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Wasser wird kostbarer als Gold

Wassernot ist die logische Folge des Klimawandels, den Angela Merkel „die Überlebensfrage der Menschheit“ nennt. Noch leiden wir in Mitteleuropa nicht an Durst – noch nicht! Aber in Afrika sind zurzeit  15 Millionen Menschen auf der Flucht nach der nächsten Wasserstelle. Weltweit haben 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Über 3 Milliarden könnten es bis zur Mitte des Jahrhunderts werden, schätzen die Vereinten Nationen. „Wasser wird kostbarer als Gold“ ist eine UNO-Studie über die Zukunft des Wassers überschrieben. In 40 Jahren leben 9 Milliarden Menschen. Die Welt steht vor einem historisch nie gekannten Wasserdefizit.

Die globale Erderwärmung verändert auch global die Wasserkreisläufe. In den USA, Russland und in Südasien hat es im letzten Sommer monatelang nicht geregnet. Millionen Afrikaner beten: „Gib uns unser täglich Wasser“.

Schon heute sterben täglich etwa 10.000 Menschen an Wassermangel, davon 5.000 Kinder an Infektionskrankheiten, die durch unsauberes Wasser hervorgerufen werden. Das Hungerproblem ist primär ein Wasserproblem. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriegsflüchtlinge. Das 21. Jahrhundert wird ein Jahrhundert der Umwelt- und Wasserflüchtlinge. Ohne Wasser ist Leben nicht möglich.

Wasser ist unser Lebenselixier – unser Lebensmittel Nummer eins. Wasser ist das Mittel zum Leben. Ohne Nahrungsmittel kann ein Mensch bis zu 70 Tagen überleben, aber ohne Wasser keine 70 Stunden. Wir müssen lernen, uns mit dem Wasser zu versöhnen.

Viele Menschen meinen, Wasser sei im Überfluss vorhanden. Es regne ja ständig in Deutschland: im Sommer und im Winter, im Frühjahr und im Herbst – zu jeder Jahres- und Tageszeit. Wir trinken es, waschen uns damit und schwimmen darin – ganz selbstverständlich.

Tatsächlich ist unser Planet zu 75 % mit Wasser bedeckt. Doch der äußere Schein trügt, denn nur bei 2,6 % der weltweiten Wasservorräte handelt es sich um Süßwasser und nur 0,6 % sind nutzbar. 2 % sind in Gletschern und Polkappen und im „ewigen“ Schnee gebunden.

Die absolute Wassermenge auf der Erde ist „ewig“ gleichbleibend. Es ist immer dasselbe Wasser, über das wir verfügen. Sollten die Saurier vor 65 Millionen Jahren über ihr Aussterben Tränen vergossen haben, dann nutzen wir heute dasselbe Wasser möglicherweise in unseren Capuccino-Tassen. Und das Wasser am See Genezareth, über das Jesus vor 2000 Jahren wandelte, dient uns heute eventuell als Erfrischungsgetränk. In der Zwischenzeit kann es freilich Konrad Adenauer zum Zähneputzen gedient haben.

Vom Versickern des Regenwassers in die Erde bis zum Hervorsprudeln aus einer munteren Quelle können Jahrhunderte vergehen. Das in Deutschland immer mehr genutzte Tiefengrundwasser bis zu 4.000 Metern unter der Erde ist oft Tausende, ja Zehntausende von Jahren alt. Wir haben nur ein Wasser. Schon das Wort „Abwasser“ sagt, dass wir die Tatsache des einen Wassers ständig verdrängen. Wir können Wasser nicht vermehren und auch – anders als bei Energiequellen – durch nichts ersetzen!

Aber: Der Wasserverbrauch hat sich in den letzten 50 Jahren weltweit verdreifacht und steigt zurzeit doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung. Ohne nachhaltigen Umgang mit dem Wasser sind Wasserkriege, Wasserkatastrophen und Massensterben von Menschen, Tieren und Pflanzen programmiert. (Darüber mehr in den nächsten Folgen.) Jeder Mensch nimmt pro Tag etwa vier Liter Wasser in irgendeiner Form zu sich – aber zur Herstellung unseres täglichen Lebensmittelbedarfs werden mindestens 2.000 Liter Wasser – 500 mal so viel – benötigt. Künftige Kriege um Wasser werden auch an Weizenbörsen stattfinden.

