Was kostet die Energiewende?
Die Energiewende verschlingt Unmengen an Geld? Diese Behauptung wird häufig geäußert, ist aber kaum belegt. Das zeigt ein Blick auf aktuelle Studien.
“1,2 Billionen für die Energiewende – Kann Deutschland sich DAS leisten?”, fragt die Bild-Zeitung. Was aber kostet die Energiewende wirklich?
Tatsächlich klingt die Summe von 1,2 Billionen unglaublich teuer. Die Zahl stammt aus einer Studie der Unternehmensberatung EY im Auftrag des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in dem die Kraftwerks- und Netzbetreiber organisiert sind. Diese Summe müsste die deutsche Volkswirtschaft (also Staat und Privatwirtschaft) bis 2035 ausgeben, um die Energiewende zu schaffen, pro Jahr also ca. 120 Milliarden.
Allerdings wird oft eine simple Tatsache vergessen: Kosten ≠ Investitionen! Das Wort “Kosten” kommt in der EY-Studie nicht einmal vor. Die Rede ist stattdessen von “Investitionen” – und wie jeder Wirtschaftsstudent weiß: Das ist nicht dasselbe! Investitionen sind keine konsumtive Ausgabe, die dann weg ist. Sondern sie schaffen (oder erhalten) einen Kapitalstock in Form von langlebiger Infrastruktur. Und dieser Kapitalstock wirft Wertschöpfung ab. Die EY-Studie hat errechnet: Allein der Bau der Infrastruktur erzeugt ein Wertschöpfungspotenzial von jährlich 52 Milliarden Euro. Die meiste Wertschöpfung entsteht jedoch erst durch den Betrieb der Infrastruktur, z.B. durch die erneuerbare Energieerzeugung mit null Grenzkosten. Aus methodischen Gründen nennt EY hier allerdings keine Zahlen.
Hinzu kommt: Es gibt kein Vergleichsszenario. Ob 1,2 Billionen nun viel oder wenig Geld ist, müsste man wissen, was ein “Weiter so” ohne Energiewende kostet. Beispielsweise für den Ersatz oder die Instandhaltung alter fossiler Kraftwerke, fossile Infrastrukturen, Brennstoffe und CO2-Kosten. Die Nordstream 2 Pipeline kostete beispielsweise fast acht Milliarden Euro (fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant) – und ist jetzt zerstört. Da die Studie kein Vergleichsszenario mitliefert, kann niemand sicher sagen, ob der neue Pfad wirklich so viel teurer ist.
„Die Studie wurde von einigen Medien missverständlich dargestellt”, schrieb mir daher auch Christian Bantle, Chefvolkswirt beim Energiewirtschaftsverband BDEW. “Nach Auffassung der deutschen Energiewirtschaft sind die errechneten Investitionen nicht nur tragfähig, sondern generieren substanzielle Wertschöpfung und tragen somit zum nicht nur zum Klimaschutz sondern nachhaltig zum Wirtschaftswachstum bei.“
Auch Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Uni Düsseldorf, sagt zur EY-Studie: „Notwendige Investitionen in Höhe von 1,2 Billionen Euro – das klingt erstmal riesig. Aber bei Licht betrachtet, ist der Umfang überschaubar und gut zu schaffen.“ Die Investitionen rentierten „ganz handfest in Form von Wachstum, Wertschöpfung und zunehmenden Exporten“. Selbst die Bild kommentiert: “Heißt: keine Pleite, sondern Boom!”