zukunft in den Schatten“.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Christian Mihatsch und Jörg Staude) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren