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„Jemand musste Mohammed verleumdet haben“

Zu einer Intrige des Staates Bangladesh gegen die Grameen Bank und  Mohmmed Yunus. Man kann einen Artikel über die Kraft der Grameen Bank und der Person des Nobelpreisträgers Mohammed Yunus nur mit dem Eingangssatz aus Franz Kafkas Prozess beginnen: „Jemand musste Mohammed Yunus verleumdet haben. Denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Von Rupert Neudeck

Verleumdung ist das einzige deutsche Wort, das stark genug ist, den Vorgang zu beschreiben, der dazu geführt hat, dass der berühmteste und anerkannteste Bangladeshi auf dieser Welt des Postens enthoben wurde. Und d as an einer Institution – Grameen Bank –  die ebenfalls auf der ganzen Welt Anerkennung und größten Respekt erntet. Yunus hatte als Professor für Wirtschaftswissenschaften die Bank in dem Dorf Jobra gegründet, Polizeistation Hakazrai, im Distrikt Chittagong. Er hatte als Professor im Elfenbeinturm in der Stadt und an der Universität  Chittagong erleben müssen, dass den Menschen in dem Dorf Jobra nur ganz wenig Geld fehlte, um aus einer fremd- und selbstverschuldeten Armut herauszukommen.

Er hatte herausgefunden, dass die hunderte von Millionen Arme auf der Welt, und zumal in seinem Land Bangladesh weniger Beratung und Mitleid brauchen, sondern Geld. Geld mit dem sie arbeiten können, um das aus sich herauszuholen, was tief in ihnen allen angelegt ist: Die Fähigkeit, etwas zu unternehmen, um beruflich, sozial und für die eigenen Kinder weiterzukommen.

Am 13. 9. 1983 war Yunus – längst war er nicht mehr in seinem Universitäts-Elfenbeinturm – zum Managing Director einer Bank geworden, die zu den stärksten Festungen der Millionen von Armen dieser Welt gehört. Denn diese Bank gibt ihnen nicht nur technisch einen (Mikro)Kredit, sie glaubt auch an diese Menschen. Sie mutet diesen Menschen den Besitz der eigenen Bank zu, weshalb sie eben auf der Rückzahlung des Kredits besteht.

1999 wurde diese Bestimmung noch ergänzt und entstaatlicht. Es wurde verfügt, dass der Managing Direktor von dem Aufsichtsrat der Bank ernannt wird. Yunus bekam ein monatliches Gehalt von 6.000 Taka (= 500 Dollar) zusammen mit einigen Allowances, wie man es in der Gehaltssprache sagt.

Bangla Desh hat die Zahl der Armen in den letzten 10 Jahren allein um 10 Prozent herunterfahren können.  Die Zahl der Armen unterhalb der Armutsgrenze ist von 40 Prozent der Bevölkerung 2005 auf 31.5 Prozent heruntergekommen. Damit – so kann man sagen – wurde allein die Zahl der Armen in Bangla Desh um 15 Millionen heruntergefahren. Das Besondere an dieser Vision des Gründers der Grameen Bank: Diese 8,3 Millionen haben sich selbst durch eigene Intelligenz und Unternehmergeist aus der Armut befreit.

Die Gefahren für die Grameen Bank sind nicht gebannt. Die Gründe für die Intrige, derer sich Yunus gegenübergesehen hat, sind vielfältig und einfach. Er ist der berühmteste Bangladeshi, nicht die Premierministerin Sheik Hasina.

Wir waren Ende Juli auf dem Weg zu einer Verteilungsstelle in einem nördlichen Distrikt  und konnten uns von der großen Qualität der Arbeit der Grameen Bank überzeugen. Entgegen der landläufigen Meinung ist diese Bank für die Dörfer viel mehr als eine Bank. Sie ist ein sozialer Motor, eine Kommunikationsstelle, eine Informationsbörse über den lokalen und landesweiten Markt. Diese Kreditnehmer lernen andauernd über die Leute, die als Kreditoffizier in den lokalen Gruppen die Gelder verteilen und die zurückgezahlten Gelder wieder einnehmen.

