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Klimabeitrag: Pyrrhussieg der Kohlelobby – Die Kohledämmerung hat begonnen

Als „Pyrrhussieg der Kohlelobby“ bewertet die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch den heute beschlossenen Kompromiss um den Beitrag der Energiebranche zum deutschen Klimaziel.

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Die Kohlelobby feiert sich als Sieger. Sie hat ein Instrument abgeschossen, mit dem kostenverträglich sichergestellt worden wäre, dass der Stromsektor seinen Teil des deutschen Klimaziels erreicht. Nach dem vorgelegten Ergebnis ist es sehr wahrscheinlich, dass Deutschland sein 40%-CO2-Reduktionsziel bis 2020 vermutlich nicht in voller Höhe erreichen wird. Die beschlossenen Maßnahmen führen nach der vorgelegten Kalkulation der Bundesregierung nicht zu den bislang angekündigten 22 Mio t, sondern zu maximal 16,5 Mio t CO2-Reduktion im Stromsektor. Die darüber hinaus beschlossene Reduktion von 5,5 Mio t CO2 durch Energieeffizienz ist aller Voraussicht nach eine Doppelzählung, da entsprechende Maßnahmen von anderen Sektoren zur Schließung der Klimaschutzlücke von der Bundesregierung zusätzlich eingeplant  worden waren. Obwohl weniger an CO2 eingespart wird als durch die Klimaabgabe ursprünglich vorgesehen, sind die Kosten etwa 30% höher. Insbesondere RWE, Vattenfall und Mibrag bekommen die Stilllegung alter Kohlekraftwerke mit Milliardenzahlungen versüßt. Nicht diese Unternehmen als Verursacher, sondern die Verbraucher und Steuerzahler müssen für die Kosten aufkommen.

„Dieses Ergebnis ist ein Pyrrhussieg der Kohlelobby. Vieles spricht dafür, dass ihr scheinbarer Sieg den Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle einleitet.“ Allen relevanten Akteuren sei nun klar, dass es ab jetzt darum geht, den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle sozialverträglich zu gestalten. „Viele Politiker beteuern im nicht öffentlichen Gespräch, dass sie der fossilen Lobby das letzte Mal die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. Und Politik, Unternehmen und Gewerkschaften bereiten sich nach dieser Debatte auf den notwendigen Strukturwandel vor“, so Bals.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat die notwendigen CO2-Reduktionen in der Stromerzeugung bis 2030 bereits benannt. Einen Löwenanteil der notwendigen 200 Mio. Tonnen CO2 wird der Kraftwerkssektor erbringen müssen. Parteiübergreifend sind die mittel- und langfristigen Ziele der Energiewende akzeptiert. Letzte Woche hat das Bundesumweltministerium einen politischen Prozess gestartet, der in den nächsten Monaten festlegen soll, wie die Ziele in Etappen bis 2050 umgesetzt werden. Christoph Bals: „Klar ist: Bis etwa 2035 muss der Ausstieg aus der Kohle abgeschlossen sein, wenn die deutschen Klimaziele erreicht werden sollen. Je früher er beginnt, desto sozial- und wirtschaftsverträglicher kann er gestaltet werden. Wer den Strukturwandel blockiert anstatt ihn zu gestalten, erweist den betroffenen Menschen und Regionen einen Bärendienst.“

Vattenfall hat dieses Signal verstanden und vor wenigen Tagen bereits den Stopp von Umsiedlungen für neue Tagebaue (Nochten II, Brandenburg) verkündet. Auch die Pläne für einen Neuaufschluss für Welzow Süd II in Brandenburg kommen auf den Prüfstand. Alle vier großen Energieversorger arbeiten an neuen Geschäftsmodellen. 



Einen „längst überfälligen Fortschritt“ sieht Germanwatch bei der Einigung zum weiteren Ausbau der Stromnetze. Der breit öffentlich konsultierte Prozess zur Weiterentwicklung des deutschen Höchstspannungsnetzes hat gezeigt, dass der Umstieg auf das regenerative Stromsystem zusätzliche Leitungen von Nord- und Ostdeutschland in den Süden braucht. „Dass der Netzausbau nicht weiter von Bayern blockiert wird, macht endlich den Weg frei für die weitere Planung der Stromtrassen“, so Bals.

Die Einigung sieht vor, die geplanten Gleichstromleitungen verstärkt in vorhandener Trasse mit bestehenden Leitungen zu führen. Dadurch kann die Belastung neuer Räume vermieden werden. Bei der detaillierten Planung ist allerdings sicherzustellen, dass die Bündelung nicht zu ungerechtfertigt hoher Belastung der Anwohner vorhandener Trassen führt. Nach dem Vorschlag der Koalition soll für den Südlink eine neue, westliche Trassenführung geprüft werden und für die östliche Gleichstromtrasse soll Landshut als neuer Endpunkt geprüft werden. „Diese Vorschläge sind wie die gesamte Netzentwicklungsplanung öffentlich zu konsultieren. Im Ergebnis dürfen nicht die Interessen nur eines Bundeslandes die Entscheidung für den Korridor bestimmen“, kommentiert Christoph Bals.

Eine Erweiterung von Erdkabel-Möglichkeiten auf der Höchstspannungsebene kann grundsätzlich helfen, lokale Konflikte um neue Leitungen zu lösen. Es ist daher zu begrüßen, dass weitere Pilotprojekte für Teilverkabelung bei Drehstrom-Leitungen ermöglicht werden sollen. Die Kriterien für die Auswahl der Strecken, bei denen Teilverkabelung zum Einsatz kommt, sollen allerdings transparent und nachvollziehbar festgelegt werden. Bei der geplanten Neuregelung zur Erdverkabelung für Höchstspannungs-Gleichstromleitungen, ist nach Ansicht von Germanwatch zudem zu prüfen, ob sie nicht zu weit geht. „Es ist zwar sinnvoll, die Möglichkeiten zur Teilerdverkabelung zu erweitern. Auf der Höchstspannungsebene sollte die Erdkabeltechnologie aber nicht die Freileitungstechnologie generell als neuen Standard für Gleichstromtrassen ablösen. Denn dies führe nicht nur zu einer erheblichen Planungsverzögerung beim Großprojekt Südlink, sondern auch zu erheblichen Mehrkosten“, so Bals.

Quelle

GERMANWATCH 2015

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