Strahlenschutzkommission plant Ausweitung der Evakuierungszonen für Atomunfall
Die Katastrophenschutzbehörden rund um AKWs müssen demnächst für viermal größere Gebiete als bisher Evakuierungspläne ausarbeiten.
Eine entsprechende Empfehlung will die Strahlenschutzkommission des Bundes nach Informationen der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt demnächst verabschieden. Die Evakuierungszonen um die AKW sollen demnach von 10 auf 20 Kilometer Radius ausgedehnt, Jodtabletten gar für das gesamte Bundesgebiet vorgehalten werden. Damit zieht die Kommission eine erste Konsequenz aus dem Super-GAU im japanischen AKW Fukushima.
Damit wohnen bundesweit 2,5 Mio. Menschen statt bis nur 430.000 Einwohner in möglichen Evakuierungsgebieten. Um das AKW Neckarwestheim könnten damit bis zu 850.000 Menschen statt bisher 177.000 Menschen evakuiert werden.
Bisher war die Evakuierung von Laufen/Neckar (10.850 EW), Besigheim (11.656 EW), Brackenheim (15.300), Ilsfeld (8.440 EW) und Großbottwar (8.213 EW) vorgesehen. Nun würde auch Heilbronn (121.416 EW), Ludwigsburg (87.703 EW) und Neckarsulm (27.378) in der Evakuierungszone liegen.
Der 20-Kilometer-Radius muss innerhalb von 24 Stunden evakuiert werden. Darüber hinaus müssen Gebiete dauerhaft geräumt werden, wenn die Strahlenbelastung einen bestimmten Grenzwert übersteigt. Den jetzigen Wert hält die Strahlenschutzkommission für viel zu hoch. Umgesiedelt werden soll künftig die Bevölkerung aller Gebiete, in denen mit einer jährlichen Strahlenbelastung von mehr als 50 Millisievert in Folge des radioaktiven Fallouts zu rechnen ist. Bisher gelten 100 Millisievert pro Jahr als zumutbar. Die Halbierung des bisherigen Grenzwerts hätte zur Folge, dass bei einer Freisetzung radioaktiver Stoffe weit größere Gebiete – auch außerhalb der Evakuierungszone – dauerhaft geräumt werden und weit mehr Menschen umsiedeln müssten als nach der bisherigen Regelung.
Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, kommentiert:
„Atomkraftwerke sind viel gefährlicher, als Behörden und AKW-Betreiber bisher behauptet haben. Das sollten vor allem die PolitikerInnen von CDU/CSU und SPD bedenken, die derzeit über die künftige Energiepolitik verhandeln. Die neun noch immer laufenden Atomkraftwerke müssen viel schneller abgeschaltet werden, als es das Atomgesetz bisher vorsieht. Das würde nicht nur das Atomrisiko deutlich senken, sondern auch der Energiewende nützen. Denn jedes AKW, das vom Netz geht, verbessert die Situation der Gaskraftwerke, die derzeit reihenweise stillgelegt werden, obwohl wir sie als flexible Ergänzung der erneuerbaren Energien dringend brauchen.
Die jetzt vorgesehenen Änderungen beim Katastrophenschutz reichen noch nicht aus. In Japan liegt der Grenzwert für Umsiedlungen bei 20 Millisievert im Jahr, in Tschernobyl wurden sogar schon ab 5 Millisievert umgesiedelt. Nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz müssten bei der Anwendung des japanischen Grenzwertes die Menschen sogar noch in 170 km Entfernung vom AKW umgesiedelt werden.
Eine Ausweitung der Evakuierungszonen und Absenkung der Grenzwerte ist überfällig. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen diese auf ihrer Sitzung vom 4. bis 6. Dezember in Osnabrück beschließen. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der beste Katastrophenschutz im Falle einer Atomkatastrophe so gut wie machtlos ist. Wirklichen Schutz vor den Atomgefahren bietet nur die Stilllegung der Reaktoren.“
Am Samstag, den 16. November, lassen Atomkraftgegner am AKW Neckarwestheim um fünf Minuten vor Zwölf 500 Luftballons starten, an denen Rückmeldekarten hängen. Damit wollen die Bürgerinitiativen ermitteln, wie weit sich die radioaktiven Stoffe bei einem Störfall ausgebreiten. Die Fundorte werden auf einer Landkarte im Internet veröffentlicht.
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Quelle
ausgestrahlt.de 2013