Wir erlebten eine Frau, die ein Geschäft mit einer Nähmaschine aufgemacht hat, die dann auf Mikro-Kredit eine Kuh gekauft hat für 35.000 Taka, die diese Kuh in der Zeit vor dem Ramadan kluge Unternehmerin auf dem Markt für 80.000 Taka verkauft und damit den Kredit zurückzahlen und eine zweite Kuh kaufen kann. Wegen der großen Schlachtungen vor dem Ramadan geht der Preis der Kühe rasant in die Höhe – jedes Jahr!

Wir erleben diese Frauen wirklich so, wie sie Yunus nach der Entlassung durch die Regierung angeschrieben hat: Stolz und hocherhobenen Hauptes sind sie die Besitzer der Bank geworden, die Regierung hat nur 3,5 Prozent der Einlagen.

So ist die Grameen Bank eine der größten Frauenbewegungen der Welt geworden. Sie ist aber gerade deshalb so erfolgreich, weil sie mit dem Frauen-Transparent nicht dauernd wedelt und durch die Welt läuft. Vergleichbar dem US-Präsidenten Obama, der die Wahl gewann obwohl er nicht mit der Schwarzen Haut Reklame machte, oder der deutschen Bundeskanzlerin, die im Wahlkampf nie – in welcher Richtung auch immer, die Frauenkarte gezogen hat. Wir erleben die Grameen Initiative auch als eine von Frauen. Jedenfalls haben die Frauen das Sagen.

Die zweitwichtigsten Leiter unterhalb des General Managers Yunus sind Frauen: als de facto Statthalter in Vertretung des Mohammed Yunus sitzt an einem kleinen Schreibtisch die gewinnende und bescheidende Nurjahan Begum, „acting managing Director“. Und wir erleben die Managerin und Leiterin der Informations- und Medienabteilung, Jannat-E Quanine.

Die Grameen Bank ist mehr als die Grameen Bank. Hier ist der erste Versuch, Menschen der untersten Armutsstufe alles zuzutrauen, zumal die Kraft und Gabe, ihre schlummernden Fähigkeiten und Talente zu entwickeln.

Neben dem grandiosen Erfolg der Bank, der sich statistisch niederschlägt, ist die Bank die Erfüllung eines Wunsches, der sich in den Menschenrechten (1948), in den großen menschheitlichen Verfassungen und Revolutionen und in den großen Büchern der Religionen niederschlagen: Alle Menschen sind nicht nur gleich, sie sind auch alle durch eine einzigartige Gabe und ein Talent ausgezeichnet, das nur geweckt und zur Entfaltung gebracht werden muss.

Die Dörfer Bangladeshs sind deshalb lebendiger geworden. Es herrscht hier nicht mehr die verblödende „Idiotie des Landlebens“ (Karl Marx), sondern es hat hier etwas Einzug gehalten, was Yunus nicht aufgeben wollte. Eine Realutopie ist Wirklichkeit geworden. Ernst Bloch und Martin Buber mit einem Schuss Jürgen Habermas hätten gemeinsam ihre Freude daran.

Um zu solchen Ergebnissen zu kommen, bedurfte es des Vorbilds eines Menschen, der sich bisher auf einem unglaublich geraden und durch nichts abzulenkenden Weg befunden hat-. Er hat gewiss auch Fehler gemacht, dazu ist er ein Mensch, und nicht ein „Heiliger“ und auch nicht ein „Märtyrer“. Das würde er sich in seiner unakademischen Klugheit auch verbitten. Er wird jetzt bestritten, die Grameen Bank und viele Initiativen des social business sollen eingestampft oder vom Staat eingeholt, ja sogar nationalisiert werden.

Er hat den Kampf nicht aufgegeben. Er hat in seinem Laboratorium verschiedene Experimente begonnen, Unternehmer aufzustacheln, ihren Profittrieb zu zügeln und etwas zu geben für ein Unternehmen in Bangladesh, demnächst vielleicht in einem anderen Land Afrikas oder Asiens, was nicht unbedingt profitträchtig ist. Das hat mit Danone begonnen, der Manager von Otto Versand war bei dem Besuch des Bundesministers Dirk Niebel dabei und hatte angekündigt, dass die Firma 30 Mio. im Rahmen der Initiative von Yunus investieren möchte. Dem Otto Versand wurde vom Staat signalisiert, dass er diese 30 Millionen nicht in die Grameen Familie investieren sollte.

Yunus wird in der Zukunft sich noch stärker auf die Plattform des Social Business begeben und diese zweite große Vision zu befördern.

Quelle

Rupert Neudeck 2011Grünhelme 2011

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