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© Depositphotos | rustonwayne | „Global ist die Temperatur bereits um über 1 Grad gestiegen, aber was wir heute schon erleben, wäre bei einer ungebremsten Klimakrise nur der Anfang,“ heißt es in dem von den Grünen formulierten Papier.

Grüne: Neues Leitbild für den Schutz vor Klimarisiken gefordert

Die Grünen fordern als Konsequenz aus der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands, ein milliardenschweres Präventiv-Paket gegen Klimarisiken zu schnüren. Ein Klimaschaden-Kataster will das Bundesumweltministerium nun auf den Weg bringen.

Nach der Flut ist vor der Flut: Die Klimakrise ist in vollem Gang und laut Prognosen von Klimaforschern werden wir es weiterhin mit Extremwettern, Flutkatastrohen, Hitzewellen und Dürren zu tun haben – in immer kürzeren Abständen, und ohne Limit nach oben.

Auf die Bilder der Zerstörung nach den Überflutungen im Westen Deutschlands reagierten Politiker mit großen Versprechen. 200 Millionen Euro stellte der Bund als Soforthilfe bereit, die Länder leisten den gleichen Betrag. Nach ersten Schätzungen der Versicherungsverbände könnten die Folgekosten der Überschwemmungen weit über fünf Milliarden Euro versicherte Schäden nach sich ziehen.

Ein Grund mehr, den Klimaschutz massiv voranzutreiben – aber auch die Folgen besser aufzufangen. Die Grünen haben daher einen Plan vorgelegt, wie der Schutz der Bevölkerung vor den Folgen der Klimakrise verbessert werden könnte.

Die Anpassung an die Klimarisiken müsse zu einem Leitgedanken werden, formulieren Grünen-Spitzenpolitiker in ihrem aktuellen Papier zur Klimarisiken-Prävention. Bund und Länder sitzen dabei in einem Boot, macht Fraktionschef Anton Hofreiter deutlich.

Die Grünen gehen in ihrer Planung von 20 bis 25 Milliarden Euro für eine bessere Klima-Vorsorge aus. Das klingt nach enorm viel Geld, doch gemessen an den Folgekosten relativiert sich das. Die nächsten zehn Jahre Wiederaufbau nach der Katastrophe werden bereits einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

Klimaschutz und Schutz vor Klimarisiken

„Global ist die Temperatur bereits um über 1 Grad gestiegen, aber was wir heute schon erleben, wäre bei einer ungebremsten Klimakrise nur der Anfang. In der Klimakrise gibt es kein neues Normal, nur immer weitere Eskalation. Wenn wir das Klima schützen, dann schützen wir also in Wirklichkeit uns selbst, unser Wohlergehen und unsere Freiheit“, heißt es in dem von den Grünen formulierten Papier.

Vorsorge als Leitprinzip

Es gehe nun darum, Gefahr für Leib und Leben und enorme Schäden an Umwelt und Infrastruktur abzuwenden, „massiv Ressourcen dafür bereitzustellen, um späteres Unglück abzuwenden – also um „handfeste materielle und politische Ziel- und Interessenskonflikte.“

Dazu gehöre, der Natur wieder mehr Raum zu geben und ein verbesserter Gesundheitsschutz – denn die Klimakrise sei für viele Menschen, ebenso wie die Pandemie, auch ein medizinischer Notfall. Flutopfer, aber auch immer mehr Hitzetote fallen der Klimakrise zum Opfer, im Jahr 2018 sind laut einer im Fachjournal Lancet publizierten Studie über 20.000 Menschen allein in Deutschland infolge extremer Hitze gestorben.

Auch Infrastrukturen müssten entsprechend überprüft und an die neue Klimasituation angepasst werden. Die deutsche Bahn kämpfe schon bei Normalwetterereignissen mit ihrer Betriebsfähigkeit, die Kanalisation vieler Gemeinden ist mit Starkregen überfordert, der ÖPNV wird lahmgelegt.

Klima-Resilienz für Kommunen aufbauen

Kommunen sollten auf den Klimawandel besser vorbereitet werden. Zu den Präventionsmaßnahmen zählten etwa verbesserter Hochwasserschutz mit verstärkten Dämmen und Deichen, weniger Flächenversiegelung, mehr Raum und Abflussrinnen für kleinere Flüsse, zudem ein behutsamer Umgang mit Mooren, Wäldern und landwirtschaftlichen Flächen im Allgemeinen – der Natur wieder Raum geben.

