Regen in Somaliland – Geht die somalische Nation zugrunde?
Wieder geschah etwas auf der Reise durch das nördliche Somaliland, wie damals 1986 in Äthiopien, bei der damals sogenannten größten Hungerkatastrophe. Es gab in Hargeysa, der Hauptstadt von Somaliland, heftigen Regen. Als wir von Berbera an der Küste des Indischen Ozeans uns auf den Weg nach Hargeysa machen wollten, waren die Flüsse, die in den letzten 12 Monaten knochenhart gestampft waren von der Hitze und Sonne, plötzlich so angeschwollen, machte die Straße zwischen Berbera und Hargeysa unpassierbar. Ein Bericht von Rupert Neudeck
Wieder war ich versucht, die „Tagesschau“ in Hamburg oder die „heute“-Sendung in Mainz anzurufen, wegen der wichtigsten Nachricht: Regen ist gefallen im Norden Somalias. Doch ich konnte nicht, weil es zwischen Hargeysa und Berbera ein Handyloch gibt. Aber es wäre spannend zu wissen, ob das Bewusstsein der Medien weitergegangen ist seit Äthiopien. Damals 1986 kamen wir mit dem Telefon nach Hamburg durch. Ein Redakteur vom Dienst sagte uns nur: „Regen ist keine Nachricht“.
Ich war jetzt unterwegs mit dem baumlangen Abdulkarim Guleid, einem Somali aus einer großen Halbnomadenfamilie in Somaliland. Er war 1977 nach Deutschland gekommen, hatte deutsch gelernt, Wirtschaft studiert und bei Siemens gearbeitet. Er war dann zugunsten seiner Landsleute, die damals 1980ff. zu Hunderttausenden in umgekehrter Richtung flohen (vom Ogaden/Äthiopien nach Somalia) in sein Land zurückgegangen.
Abdulkarim Guleid würde ich sofort für den richtigen oder den alternativen Nobelpreis vorschlagen. Er hat in seinem neuen Heimatland Äthiopien das Rezept zur Lösung periodischer Wasserknappheit nicht nur erkannt, er hat es auch exekutiert. Er hat in der ost-äthiopischen Provinz „Somali Regional State“ – genauer zwischen Jjigjiga und Geschammo insgesamt 13 Wasserdämme gebaut, worin er bei dem großen Regen, den es einmal im Jahr gibt, alles Wasser auffängt. Und er hatte eine riesengroße Baumschule aufgebaut und Schulen für die Kinder der Halbnomaden. Bis ihm 2009 die Regierung Äthiopiens das Projekt zugesperrt hat, das Office seiner Organisation „Hope for the Horn“ (dt.- Hoffnung für das Horn von Afrika) zugemacht hat. Alles, weil diese Regierung wieder nur Misstrauen und Verachtung gegen die Somalis hegt.
Abdulkarim wäre jetzt der Retter des Landes Somaliland, wenn er sich entschließen würde, das Wasser-Projekt in den großen Weiten zwischen Tug Wajale und Hargeysa oder Burao und Erigavo aufzustellen. Ich verstehe seine Landsleute, die sich überall um ihn scharen, die ihn bitten, jetzt im Lande Somaliland zu bleiben (inzwischen ist Abdulkarim Guleid Staatsbürger Äthiopiens). Die Dürrekatastrophen sind ja keine biblischen Plagen. Man kann sie bewältigen.
In Somaliland während meines Besuches spüre ich die Traurigkeit der Somalis, die um ihre nationale Identität fürchten müssen, ein Viertel aller Somalis leben wahrscheinlich bereits außerhalb des Landes. Wenn künftig noch eine Million in Kenya und eine weitere in Äthiopien bleiben – was wird dann aus dem Volk?
Wir erleben auch hier die Realität der afrikanischen Migration auf bestürzend eindrucksvolle Weise. Es ist auf der Fahrt von Berbera nach Burao auf der zweiten Teerstraße des Landes, gebaut von einer italienischen Firma, als Somalia noch Somalia war. Plötzlich gehen zwei Jungen etwas tastend in der flimmernden Hitze an den beiden Seiten der Straße. Sie würden gern mitgenommen werden, aber wir haben keinen Platz. Sie kommen aus der Gegend bei Tug Wajala, sie gehen zu Fuß, weil sie gehört haben, dass man in dem Hafen Bosasso, der zur Landschaft von Puntland gehört, einem weiteren Teil des alten Somalia, auf einem Boot bis zum Yemen, wenn es ganz toll kommt, auch nach Saudi Arabien kommen kann.
Das ist das Ziel junger Menschen, der hoffnungsvollen, starken Afrikaner, sie suchen ein Land, das sie arbeiten, verdienen und sich ausbilden lässt. Für West- und Zentral-Afrika kann das Europa sein, das können auch Saudi Arabien und die Emirate am Golf sein. Wir geben ihnen etwas Wasser und zwei 500 Somalia Shilling-Scheine und sie stapfen weiter.
Wann wird Europa begreifen, dass da eine junge Generation ist, die gern, liebend gerne in ihren eigenen Ländern etwas aufbauen möchte, aber denen das bei der Trägheit der Regierungen verwehrt ist?
Es könnte sein, das sich uns Somalialand als Alternative zum Chaos-Verbrecher-al-Shabaab Staat Somalia im Süden als Alternative entpuppen wird. Die Tatsache, dass die Chinesen in ihrer völkerrechtlichen Schnurzigkeit schon da sind und gern gegen die Exploration möglicher Ölfelder in Somaliland eine große Autobahn bauen wollen, spricht Bände. Gegner der Anerkennung Somalilands ist die Afrikanische Union, sind alle Nachbarstaaten. Eritrea unterstützt sogar die Al Shabaab Milizen mit Waffen. Das tut es aber gegen den Erzfeind Äthiopien.
Der sog. Präsident der sog. Republik Somaliland, mit seinem Spitznamen nur Silanyo (dt. ein schlauer Käfer) genannt, hält sich fünf Tage in China auf. Die Zahl der Hungerflüchtlinge aus dem Süden Somalias ist nun schon auf 50.000 im nördlichen Somaliland gestiegen.
Sie genießen einen Vorteil. Sie bekommen hier nicht nur Reis, Tee, Aspirin und Milchpulver. Davon gibt es immer noch wenig, weniger als in Kenias Lager Dadaad. Aber sie sind in der Bevölkerung willkommen. Sie müssen sich nicht verstecken und werden nicht kaserniert.
Quelle
Rupert Neudeck 2011Grünhelme 2011