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pixabay.com | Guillaume Meurice | Windrad

© pixabay.com | Guillaume Meurice | Windräder sollen häufiger auch in Landschaftsschutzgebieten aufgestellt werden.

Habeck plant Wind-Ampel und laviert beim Artenschutz

Gesetzentwürfe zum Windkraft-Ausbau. Mit einem gesetzgeberischen Doppelschlag will die Ampelkoalition Blockierungen bei der Windkraft an Land auflösen.

Dazu legte das Wirtschaftsministerium Entwürfe für ein Wind-an-Land-Gesetz und für Änderungen beim Naturschutzgesetz vor. Aber schon bei der Ressortabstimmung innerhalb der Regierung hakt es.

Gutes über die Windkraft gab es zuletzt wenig zu berichten: Rotor-Hersteller ziehen Produktion aus Deutschland ab. Bayern, Brandenburg und Thüringen beschließen, teils mit Billigung der Grünen, restriktive Regelungen für die Abstände von neuen Windanlagen zu Wohnbauten.

Auch der Ausbau scheint weiter blockiert und trifft auf eine offensichtlich unlustige Windbranche. Laut Branchenverband BWE sind derzeit mehr als 1.600 Megawatt Windkraft genehmigt und haben praktisch Baurecht.

Dennoch gingen von den 1.320 Megawatt, die die Bundesnetzagentur mit der Mai-Ausschreibung unter die Windleute bringen wollte, am Ende nur 930 Megawatt weg, drei von zehn möglichen Windrädern werden also gar nicht gebaut. Und nicht einmal fünf Prozent dieser 950 Megawatt werden im Süden Deutschlands errichtet.

Dass in der einen Landeshälfte noch immer Ausbauflaute herrscht, führen nicht wenige auf restriktive Abstandsregelungen wie in Bayern zurück. Mit diesen Blockade-Regeln wollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ eigentlich aufräumen. Sein letzte Woche vorgelegter Gesetzentwurf tut das aber höchstens halbherzig.

Kein bundesgesetzlicher Mindestabstand

Zwar schreibt der Entwurf das bekannte Zwei-Prozent-Flächenziel für Wind an Land fest, verzichtet aber darauf, mit der Macht des Bundesrechts die Öffnungsklausel aufzuheben. Sie ermöglicht es den Ländern, eigene Mindestabstände zur Wohnbebauung von bis zu 1.000 Metern festzulegen, in Bayern sogar noch mehr. Hier kann sich der Gesetzentwurf nur zu einem drohenden Zeigefinger aufraffen.

Zunächst wird dazu das bundesweite Zwei-Prozent-Ziel auf die Bundesländer heruntergebrochen, wobei vor allem ihre naturgegebenen Bedingungen berücksichtigt werden.

Dünn besiedelte, windreiche Flächenländer im Norden wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg sollen danach 2,2 Prozent ihre Fläche für Windkraft ausweisen, dichter besiedelte wie Sachsen oder Schleswig-Holstein genau die zwei Prozent.

Eher industriell geprägte Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern oder das Saarland sollen 1,8 Prozent ihrer Landesfläche beisteuern. Mit 0,5 Prozent Flächenanteil dürfen sich die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin begnügen.

Diese Flächenanteile müssen die Länder in zehn Jahren, also Ende 2032, vorweisen. Eine Zwischenbilanz soll es 2026 geben.

Erschwert wird die Erfüllung der Flächenplanziele durch den Umstand, dass ausgewiesenen Flächen innerhalb von Windparks – der Gesetzentwurf spricht von einer „Rotor-innerhalb-Vorgabe“ – nicht voll angerechnet werden dürfen. Der Grund: Windräder in Parks nehmen sich gegenseitig Wind weg, und das mindert den Stromertrag.

Großes Zuckerbrot und kleine Peitsche

Auf der anderen Seite dürfen die Länder untereinander mit den Flächenausweisungen handeln. Wer sein Plansoll übererfüllt, kann mit einem darbenden Land einen Staatsvertrag schließen und Fläche rechnerisch „abgeben“. Allerdings müssen im Ergebnis beide Länder ihr Flächenziel wenigstens nach Bundesvorgabe erfüllen.

Und erst, wenn die Länder unter den genannten und weiteren, weniger wichtigen Bedingungen 2026 oder 2032 den bundesgesetzlichen Flächenanteil nicht vorweisen können – erst dann sollen laut Gesetzentwurf Windanlagen „im gesamten, von der Zielverfehlung betroffenen Planungsraum privilegiert“ und die Mindestabstandsregeln der Ländern „nicht mehr anwendbar“ sein.

Anders gesagt: Solange die Länder ihre gesetzlichen Flächenanteile vorweisen können, dürfen sie beliebige Abstandsregeln beschließen. Diese setzt das Bundesrecht erst dann außer Kraft, wenn die Länder ihre Arbeit nicht erledigen.

Um öffentlichen Druck aufzubauen, soll der jeweils aktuelle Stand der Flächenausweisungen auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums als „Flächenampel“ angezeigt werden. Die guten Länder werden dann wohl in beruhigendem Grün und die schlechten in Warnrot blinken.

Der Branchenverband BWE begrüßt neben dem „Länderranking“ auch das Festhalten am bundesweiten Zwei-Prozent-Ziel sowie die Aussicht, dass die Länder endlich verbindliche Vorgaben bekommen sollen.

Erste Länder haben aber schon Widerspruch angemeldet. Zwei Prozent der sächsischen Landesfläche für Windenergie? „Das ist nicht unser Ziel“, ließ das Ministerium für Regionalentwicklung in Dresden wissen. Die zwei Prozent seien „wohl ein Ziel des Bundes“. In Sachsen habe man eigene Pläne zum Windausbau.

„Die Natur bezahlt den Preis“

Klar ist jetzt schon, dass restriktive Regeln wie der 1.000-Meter-Wohnabstand in vielen Ländern vorerst in Kraft bleiben. Damit würden Windprojekte sich weiter in natursensible Räume hinein verschieben und Konflikte mit dem Artenschutz zunehmen, befürchtet zu Recht der Naturschutzbund. „Die Natur zahlt dann einen hohen Preis für die Energiewende“, warnte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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