Wasser ist eine Meisterleistung der Natur und eine einzigartige Schöpferleistung unseres Planeten. Wasser ist Leben und Urgewalt und unser ständiger Begleiter – vom Mutterleib bis zu unserer letzten Sekunde. Früher betrachteten die Menschen aller Kulturen das Wasser als etwas Besonderes, ja als etwas Heiliges. Das heißt: als etwas Heiles und Heilendes. Meere, Flüsse und Seen waren von guten und bösen Geistern bewohnt. Unsere Vorfahren opferten den guten Geistern, bevor sie einen Fluss überquerten oder eine Reise antraten. Wir Heutigen lächeln über diesen „Aberglauben“ und werfen unsere Abfälle und unseren Überfluss in Bäche, Ströme und Seen. Allein die Menschen in den USA werfen jährlich 40 Millionen Tonnen Giftmüll in das Lebensblut ihrer Erde, in das Wasser. Unsere Ehrfurcht vor den Elementen ist fast verlorengegangen. Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Politiker als deren Handlanger haben sich des Wassers bemächtigt. Eine Heilung des Planeten wird es ohne ein neues Wasserbewusstsein und ohne eine neue Wasserpolitik und eine neue Wasserethik nicht geben.

Wasser ist also mehr als H2O

Das wussten alle Religionsstifter, Philosophen und Weisheitslehrer aller Zeiten in allen Kulturen. Der wunderbare junge Mann aus Nazareth, vor 2.000 Jahren schon ein Ökologe, sagte: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist neu geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Ein verantwortlicher Umgang mit Wasser ist Gottesdienst. Denen, die ihm nachfolgen wollen, rief dieser ökologische Jesus zu: „Seid Quellen lebendigen Wassers.“ Von verschmutztem und verseuchtem Wasser sprach er nicht. Pfarrer Kneipp lehrte im 19. Jahrhundert: „Aqua sanat – Wasser heilt!“

In allen Religionen ist Wasser das Symbol der Wandlung. Der junge Jesus erfährt die wohl entscheidende Wandlung seines Lebens im Wasser – bei seiner Taufe am Jordan. Erst danach trat er öffentlich auf. Wasser hatte ihn inspiriert. In allen Schöpfungsmythen war am Anfang das Wasser – dann erst erscheint das Land.

„Wasser ist das Beste“, schrieb der griechische Dichter Pindar. Sein Landsmann Thales sagte: „Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser; aus Wasser ist alles; ins Wasser kehrt alles zurück.“ Alle heiligen Schriften der Menschheit bestätigen die reinigende Kraft des Wassers auf Körper, Geist und Seele. Weil auch unser kollektives Unbewusstes diese tiefe Wahrheit heute noch kennt, zieht es jährlich Millionen von Menschen in den Ferien ans Wasser.

Franz von Assisi preist in seinem Sonnengesang „Schwester Wasser“. In Afrika sind eingeborene Seher und Medizinmänner bis heute eng mit der Mythologie des Wassers verbunden. In vielen afrikanischen Dörfern gilt Wasser als „Segen Gottes“. Erst der abendländisch-christliche Fortschritt führte mit oft zweifelhaften großtechnischen Projekten zu Wassermangel und Wasserverschmutzung.

Wasser ist einmalig

Es ist zugleich Sinnbild für Kraft und Gewalt, für Güte und Hoffnung. Wasser ist zwiespältig: Dem Verdurstenden ist es Lebensrettung, dem Ertrinkenden Tod. Für die Tsunami-Opfer – meist Fischer – war Wasser erst die Bedingung ihres Berufs – aber danach brachte es hunderttausendfachen Tod.

Neben Luft und Erde ist Wasser unser wichtigstes Nutzelement. Wellen und Sonne heilen auch kranke Seelen. Aqua vitae – das Wasser des Lebens symbolisiert jeden spirituellen und psychischen Wandlungsprozess. Nach einer heftigen Ehekrise hatte ich vor dem Neubeginn mit meiner Frau einen Wassertraum. Wasser ist das Symbol lebendiger Seelenkraft. Dieser Wassertraum war mein Schlüsseltraum für die zweite Hälfte meines Lebens.

Unsere „Schwester Wasser“ ist unsere Lebensgefährtin von der ersten bis zur letzten Sekunde unseres Hierseins. Sie will gut behandelt werden. Denn sie gibt uns Nahrung und Trinkwasser, sie wäscht unsere Wäsche, tränkt Wiesen und Bäume, Blumen, Vieh und Menschen, sie trägt unsere Lasten, sie ist uns Strom und bringt uns Strom und verarbeitet – zumindest bis zu einem gewissen Grad – sogar wie selbstverständlich unsere Abfälle. Wir dürfen nur nichts übertreiben. Und exakt hier liegt heute unser Problem. Wenn das Wasser sich nicht mehr selbst reinigen kann, ist alles Leben bedroht. Solange das Wasser gesund ist, findet unaufhörlich Schöpfung statt. Hermann Hesse nennt Wasser die Stimme des Lebens, die Stimme des Seienden, des ewig Werdenden.