Mit Klimavorsorge-Fonds sollte der Bund über die kommenden zehn Jahre Kommunen dabei unterstützen, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Ein Wiederaufbau reiche nicht – präventive Maßnahmen in allen Bereichen müssen eingeplant werden. Für Hausbesitzer könnte es nach Vorstellung der Grünen-Politiker Steueranreize oder Fördermittel geben, wenn sie ihre Gebäude resistenter gegen Starkregen oder Hochwasser machen. Eine Versicherung gegen „Elementarschaden“ sollte zum Standard werden, so der Vorschlag.

Klimavorsorgegesetz

„Klimavorsorge ist eine umfassende Herausforderung und kostet zunächst eine Menge Geld – das aber gut angelegt ist, weil es hohe Folgekosten in der Zukunft vermeidet“, sagen die Grünen. Damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sollten die Leitlinien durch ein Klimavorsorgegesetz legitimiert werden.

Klimaschäden besser erfassen und auswerten

Zudem sei ein Klimaschaden-Kataster, das regionale Folgen erfasst, notwendig. Ein solches Klimaschaden-Kataster will nun das Bundesumweltministerium auf den Weg bringen, kündigte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin an, das wäre eine wichtige Wissensgrundlage zu Schäden und Kosten des Klimawandels. Entscheider in Bund, Ländern und Kommunen müssten wissen, wer am meisten unter den Folgen des Klimawandels leidet und vor allem, was Schäden und Vorsorgemaßnahmen wirklich kosten – um künftige Bedarfe besser abschätzen.

In einem Projekt im Auftrag des Bundesumweltministeriums sollen Wissenschaftler nun herausfinden, wie hoch die Kosten von Klimaschäden durch Extremwetterereignisse und eine Anpassung an mögliche Klimarisiken für die Volkswirtschaft sein könnten.

Warnung vor dem weltweiten Klimanotstand

Gerade haben tausende Wissenschaftler erneut vor einem weltweiten Klimanotstand gewarnt. Sie fordern politisches Handeln und entscheidende Veränderungen, formulierten die internationalen Experten im Fachjournal BioScience, „um das Leben auf der Erde zu schützen.“ Bereits vor zwei Jahren hatten rund 11.000 Wissenschaftler das Papier zum Klima-Notfall unterzeichnet, viele weitere sind hinzugekommen – denn seitdem hätten Klimakatastrophen weltweit gezeigt, welche Konsequenzen ein Weiter-so habe.

Die Forscher fordern ein zeitnahes Ende der Verwendung von fossilen Brennstoffen und einen besseren Schutz der Artenvielfalt. Sie warnen zudem vor Kipppunkten in verschiedenen Systemen der Erde, etwa das Abschmelzen der Eisdecke der West-Antarktis und Grönlands sowie die verheerende Situation im Amazonas-Regenwald, der sich durch systematische Zerstörung langsam vom Kohlenstoffspeicher zur Kohlenstoffquelle entwickelt. Die Studienautoren mahnen noch einmal, dass deutliche Klimavorgaben obligatorischer Teil der Wiederaufbaupläne nach Klimakatastrophen werden müssen.


Das heute vorgestellte Sofortprogramm zum Schutz des Klimas der Grünen kommentiert Greenpeace Klimaexpertin Lisa Göldner: „Akute Risiken wie die Klimakrise lassen sich nur mit schnellen Reaktionen mindern. Deshalb ist es gut, dass die Grünen nun als erste Partei ein Sofortprogramm zum Schutz des Klimas vorlegen. Wer wie Unions-Chef Armin Laschet nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe an seiner Politik festhalten will, als wäre nichts passiert, ignoriert die existentielle Bedrohung der Klimakrise. Wie notwendig entschlossenes Regierungshandeln ist, zeigen auch die jüngsten Zahlen zum Energieverbrauch. Die Pandemie-Delle bei den CO2-Emissionen geht bereits wieder in einen Anstieg über.  

Aber das Programm der Grünen weist Lücken auf. Um den Temperaturanstieg tatsächlich auf 1,5 Grad zu begrenzen, dürfen schon ab 2025 keine weiteren Verbrenner mehr zugelassen werden. Unverständlich, warum ein grünes Sofortprogramm den größten Hebel im Verkehrssektor nicht erwähnt. Und wer schneller saubere Energie will, muss nicht nur den Kohleausstieg vorziehen, sondern die schmutzigsten Braunkohlekraftwerke umgehend drosseln.“

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (na) 2021 verfassst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 30 / 2021 | „Power for Future – Die Zukunft der Energieerzeugung“ |  Jetzt lesen | Download

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