Neues Gebäudeenergiegesetz: Das Heizhämmerchen
Die Umsetzung der Wärmewende in den Heizungskellern hätte schlechter nicht laufen können. Es ist ein Beispiel misslungener Regierungskunst bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen. Ein Kommentar von Joachim Wille
Wenn es überhaupt jemals einen „Heizhammer“ gab, jetzt ist klar: Aus dem Instrument der Ampel-Koalition ist ein Hämmerchen geworden, das eher in die Spielzeugkiste gehört als in den Werkzeugkasten. Das neue Gebäudeenergiegesetz von SPD, Grünen und FDP, das in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden soll, verschiebt den konzentrierten Start der Wärmewende erneut um Jahre.
Man kann nur hoffen, dass die in den letzten Monaten heiß gelaufene Debatte zum Thema „Wie muss in Zukunft geheizt werden?“ viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer dazu bringt, auch ohne bessere Vorgaben die richtigen Entscheidungen für klimafreundliche Lösungen zu treffen.
Die Sache anzupacken war längst überfällig. Die bisherigen Bundesregierungen haben den Klimaschutz und, wie spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs jeder weiß, auch die Energiesicherheit im Gebäudesektor sträflich vernachlässigt. Insofern ist es gut, dass die Ampel das heiße Eisen überhaupt angepackt hat.
Doch die Umsetzung der Pläne zum Ersatz der CO2-Schleudern in den Kellern der Republik hätte schlechter nicht laufen können. Es ist ein Beispiel misslungener Regierungskunst bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen, das Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien da abgeliefert haben.
Hauseigentümer:innen, die Angst vor Neuerungen haben, können erst einmal aufatmen. Zunächst bleibt alles beim Alten. Erst müssen die Kommunen Pläne für eine klimafreundliche Wärmeerzeugung erarbeiten, dafür ist in Großstädten Zeit bis 2026, ansonsten sogar bis 2028.
Dann erst gilt im Gebäudebestand die Pflicht, dass neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen – wenn nicht ohnehin Wärmnetze vorhanden sind oder gebaut werden sollen. Die Klimapflicht kann mit Strom per Wärmepumpe oder Pellets erfüllt werden, theoretisch auch mit Biogas oder Wasserstoff.
Diese Vorgabe soll, anders als ursprünglich von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplant, nur in Neubauten bereits ab Anfang 2024 gelten. Das verstärkt dort allenfalls den bestehenden Trend, denn in modernen Gebäuden mit gutem Energiestandard werden meist sowieso schon effiziente Wärmepumpen installiert.
Kostenfalle droht
Von Habecks Ansatz, auch die Bestandsgebäude möglichst schnell umzurüsten, ist wenig übriggeblieben. Ja, teilweise wird sogar die bestehende, von der letzten Merkel-Groko eingeführte Rechtslage gelockert.
So ist neben der Installation von Gasheizungen unter bestimmten Bedingungen sogar der Einbau von neuen Ölheizungen erlaubt. Dabei kommt es gerade auf den Altbaubestand an, dessen Beheizung modernisiert werden muss, wenn die Klimaziele erreichbar bleiben sollen.
Die auf Druck der FDP ins Gesetz gekommenen Optionen für Gas und Öl aber sind unrealistisch. Vor wenigen Tagen erst hat ein Zusammenschluss aus acht großen Stadtwerken, darunter die von München und Mannheim, davor gewarnt, dass die dafür benötigten Mengen an Wasserstoff und Biogas nicht zur Verfügung stehen werden. Bei „grünem“ Heizöl sieht es genauso aus.
Das FDP-Mantra der „Technologieoffenheit“, das nun von der ganzen Ampel mitgebetet wird, ist gleich doppelt fatal. Erstens droht es für viele Menschen, die davon eingelullt werden und bis 2026/28 noch neue Gas- und Ölheizungen einbauen, zur Kostenfalle zu werden.
Sie werden künftig viel Geld ausgeben müssen – entweder für steigende CO2-Aufschläge auf Erdgas und Heizöl oder für teuren Wasserstoff oder „klimaneutrales“ Öl. Man kann nur hoffen, dass die Beratung, die die Ampel den Hausbesitzer:innen zu den Folgen der Heizungswahl angedeihen lassen will, solche Fehlentscheidungen verhindert.
Zweitens schadet die von den Lindner-Liberalen durchgesetzte Entschleunigung der Wärmewende dem Technologiestandort Deutschland. Die deutsche Heizungsindustrie ist wegen der jahrzehntelangen Konzentration aufs Erdgas gegenüber der ausländischen Konkurrenz ohnehin im Hintertreffen, die viel früher auf die Wärmepumpe gesetzt hat.
Das neue Gesetz sei „Gift für unsere Branche“, warnte denn jetzt auch der Verband, der die hiesigen Hersteller dieser Anlagen vertritt. Damit droht Deutschland, den Anschluss zu verpassen – ähnlich wie bei der Autoindustrie, die zu lange am Verbrenner festhielt.
Im vorigen Jahr sind hierzulande noch 600.000 neue Erdgasheizungen eingebaut worden. Wenn diese Zahl wegen der beschworenen Technologieoffenheit nicht schnell sinkt, bedeutet das eine unnötige Hypothek für den Klimaschutz. Diese Anlagen haben eine Lebensdauer von rund 25 Jahren.
Soziale Schieflage entschärft
Man kann die Hoffnung haben, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt. Das wäre dann der Einsicht der Hausbesitzer:innen geschuldet, die ihre Immobilien zukunftsfest machen wollen – Klimaneutralität auch in diesem Bereich muss ja bereits 2045, in gut zwei Jahrzehnten, erreicht sein.
Es läge aber auch an den Fördermitteln, auf die sich die Ampel jetzt geeinigt hat. Hohe Zuschüsse auf die Investitionskosten von bis zu 70 Prozent dürften in den meisten Fällen dazu führen, dass auch ärmere Haushalte sich den Umstieg auf Wärmepumpe oder Pelletheizung leisten können.
Hier, so muss man attestieren, hat die Ampel gut gearbeitet. Das entschärft die soziale Schieflage des Projekts. Gleiches gilt für die Regelung zum Heizungstausch bei vermieteten Wohnungen oder Häusern. Die Mieten dürfen maximal um 50 Cent pro Quadratmeter steigen, und es soll Härtefallregelungen geben.
Die Union beschwert sich nun lautstark und völlig zu Recht darüber, dass die Ampel ihr Heizungsprojekt nach monatelangem internen Hickhack nun übers Knie bricht. Die Koalition will das Thema vor der Sommerpause abhaken und aus den nächsten Landtagswahlkämpfen in Bayern und Hessen im Oktober heraushalten.
Gerade ein Wochenende Zeit bekamen die Abgeordneten und Fachleute zur Bewertung von 111 Seiten Änderungsanträgen der Ampel zum Heizungsgesetz bis zur heutigen Anhörung im Klimaausschuss. Das ist unwürdig.
Freilich sollten CDU und CSU den Mund nicht gar zu voll nehmen. Sie haben, als sie Regierungsverantwortung trugen, den Klimaschutz beim Wohnen 16 Jahre lang verschleppt. Dass es damit nun wirklich eng wird, liegt vor allem an ihnen.
Quelle
Der Kommentar wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2023 verfasst – der Kommentar darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!