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Letzte Generation | Stuttgart

© Letzte Generation | letztegeneration.de | Straßenblockaden mit festgeklebten Händen haben die „Letzte Generation“ in die Schlagzeilen gebracht. Nun soll damit Schluss sein.

„Letzte Generation“ – Die Ära des Klebens ist zu Ende

Die „Letzte Generation“ kündigt einen Strategiewechsel an: Die Aktivist:innen wollen sich nicht mehr auf Straßen festkleben, sondern „ungehorsame Versammlungen“ abhalten und die Verantwortlichen für die Klimakrise „direkt konfrontieren“.

Keine andere Gruppe der Klimabewegung hat mit ihren Aktionen in den letzten beiden Jahren so viel Aufsehen erregt wie die „Letzte Generation“. Von ihrer Hauptaktionsform – ihrem Markenzeichen sozusagen –, der Straßenblockade, wollen sich die Aktivist:innen nun verabschieden.

Dazu erklärt die Gruppe: „Statt uns in Kleingruppen aufzuteilen und Straßenblockaden zu machen, werden wir gemeinsam mit vielen Menschen ungehorsame Versammlungen machen.“

Das Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden würde damit enden, „unignorierbar“ sollen aber auch die kommenden Aktionen sein.

Wie diese „neue Ära des friedlichen Widerstandes“ und die neue Protestform aussehen werden, kann Rolf Meyer, Sprecher der Letzten Generation, noch nicht sagen. Das werde sich in den konkreten Einzelaktionen zeigen, erklärt er.

Das Besondere an der „ungehorsamen Versammlung“ ist Meyer zufolge, dass sie anschlussfähiger sei und dennoch radikal. Denn auf die Vorgaben der Polizei wolle man nicht hören. „Das Interesse der Polizei ist es, die Störung möglichst gering zu halten. Aber die Klimakatastrophe zwingt uns, störend zu sein“, kündigt Meyer an.

Außerdem wollen die Klimaaktivist:innen „die Verantwortlichen für die Klimazerstörung in Zukunft verstärkt direkt konfrontieren“. Vorbild sind dabei Aktionen der US-amerikanischen Klimagerechtigkeitsgruppe Climate Defiance.

Erst vor wenigen Tagen hat die Gruppe den Geschäftsführer der Bank of America, Brian Moynihan, während einer Rede damit konfrontiert, seit 2016 rund 200 Milliarden Dollar in fossile Energien investiert zu haben. Ein Video dazu postete sie auf ihrem Account bei X, vormals Twitter.

Scharfer Gegenwind und Erfolglosigkeit führen zu Strategiewechsel

Zum ersten Mal tauchte der Name „Letzte Generation“ bei einem Hungerstreik während des Bundestagswahlkampfs 2021 im Berliner Regierungsviertel auf. Wenige Monate später folgten die ersten Straßenblockaden, damals noch mit der Kernforderung an die Politik, Sofortmaßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung zu ergreifen.

Seitdem gab es allein in Berlin 550 Blockadeaktionen – und in der Folge mehr als 3.700 Verfahren. Aber nicht nur mit rechtlichen Konsequenzen mussten sich die Aktivist:innen herumschlagen.

Immer häufiger äußerte sich die Wut von Autofahrer:innen in Gewalt gegen Aktivist:innen. Die scharfe Verurteilung der Aktionen durch Politiker:innen, die die Gruppe als „Klima-RAF“ oder „Klimaterroristen“ bezeichneten, und die emotionalisierte Berichterstattung etwa in den Springer-Medien heizten die Stimmung weiter an.

Die heftige Kritik an den Klebeaktionen war einer der Gründe für die Umorientierung – oder „Weiterentwicklung“, wie es Rolf Meyer ausdrückt. „Solche Kampagnen verfestigen sich und irgendwann lässt sich ihnen kaum mehr etwas entgegensetzen.“

Bereits im vergangenen November berichtete der MDR von einem internen Strategiepapier der Gruppe. Demnach war die Letzte Generation enttäuscht, dass es zu keinem „sozialen Kipppunkt“ gekommen ist. Stattdessen habe es eine Normalisierung der Aktionen gegeben und es sei immer schwieriger geworden, große Öffentlichkeit herzustellen.

Der Strategiewechsel ist auch eine Einsicht, mit einigen Annahmen falsch gelegen zu haben. So war die Letzte Generation lange davon ausgegangen, dass harte Urteile bis hin zu Gefängnisstrafen gegen Aktivist:innen zu einem gesellschaftlichen Aufschrei führen würden. Der ist weitestgehend ausgeblieben.

Radikale Aktionen für bürgerliche Forderungen

Bereits in der Vergangenheit fiel die Letzte Generation durch eine Diskrepanz zwischen ihren Aktionsformen und ihren Forderungen auf. Während die Aktionen zu den „radikalsten“ der deutschen Klimabewegung zählten, waren die Forderungen immer überraschend milde.

Aktivist:innen klebten sich auf den Straßen fest und forderten dann etwa nur ein Tempolimit auf Autobahnen.

In dieser Disbalance bleibt sich die Gruppe treu. Sie will mit ihren Versammlungen stören und Verantwortliche direkt vor der Kamera mit ihren Verfehlungen konfrontieren.

Die Forderung ist aber kein Systemwandel, schon gar kein Ende des Kapitalismus, sondern ein Appell der Ehrlichkeit“ von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser soll „öffentlich und ehrlich über die Klimazerstörung und das notwendige Umsteuern sprechen“.

Ihre nächste geplante Großaktion am kommenden Samstag hat die Letzte Generation abgesagt. Stattdessen will sie sich der Menschenkette um den Reichstag anschließen und gegen Rechtsextremismus mitprotestieren.

Eine Warnung vor den rechten Kräften findet sich auch in dem Strategietext: „Menschenfeindliche und faschistische Kräfte legen die Axt an das Fundament unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung.“

Auch andere Gruppen der Klimabewegung legen ihren Fokus gegenwärtig auf den Kampf gegen rechts. Das ergibt aus Klima-Perspektive durchaus Sinn. Die AfD etwa zweifelt nach wie vor am menschengemachten Klimawandel.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (David Zauner) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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