Wasser in Not

Auch im heute noch wasserreichen Mitteleuropa steuern wir auf einen Wassernotstand zu. Unser Wasser wird benutzt, verschmutzt, verschwendet. Gifte im Wasser, Chemiemüll, Düngemittel und Luftverschmutzung bedrohen unser wichtigstes Überlebensmittel.

  • Die deutsche Industrie verbraucht jährlich 16 Milliarden Kubikmeter Wasser. Aus den Papier- und Chemiefabriken fließen täglich 230 Tonnen schädliche Kohlenstoffverbindungen, darunter Benzol, Xylol, Toulol, in den Rhein und ins Trinkwasser. Chlor ist Bleichmittel für Papier. Die Abwässer der Papierwerke vergiften Flüsse und Meere.
  • Die Landwirtschaft verseucht Grund- und Oberflächenwasser mit Gülle, Düngemitteln, Herbizide und Insektiziden. Nitrate und Ammoniak werden vom Wind in die Wälder und aufs Meer getragen. Allein der Ostsee muten die Anrainerstaaten jährlich über eine Million Tonnen Stickstoff und fast 80.000 Tonnen Phosphat zu.
  • Jeder von uns verbraucht heute 8-mal soviel Wasser wie seine Großeltern vor 80 Jahren.
  • Wasser wird weltweit bald zur knappsten natürlichen Ressource. Wir könnten Kriege ums Wasser erleben – sie drohen in Nahost und Afrika, aber auch auf dem indischen Subkontinent und im nachkommunistischen China. Öl können wir ersetzen durch Sonne, Wind und Biomasseenergie. Wasser aber bleibt unersetzlich – wir können es nicht vermehren.

Vor 120 Jahren musste das Wasser einmal gefiltert werden. Heute setzen wir, um das verschmutzte Wasser wieder zu reinigen, zunehmend auf Großtechnologie und auf die Chemie. In Deutschland sind zurzeit bis zu acht chemische Behandlungsstufen notwendig, damit das Wasser wieder trinkbar wird. Wasser wird gechlort, gefiltert und bestrahlt.

Die Washingtoner Zoologin und Toxikologin Thea Colborn weist darauf hin, dass Chemikalien im Wasser Fruchtbarkeitsstörungen nicht nur bei Fischen und Vögeln, sondern auch bei Menschen hervorrufen: „Leider entdecken wir gerade, dass einige dieser Schadstoffe die Gebärmutter durchdringen können. Sie sind also präsent, während das Baby im Bauch der Mutter heranwächst“. Es handle sich dabei nicht mehr um Einzelfälle, sondern um ein globales Problem. „Viele Chemikalien, die wir in  der Vergangenheit verwendet haben, liegen da draußen in der Natur noch lange, sehr lange herum. Sie sammeln sich im Gewebe von Tieren und Menschen an, bei jedem einzelnen, vom Nordpol bis zum Südpol, von Ost bis West.

Und zu dieser Grundbelastung kommen neue Schadstoffeinflüsse hinzu, das addiert sich immer weiter“, analysiert die Wissenschaftlerin Colborn. Weltweit hat sich die Zahl der Spermien bei Männern in den letzten 50 Jahren etwa halbiert. Viele Tiere in Seen, Flüssen und Meeren haben schon heute keinen Nachwuchs mehr. Vielleicht müssen wir Menschen die biblische Botschaft „Wachset und mehret euch“ bald aktualisieren durch den Zusatz „solange ihr noch könnt“.

Die dramatisch abnehmende Fruchtbarkeit von Mensch und Tier ist eine noch weitgehend unbeachtete und wenig erforschte Konsequenz der globalen Umweltzerstörung – eine tickende Zeitbombe.

Seit 1900 ist die Weltbevölkerung von 1,6 auf über sieben Milliarden Menschen angewachsen – doch die Wasservorräte sind gleich geblieben. Heute verbraucht jeder und jede von uns in Deutschland pro Tag 122 Liter Wasser. Wasser, das so rein ist, dass man es trinken kann. Aber fürs Kochen und Trinken benötigen wir nur vier Liter pro Tag. 40 Liter Trinkwasser spülen wir täglich pro Kopf die Toilette hinunter, 52 Liter Trinkwasser brauchen wir fürs Baden und Duschen, fürs Waschen und Spülen nochmals 25 Liter Trinkwasser. Amerikaner verbrauchen pro Tag durchschnittlich sogar 400 Liter Wasser, auch sie das meiste für Toilettenspülung und Autowaschen.

