Was kümmert mich die Resilienz von Morgen
Die komplexen Zusammenhänge im Zuge der Energiewende zu begreifen maßen sich die wenigsten an. Trotzdem, oder gerade deshalb, bietet das Thema eine ideale Spielwiese für Politik und Interessenvertreter. Kommentar von Matthias Hüttmann
Auch die Rahmenbedingungen passen dafür. Vielen von uns geht es sehr gut, Veränderungen sind momentan so unerwünscht wie selten zuvor. Die große Koalition, eigentlich eine unbeliebte Konstellation, wird dankbar angenommen. Skandale prallen ab und Reformwillen wird nicht eingefordert.
So gab es erst kürzlich eine große angelegte Kampagne, die mutmaßte dass die Energiewende scheitern werde, würde man weitermachen mit „Subventionen und Begünstigungen für willkürlich ausgewählte Technologien“. Man müsse sich vielmehr um Marktwirtschaft und Wettbewerb zwischen den Erneuerbaren Energien kümmern, am besten sollte man einfach das EEG abschaffen. Das ist weder schlüssig und auch keine Lösung, nichts weiter als Populismus. Die Marktwirtschaft ist nun mal kein geeignetes Instrument für diese gesellschaftliche Aufgabe. Und das EEG? Das hat sich längst zu einer Beschäftigungsmaßnahme für Juristen entwickelt, es erfüllt seine Aufgabe, das Abbremsen der Energiewende bereits sehr gut.
Mia san mia – der Teufel verrennt sich im Detail
Dem Volk nach dem Maul reden war schon immer eine erfolgversprechende Strategie der Politik. Mit der unübersichtlichen Energiewende und ihren zwangsläufigen Umwälzungen lässt sich gut arbeiten. Man muss dazu nur einen Teilbereich isoliert betrachten und das Ganze mit Regionalpatriotismus und einer Prise Angst vermischen. Schon hat man die Meinungshoheit auf Stammtischniveau erklommen.
Es liegt zwar in der Natur der Sache, bzw. der Personen, dass es bei Mandatsträgern oft an Verständnis für technische Details fehlt. Wenn aber Ministerien Entscheidungen vor allem im Austausch mit der Industrie treffen und Ansichten und Meinungen von Umfrage-Instituten ableiten, dann fehlt es am notwendigen breiten Dialog. Es ist nicht Aufgabe der Politik das große Ganze kleinzureden und Details zu diskutieren, sondern vielmehr die Chance zu nutzen einen breiten gesellschaftlichen Konsens anzustreben. Bei der Energiewende geht es ausnahmsweise nicht um regionale Interessen, sondern um langfristige, zukunftsweisende Entscheidungen.
Kuhhandel statt Kompetenz
Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen verstärkt sich der Eindruck, dass es am grundlegenden Verständnis der Problematik mangelt. Müssen denn alle Entscheidungen aus Koalitionsverträgen hervorgehen und in erster Linie politische Kompromisse sein?
Wohl kaum, aber so lange wir uns Sachverstand vortäuschen lassen und glauben das gordische Knoten auf Gipfeln der Fraktionsspitzen gelöst werden können, wird es so weitergehen. Trassenverläufe werden mit Zwischenlagerstandorten verknüpft und halbherzige Beschlüsse beim Abbau von emissionsintensiver Energie in einen Topf mit Umlagebefreiungen geworfen. Haben wir Volksvertreter und Interessensvertreter gewählt, die es schon als Erfolg ansehen, bis Ende des Jahrhunderts, wenn keiner mehr von ihnen mehr lebt, auf fossile Energien zu verzichten?
Alles hängt voneinander ab
Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit eines Systems, mit Veränderungen umgehen zu können. In den Ingenieurwissenschaften definiert Resilienz die Fähigkeit von Systemen bei einem Teilausfall nicht vollständig zu versagen. Dass das im Fall der Energieversorgung kein abstraktes Szenario darstellt zeigen zwei ältere Studien der Bundeswehr1) und der Bundesregierung2). Darin wird ein Stromausfall schlichtweg als Auslöser einer nationalen Katastrophe betrachtet. Dies verdeutlicht die Verantwortung der Energiewende, nicht nur für Strom aus Erneuerbaren, sondern auch aus selbstregelnden dezentralen Quellen zu sorgen. Ob beispielsweise zentrale Stromautobahnen hier den richtigen Weg darstellen ist durchaus zu hinterfragen. Das Vernetzen dezentraler erneuerbarer Quellen wäre eine intelligente Lösung.
Auch wenn es niemanden beruhigen wird, ein Blackout wird alle treffen, Partei- und Firmenzentralen wie auch Eigenheimbesitzer und Mieter. Beim Blackout sind alle gleich, gleicher als vor Gericht und auf hoher See.
Runder Tisch?
Um aus dem Dilemma herauszukommen, bedarf es einer Initiative die alle Interessen an einen Tisch zusammenbringt. Um die Politik zumindest in diesem Feld von der Wirtschaft zu entkoppeln und einen nachhaltigen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, sollte die parlamentarische Kultur ehrlich gelebt werden und so konstruktiv wie möglich diskutiert werden. Interessenvertreter aller Couleur müssen verstehen lernen, dass es nicht darum gehen kann Einzelinteressen durchzusetzen. Scheindebatten wie so mancher Energiedialog sind damit allerdings nicht gemeint. Die Energiewende ist nur als Gemeinschaftsprojekt zu stemmen.
Fußnoten
- 1) SONNENENERGIE 6|2010
- 2) SONNENENERGIE 5|2011
Quelle
SONNENENERGIE | 4|2015 AUGUST-SEPTEMBER | Matthias Hüttmann 2015