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pixabay.com | mathias70 | Windkraft

© pixabay.com | mathias70 | Windkraft

Knock-out für Tausende Megawatt Windkraft?

Den Bau mehrerer hundert Megawatt Windenergie sah die Branche im Frühjahr gefährdet – wegen enorm gestiegener Kosten. Inzwischen sollen sogar bis zu 4.000 fertig projektierte Megawatt infrage stehen. Eine gesetzliche Lösung wurde im Bundestag verhindert.

Mitleid mit Lobbyisten muss man nicht haben. Manchmal aber werden sie ziemlich herb enttäuscht, vor allem dann, wenn sie ihr Ziel eigentlich schon erreicht sahen.

So muss sich jüngst die Windkraftbranche gefühlt haben. Seit dem Frühjahr streute sie Hinweise aus, dass baureife Wind-Projekte an Land aus den Jahren 2022 und 2021 an den mittlerweile um bis zu 50 Prozent gestiegenen Baukosten scheitern könnten.

Die Kostenexplosion vor allem infolge der Energiekrise sei mit den Einnahmen aus den Zuschlägen der Ausschreibungen der Bundesnetzagentur nicht zu bewältigen, klagten viele Projektierer.

Noch Mitte Mai ging der Branchenverband BWE auf Grundlage einer Umfrage davon aus, dass „nur“ jedes fünfte Windprojekt, das 2022 einen Zuschlag bekommen hatte, auf der Kippe stehen würde, insgesamt schätzungsweise mehrere hundert Megawatt (Klimareporter° berichtete).

Inzwischen hat sich das Problem laut BWE vervielfacht. Bis zu 4.000 Megawatt sind gefährdet, warnt der Verband. Betroffen sind die meisten der 2022 erteilten Zuschläge sowie auch viele, die bei den Ausschreibungen Ende 2021 erteilt wurden.

Nach dem Zuschlag hat ein Windprojektierer in der Regel 24 Monate Zeit, um die Anlagen in Betrieb zu nehmen. Danach wird für jeden Tag Verzögerung eine Pönale fällig. Die Strafzahlung beträgt zunächst zehn Euro pro nicht gebautem Kilowatt und steigt dann stufenweise auf 30 Euro im 30. Monat an.

Ist die Anlage nach 30 Monaten, also zweieinhalb Jahren, noch immer nicht am Netz, erlischt der Zuschlag – die Pönale ist dennoch zu berappen.

Wenn Tausende bereits bezuschlagte Megawatt einfach wegfallen, wäre das ein herber Rückschlag – nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für den ohnehin stockenden Windkraftausbau insgesamt.

Kabinett beschloss Rückgabe-Recht für Projektierer

Um das Problem zu lösen, kursierten mehrere Vorschläge. Einer davon sah vor, dass die Projektierer ihr bereits bezuschlagtes Projekt zurückgeben und sich damit dann, nach einer Frist, neu bei der Bundesnetzagentur bewerben können.

Genau dies beschloss am 7. Juni das Bundeskabinett. Grundlage war eine sogenannte Formulierungshilfe aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Regierungsfraktionen lassen sich solche Papiere gern von den Ministerien anfertigen, wenn Regelungen auf die Schnelle durch den Bundestag sollen. Bekanntestes Beispiel ist die 110-seitige Formulierungshilfe aus dem Wirtschaftsministerium für das „Heizungsgesetz“.

Die vom Kabinett abgesegnete Wind-Formulierungshilfe sah vor, im Paragrafen 100 des EEG 2023, des aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetzes, einen neuen Absatz einzufügen. Danach hätten Bieter ihre Zuschläge für Projekt-Gebote aus den Jahren 2021 und 2022 an die Bundesnetzagentur zurückgeben können, sofern die entsprechenden Windkraftanlagen „nicht in Betrieb genommen wurden“, wie das Ministerium formulierte.

Für diese Anlagen hätten dann in künftigen Ausschreibungen erneut Gebote abgegeben werden können, wenn zwischen Rückgabe und neuem Gebotstermin mindestens vier Wochen lagen.

Das Bundeswirtschaftsministerium begründete die Gesetzesinitiative damit, dass bei den Ausschreibungsrunden 2021 und 2022 erfolgreiche Projekte im Umfang von sogar rund 5.000 Megawatt noch nicht realisiert seien. Als Hauptgrund nannte auch das Ministerium außergewöhnliche Kostensteigerungen, die „zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe noch nicht vorhersehbar waren“.

Ziel der Regelung sei, hieß es weiter, dass die Projekte „sehr zügig wieder an Ausschreibungen teilnehmen können“. Die Gesetzesänderung diene also der Beschleunigung des Windkraftausbaus.

Das leuchtet ein. Denn nach geltendem Recht erlischt der erteilte Zuschlag ja erst nach 30 Monaten, und erst dann könnte das auf Eis liegende Projekt neu in eine Ausschreibung gegeben werden.

Schnell im Huckepack durch den Bundestag

Formal sollte der am 7. Juni vom Kabinett abgesegnete Rückgabe-Vorschlag in ein Gesetz aufgenommen werden, das schon seit Ende Mai im Bundestag war. Es befasst sich in erster Linie mit den Preisbremsen für Erdgas, Wärme und Strom sowie mit diversen Änderungen weiterer energiewirtschaftlicher und sozialrechtlicher Gesetze. In einer solchen Gesetzesnovelle können EEG-Änderungen für die Windkraft problemlos „huckepack“ mitgenommen werden.

Die Rückgabe-Möglichkeit wurde dann von der Windbranche in einer Bundestags-Anhörung zum Preisbremsen-Gesetz am 14. Juni im Energie- und Klimaausschuss ausführlich gewürdigt. Die Änderungen seien besonders geeignet, die Realisierung der Projekte zu sichern und zu beschleunigen, ist in der Stellungnahme des BWE zu lesen.

Hier können Sie den Bericht weiterlesen

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2023 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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