In den letzten Jahrzehnten haben wir Menschen mit dem Wasser etwas angestellt, was Jahrmillionen undenkbar war. Wir haben die Natur so zerstört, dass sauberes Wasser immer knapper wird. Seen, Flüsse, Bäche, sogar das Regenwasser sind so stark belastet, dass wir nur über hoch komplizierte, mehrfache chemisch-technische Verfahren Wasser wieder trinkbar machen können.

Kriege um Wasser?

In vielen Ländern der Welt versuchen Politiker den Wassernotstand dadurch zu lösen, dass sie Konzernen die Wasserversorgung übertragen. Aber viele Beispiele zeigen inzwischen, dass weltweit operierende Wasserkonzerne eher am Profit als an der Gesundheit ihrer Kunden interessiert sind. Die UNO hat Wasser zum Menschenrecht erklärt: Deshalb ist für die Wasserversorgung in erster Linie die Politik zuständig.

Der Jordan führt heute nur noch ein Drittel seiner früheren Durchlaufmenge ins Tote Meer. In Syrien, Jordanien, Irak und in ganz Nordafrika trocknen weite Gebiete aus. Vor allem an den Flussläufen werden die Konflikte zunehmen.

Denn

  • 40 Prozent der Weltbevölkerung leben an grenzüberschreitenden Flusssystemen;
  • 120 der 200 größten Ströme beziehen wesentliche Teile ihres Wassers  aus mehr als einem Staat;
  • Treibhauseffekt und Wassermangel führen zur Versalzung der Erde.
  • Die Weltbank befürchtet, dass es bald Kriege ums Wasser geben wird und nennt drei Beispiele eines „Krisenszenarios, das ganz Asien bedroht“:
  • Thailands Hauptstadt Bangkok wird im Jahre 2025 nicht mehr in der Lage sein, den Trinkwasserbedarf seiner Einwohner sicherzustellen;
  • In Indonesiens Hauptstadt Jakarta ist schon heute das Wasser aus dem städtischen Wassernetz mit Fäkalbakterien und Ammoniak verseucht.
  • In der philippinischen Hauptstadt Manila werden in fünf Jahren alle Grundwasserreserven kontaminiert sein. Sind wir noch zu retten?

Wege einer neuen Wasserpolitik

WASSER 2015

Eine Vision für die Zukunft: Wenn der Bundestag ein Wasserspargesetz beschließt, das Bauherren vorschreibt, sparsame Armaturen zu installieren, private Nachrüstungen wie Sparduschen, Wasserspartoiletten, Wasserspar-Waschmaschinen und Wasserspar-Spülmaschinen fördert und Großverbrauchern einen Wasserpfennig abverlangt, dann werden wir bald nur noch halb so viel Wasser verbrauchen wie heute.

Jedes Jahr würde so pro Kopf 25.000 Liter Wasser gespart. In zehn Jahren also 250.000 Liter. Das wären bei einer vierköpfigen Familie eine Million Liter Wasserersparnis ohne Komfort-Einschränkung.

Die Industrie wird – durch politische Bestimmungen – lernen, Wasser zu recyceln. Gebrauchtes Wasser kann zehn- und mehr als zehnmal verwendet werden. Wir brauchen Wasserkreisläufe, wie es die Deutsche Bahn im ICE 3 bei der Toilettenspülung schon heute vormacht. Die Landwirtschaft könnte durch unterirdische Bewässerung ihren Wasserverbrauch um zwei Drittel, die Industrie gar um 90 Prozent senken.

Die Chemiewerke werden in zehn Jahren nur noch Stoffe einsetzen, die sie in ihren Klärwerken abbauen können. Chlor ist in unserem Zukunftsmodell verboten. Durch Kreislaufsysteme wird der Wasserverbrauch bei der Produktion eines Kilogramm Papier auf ein Zehntel gegenüber heute reduziert. Das Kühlwasser der Großkraftwerke darf keine Schwermetalle mehr enthalten. Dezentrale und erneuerbare Energien sorgen dafür, dass die wasserschluckenden Großkraftwerke überflüssig werden.

WASSER 2030

Landwirte verwenden Gülle, Jauche oder Stallmist als Dünger. Wird Gülle nicht mehr wie früher verspritzt, sondern direkt über dünne Schläuche in die Böden eingebracht, kann der Wind das giftige Ammoniak nicht mehr auf Meere und Wälder tragen. Nitrat kann nicht mehr in Boden und Grundwasser gelangen, wenn der Dünger sparsam dosiert wird. Den Dünger liefern übrigens in 25 Jahren nicht mehr die Chemiekonzerne, sondern die eigenen Kühe.

