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Gerd Seidel / Rob Irgendwer

© Gerd Seidel / Rob Irgendwer | Wikimedia Commons | Plenarsaal des Thüringer Landtags in Erfurt

Landtage in Sachsen und Thüringen rücken weit nach rechts 

Aus den Wahlen in Thüringen und Sachsen geht die rechte AfD weiter gestärkt hervor. Die CDU kann wahrscheinlich in Sachsen und künftig auch in Thüringen die Regierung anführen. Die Parteien der Berliner Ampel verlieren teilweise dramatisch. Von Jörg Staude und Sandra Kirchner

Die Wähler:innen in Thüringen haben die rot-rot-grüne Minderheitsregierung abgewählt. Die hier von dem Rechtsextremisten Björn Höcke angeführte AfD ist erstmals stärkste Kraft bei einer Landtagswahl geworden.

Nach den Hochrechnungen von 22 Uhr wählten rund 33 Prozent der Thüringer:innen die AfD. Zweitstärkste Kraft wurde die CDU mit knapp 24 Prozent, gefolgt vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit fast 16 Prozent. Für die Linke, die derzeit noch den Ministerpräsidenten mit Bodo Ramelow stellt, sprachen sich 13 Prozent aus.

Vor allem die auf Bundesebene regierenden Ampel-Parteien schnitten schlecht ab. Die SPD wurde nur noch von sechs Prozent der Menschen gewählt. Die Grünen und die FDP scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde und sind nicht mehr im Thüringer Landtag vertreten.

Auch in den Sächsischen Landtag entsendet die FDP künftig keine Abgeordneten mehr, während die Grünen, die bisher in Sachsen am Regierungsbündnis mit CDU und SPD beteiligt sind, mit 5,3 Prozent noch um den Wiedereinzug bangen müssen.

Die CDU wird laut Hochrechnung mit rund 32 Prozent stärkste Kraft – knapp vor der AfD mit 30,5 Prozent. Auf Platz zwei und drei folgen das BSW mit rund zwölf und die SPD mit gut sieben Prozent. Damit geht in Sachsen der bisherigen Koalition aus CDU, SPD und Grünen die knappe Mehrheit verloren. Die Regierungsbildung in Dresden dürfte sich damit deutlich verkomplizieren.

Für die Linke, die in Sachsen unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, reicht es dennoch dank zweier in Leipzig gewonnener Direktmandate, um mit fünf Abgeordneten ins Parlament einzuziehen.

Landesregierungen nehmen maßgeblich Einfluss auf die Klima- und Energiepolitik. Für die Energiewende sind die Ergebnisse ein schlechtes Vorzeichen für die nächsten fünf Jahre. Ambitionierte Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewende sind unter diesen Umständen kaum zu erwarten. Thüringen, das bei der Stromerzeugung mit Erneuerbaren deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, war zuletzt in der Energiepolitik zurückgefallen. So wurde etwa mit dem Waldgesetz der Ausbau der Windenergie im Wald weitestgehend verhindert. CDU und BSW haben angekündigt, den Ausbau der Windkraft deutlich zu begrenzen.

Anders als in Thüringen kommt in Sachsen die Energiewende nicht in Schwung. Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung liegt bei 25 Prozent. In der Legislaturperiode dürfte vor allem der vorzeitige Ausstieg aus der Braunkohleverstromung relevant werden. Allerdins hatte sich Sachsens Ministerpräsident mehrfach vehement gegen diesen Schritt ausgesprochen.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) machte die Bundespolitik für das Wahlergebnis verantwortlich. Über diese seien die Menschen sauer, besonders über die Migrations- und die Energiepolitik. In Berlin müsse ein anderer Politikstil einziehen, sonst sei die Demokratie in Deutschland gefährdet.

Grüne beklagen unfairen Wahlkampf

Eine ähnlich schwierige Lage wie in Sachsen entwickelt sich offenbar in Thüringen. Hier gewann die Linke im Laufe des Abends gegenüber den Prognosen an Stimmen und in der Folge einen weiteren Sitz im Landtag. Damit hat voraussichtlich auch die bis dahin favorisierte Dreier-Koalition von CDU, SPD und BSW keine Mehrheit im Erfurter Landtag.

Thüringens Ministerpräsident Ramelow hob gegenüber der ARD die hohe Wahlbeteiligung hervor – sie lag in beiden Ländern bei 74 Prozent – und nannte die Wahl einen „Festtag für die Demokratie“. Der Wahlkampf sei allerdings von Angst und Drohungen geprägt gewesen. Auch habe fast kein reales Thema aus Thüringen im Wahlkampf eine Rolle gespielt.

Ramelow sagte, die Partei im demokratischen Spektrum mit den meisten Wählerstimmen sollte mit den Gesprächen zu einer Regierungskoalition beginnen. In Thüringen ist das die CDU. 

Spitzenvertreter:innen des BSW in beiden Ländern nannten als zentrale Themen die Fragen des Friedens sowie der illegalen Migration, aber auch den massiven Unterrichtsausfall in den Schulen und die Bürokratie. Wahlumfragen hatten zuvor ergeben, dass den Menschen die Themen soziale Sicherheit und innere Sicherheit am wichtigsten waren, danach folgte der Krieg in der Ukraine. 

Landtags-Anträge der in Thüringen als gesichert rechtsextrem geltenden AfD werde das BSW nicht pauschal ablehnen, sondern von Fall zu Fall prüfen, machte die dortige BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf deutlich. 

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte ein, dass der heutige Wahltag keiner zum Jubeln sei. Kühnert zeigte sich aber erleichtert, dass die SPD entgegen manchen Prognosen weiter in beiden Landtagen vertreten sei. Die Partei müsse für ihren Politikansatz viel mehr werben, das sei eine grundsätzliche Lehre aus den Landtagswahlen. 

Grünen-Chef Omid Nouripour bezeichnete in ARD und ZDF die Landtagswahlen als Zäsur. Die Grünen hoffen, dass sie in Sachsen die Koalition mit CDU und SPD fortsetzen können. Trotz der schlechten Ergebnisse beharrte Nouripour darauf, dass die Ampel-Regierung in Berlin gute Arbeit leiste. Dies habe sie jedoch selbst durch überflüssigen Streit zerredet. Die Koalition in Berlin wolle trotzdem weiter „liefern“, etwa in den Bereichen Bau oder innere Sicherheit. Das sei entscheidend.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang beklagte einen unfairen Wahlkampf gegen ihre Partei. Das „Feindbild“ Grüne sei von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und CDU-Bundeschef Friedrich Merz gestärkt worden. Vorurteile seien immer wieder hervorgeholt und fast ein Wahlkampf nach dem Stil der US-Republikaner betrieben worden. „Am Ende stärkt so ein Wahlkampf die populistischen Ränder und auch die Rechtsextremen und schwächt die demokratische Mitte“, betonte Lang gegenüber der ARD.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude und Sandra Kirchner) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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