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Kohleausstieg jetzt doch mit Parlamentsmitsprache

Das Kabinett hat heute das Kohleausstiegsgesetz beschlossen. Anders als in der gestrigen Vorlage ist für den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Kraftwerksbetreibern nun doch die Zustimmung des Bundestags erforderlich. Neben den Entschädigungen sieht der Entwurf noch weitere Bonbons für RWE und Leag vor.

Der öffentlich-rechtliche Vertrag, den die Bundesregierung „zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung“ mit den Kraftwerks- und Tagebaubetreibern abschließen will, soll nun doch dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegt werden.

Das erklärte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, Anna Sophie Eichler, heute Mittag. „Das war von Anfang an so vorgesehen“, sagte sie. „Zwischenzeitliche Änderungen“ wolle sie nicht kommentieren.

Noch gestern hatte eine „Formulierungshilfe“ aus dem Wirtschaftsministerium etwas anderes vorgesehen. Darin hieß es: „Im Übrigen wird das Bundeskabinett diesen Vertragsentwurf dem Bundestag zur Kenntnis weiterleiten.“

Die ursprüngliche Formulierung, dass der Vertrag „mit Zustimmung des Bundestages“ geschlossen wird, war gestrichen worden. Das Parlament hätte demnach den Vertragstext nur abnicken, nicht aber darüber befinden können. Das wäre einer Entmachtung des Bundestags gleichgekommen.

Nun ist die Änderung wieder geändert worden. „Es hat eine Austauschseite gegeben“, erklärte Sprecherin Eichler. Eine Begründung, warum dies geschehen ist, wollte sie nicht geben.

RWE kann weitere Orte abbaggern

Der Entwurf des öffentlich-rechtlichen Vertrags, der Klimareporter° vorliegt, sieht Entschädigungszahlungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro für RWE im Rheinland und 1,75 Milliarden für die Leag in der Lausitz vor.

Die Gelder sollen den beiden Braunkohlebetreibern in 15 gleich großen jährlichen Raten für Kraftwerksstilllegungen bis 2030 gewährt werden. Sollten die Finanzämter darauf Umsatzsteuer erheben, wird die Bundesrepublik Deutschland diese erstatten.

Der Hambacher Forst wird „entgegen der bisherigen Genehmigung“ und gemäß den Empfehlungen der Kohlekommission nicht für den RWE-Tagebau Hambach in Anspruch genommen. Er bleibt „in seinem derzeitigen Erscheinungsbild“ erhalten.

Dem RWE-Tagebau Garzweiler hingegen wird „die energiewirtschaftliche Notwendigkeit in den Grenzen der Leitentscheidung aus dem Jahr 2016 inklusive des 3. Umsiedlungsabschnitts“ zugesprochen. Weitere Orte werden also abgebaggert.

Die Einschätzung, dass Garzweiler „notwendig“ ist, kommt dabei nicht von der Bundesregierung selbst. Sie macht sich vielmehr die „Angaben der Anlagenbetreiber“ zu eigen. Diese sind die Grundlage der Entscheidung.

Immerhin sind Regelungen vorgesehen, um das Risiko künftiger, zusätzlicher Ansprüche der Kraftwerksbetreiber zu  begrenzen. Um weitere Entschädigungsforderungen abzuwehren, sieht der Vertrag den Ausschluss von Schiedsverfahren vor.

Geregelt ist außerdem, was geschehen soll, falls es zu „wesentlichen Änderungen der Verhältnisse“ kommt (Paragraf 21). Dann kann die betroffene Vertragspartei „eine angemessene Anpassung der Vertragsinhalte an die geänderten Verhältnisse verlangen mit dem Ziel, die Vertragsäquivalenz … wiederherzustellen“.

Braunkohle darf nicht aus dem Markt gedrängt werden

Zu diesen wesentlichen Änderungen zählt der Vertragsentwurf eine „nachträgliche Verkürzung der im Stilllegungspfad angegebenen Stilllegungszeitpunkte“ sowie die Einführung „einer gezielt auf die Verfeuerung von Braunkohle bezogenen Bepreisung von CO2-Emissionen, wobei die gezielte Belastung über die relative Mehrbelastung aufgrund der hohen CO2-Emissionsintensität der Verfeuerung von Braunkohle hinausgeht“.

Falls die EU-Kommission den Vertrag nicht genehmigen sollte, wäre dies ebenfalls eine „wesentliche Änderung“.

Eine solche wären schließlich auch „sonstige regulatorische Eingriffe“, die „darauf angelegt“ sind und die „unmittelbare Wirkung“ haben, „Braunkohleanlagen, Veredelungsbetriebe oder Tagebaue aus dem Markt zu drängen und gegenüber anderen Formen der Energieerzeugung erheblich und gezielt zu benachteiligen“.

Zu „nicht wesentlichen Änderungen“ werden hingegen gezählt: „jegliche Veränderungen in Bezug auf bestehende oder künftige CO2-Bepreisungsmodelle auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene“ sowie „Einführung, Ausbau und Veränderung von direkter und indirekter Förderung von Kraftwerkskapazitäten und/oder emissionsarmer Stromerzeugung mit dem Ziel der Dekarbonisierung der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland“, namentlich eine Änderung des Ausbaukorridors für erneuerbare Energien oder der Vergütungssystematik im Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Alles in allem bedeutet das: Die Kohle genießt in den kommenden Jahren einen gewissen Schutz. Sie darf nicht gezielt benachteiligt und aus dem Markt gedrängt werden. Sie kann höchstens langsam unrentabel werden.

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Verena
Kern) 2020
 verfasst – der Artikel
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