Die chemische Industrie produziert heute 116.000 verschiedene Chemikalien, deren langfristige Auswirkungen auf Wasser und Böden wir zum großen Teil noch gar nicht kennen. Eine Wasserschutzpolitik wird bis 2030 dafür sorgen, dass nur noch Stoffe produziert werden dürfen, die biologisch abbaubar sind oder in die Produktion neu integriert werden können. Wasserkreisläufe müssen sich schließen.

Wenn diese alternative Wasserpolitik konsequent umgesetzt wird, dann ist die Wasserwende bis zum Jahr 2030 vollendet.

Alle technischen Mittel für diese Vision sind vorhanden. Was fehlt, ist ein neues Wasserbewusstsein von unten und eine neue Wasserpolitik von oben. Die Münchner Stadtwerke haben bewiesen, dass es geht und wie es geht. Noch vor 15 Jahren musste die Hälfte des Münchner Trinkwassers aus solchen Tiefen geholt werden, wo das Wasser nur langsam fließt und sich deshalb nur alle 10.000 Jahre wieder reinigt. Verantwortlich für das chemisch stark belastete Oberflächentrinkwasser war die Chemielandwirtschaft. Die Stadtwerke haben vielen Bauern im Münchner Umfeld finanzielle Anreize für den Umstieg auf Biolandwirtschaft geboten.

Jetzt wirtschaften hier überwiegend Biobauern ohne Kunstdünger. Die Qualität des Trinkwassers hat sich entschieden verbessert. Und die Stadtwerke, zu Recht mit dem Wasserpreis der Hundertwasser-Stiftung ausgezeichnet, sparen auch noch Geld. Denn die chemische Reinigung des Münchner Trinkwassers war teurer als die Finanzhilfe für die Biobauern.

Das Rezept heißt sparen, schützen, sanieren.

Wasserschutzgebiet oder Wasserschmutzgebiet?

Eine wertvolle Hilfe ist die Rückbesinnung auf die Vorbilder der Natur. Dort, wo früher natürliche Landschaften mit funktionierenden Gewässersystemen zu finden waren, war in aller Regel auch eine hohe Ästhetik und Harmonie spürbar. Viele Städte verdanken dem Wasser die Qualität und Originalität ihres Stadtbildes: Venedig, Amsterdam, Bergen, Freiburg, Rio de Janeiro, San Francisco, Chicago, Detroit, Aachen, Friedrichshafen, Konstanz, Hamburg und Baden-Baden – zum Beispiel.

Wasser hat einen großen Einfluss auf das Stadtklima und damit auch auf das Wohlbefinden und die Psyche seiner Bewohner. Architekten werden wieder verstehen lernen, dass abfließendes Regenwasser nicht versteckt werden muss. Sein Perlen, sein Strömen kann als natürliches Kunstwerk begriffen werden. Wellenspiele und Lichtreflexionen ermöglichen Stadtbewohnern eine emotionale und bewusste Beziehung zum Naturelement Wasser.

In unseren Stadtbildern der Zukunft sollten Wasserkunstwerke wieder öffentliche Plätze, Gärten und Parks bereichern, offene Rinnen, die mit Regenwasser betrieben werden oder auch Teile des Abwassersystems sind, können –wie in Freiburg schon lange – der Verkehrsberuhigung dienen.

Eine verantwortliche Wasserpolitik muss so konzipiert sein, dass wir unseren Kindern einmal guten Gewissens sagen können: Kinder, das ist euer Wasser! Ihr könnt wieder in den Flüssen baden und schwimmen. In den Flüssen gibt es wieder viele Fische. Und die Fische sind auch nicht mehr krank. Denn wir haben inzwischen gelernt, dass das, was die Fische krank macht, auch die Menschen krank macht.

Wir sollten mit unseren Kindern symbolisch einen Wasser-Generationenvertrag schließen. Wir haben das Wasser nicht von unseren Eltern geerbt – wir haben es von unseren Kindern geliehen.

Für alle Menschen aller Generationen gilt die Erkenntnis: Wasser ist Glück, Wasser ist Wohlstand. Wasser ist aber auch Freiheit, Gerechtigkeit und Geborgenheit.

„Stirbt der Fluss, stirbt das Volk“, sagt ein brasilianisches Sprichwort. Genauso gilt aber auch: Lebt der Fluss, lebt das Volk. Wir haben die Wahl.

Quelle

© Franz Alt 2013

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