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Zunehmende Hilflosigkeit bei den Atom-Nationen in der EU

Elf EU-Staaten haben vor wenigen Tagen eine Nuklear-Allianz für den Ausbau der Atomenergie gegründet.  

Frankreich, die Niederlande, Polen, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Slowenien und die Slowakei wollen stärker kooperieren um die Atomenergie noch weiter auszubauen. Insbesondere „moderne“ kleine und mittlere Atomkraftwerke (SMR), aber auch große Reaktoren, sollen bis 2030 errichtet werden.

Dabei gibt es in Europa doch seit 1957 längst mit Euratom einen atomaren Grundlagenvertrag, der der Atomindustrie im Vergleich zu fossilen oder gar Erneuerbaren Energien bis heute eine ungeheuerlich starke Unterstützung gewährt.

Zu den Zielen Euratoms gehört immer noch der Ausbau einer mächtigen Atomwirtschaft in Europa. Außerdem wird allen Mitgliedstaaten starke Unterstützung für Forschung, Genehmigungen, Know -How-Austausch – bis hin zu finanzieller Unterstützung – gewährt. Es gibt sogar einen eigenen Euratom-Haushalt, der milliardenschwere Kredite in die Atomwirtschaft gibt und von der EU-Kommission verwaltet wird. Dieser Haushalt wird weder vom EU-Parlament noch vom Rat demokratisch kontrolliert.

PLAGE aus Salzburg hatte im Sommer 2021 in einer aktuellen Studie die ungeheuerlichen Privilegien der Atomenergie zusammengetragen, die Euratom allen Mitgliedsstaaten gewährt.

Es gibt keine „Atomrenaissance“ in der Welt

Von der Atomlobby wird seit über einem Jahrzehnt eine „Renaissance“ der Atomenergie ausgerufen. Polemische Attacken in den sozialen Medien der Atombefürworter wie „nur die dummen Deutschen steigen aus der Atomenergie aus“ entbehren jeder Grundlage. Die Fakten zeigen das Gegenteil auf:

Nach einem weltweiten Höchststand im Jahr 2018, mit 437 betriebenen AKWs, ist die Zahl der stromerzeugenden Atomreaktoren weltweit kontinuierlich gesunken. 2022 waren es nur noch 411. Der globale Beitrag zur Stromerzeugung ist erstmals in 2021 wieder unter zehn Prozent gefallen, so der aktuelle World Nuclear Industry Report.

Die Atomwirtschaft befindet sich entgegen der Propaganda der Atomlobby nicht in einer Renaissance, sondern im weltweiten Niedergang. Trotz jahrzehntelanger massiver staatlicher Unterstützung in der EU, China, USA, Russland und anderen Ländern und trotz vereinzelter Inbetriebnahme von AKWs, deren Bau meist schon vor Jahrzehnten begonnen wurde.

Deshalb wird auch der hilflose Versuch dieser elf EU-Staaten ohne  Erfolg sein, denn die grundsätzlichen Nachteile der Atomkraft vor allem gegenüber Erneuerbaren Energien sind auch mit solchen Nuklear-Allianzen nicht zu überwinden. Wem schon die fundamentalen Vorteile eines Euratom-Vertrages nichts bringen, dem wird erst recht keine Nuklear-Allianz weiterhelfen.

Unüberwindbare Nachteile der AKWs verhindern einen großflächigen Ausbau

Atomkraft ist schlicht zu teuer.

Das gilt insbesondere auch für neue kleine und mittlere Atomkraftwerke (SMR).

Die Hoffnungen liegen in den USA nun auch auf SMR z.B. der Firma NUScale.

Auch sie profitiert noch von Präsident Trumps unterzeichnetem Gesetz von 2019 zum Ausbau der Atomenergie.

Ein Konsortium aus Städten in Utah, Idaho, New Mexico und Nevada namens Utah Associated Municipal Power Systems (UAMPS) gab nun grünes Licht für das Budget und den Finanzplan des Projekts, das mit sechs Reaktoren und 462 Megawatt im Jahr 2030 in Betrieb gehen soll.

Sie ließen sich wohl von den Subventionen in Höhe von 1,35 Milliarden US-Dollar blenden, die die US- Regierung gewähren will.

NuScale gab nun im Januar bekannt, dass der Zielpreis für Strom aus der Anlage 89 US-Dollar pro Megawattstunde beträgt, was einem Anstieg von 53 % gegenüber der vorherigen Schätzung von 58 US-Dollar pro MWh entspricht. Damit wird die nukleare Stromerzeugung trotz massiver staatlicher Subventionen extrem teuer.

Zum Vergleich: Im sonnenreichen Südwesten der USA werden heute schon Solarkraftwerke gebaut, die Strom unter 10 US-Dollar pro MWh produzieren. Der Strom aus dem  NUScale Atomkraftwerk soll also etwa achtmal teurer sein als Atomstrom. Wer wird so etwas denn kaufen?

Im Zieljahr des Baus dieser Atomanlage in 2030 wird die Solar- und Windenergie zusammen mit den ausgleichenden Speichern sogar noch deutlich weniger kosten als heute. Dagegen zeigen alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, dass die geplanten Kosten für Atomkraftwerke nie einzuhalten waren, stattdessen sind sie immer gestiegen. Somit wird heute schon klar, dass niemand diesen extrem teuren Atomstrom kaufen wird.

Atomkraft fehlt zunehmend das Kühlwasser

Und ob die AKWs jemals in Betrieb gehen werden, selbst wenn jemand den horrenden Strompreis zahlen will, ist mehr als fraglich. Utah leidet mitsamt seinen Nachbarstaaten seit Jahren an zunehmender Dürre, der größten Trockenheit seit 1200 Jahren. Seen und Flüsse trocknen zum Teil völlig aus.

Wo dann das Kühlwasser für die Atomreaktoren herkommen soll, bleibt das Rätsel der Erbauer von NUscale oder Terrapower. Andere Kühlkonzepte gibt es nur auf dem Reisbrett.

So wird auch die Nuklear-Allianz der elf EU Staaten wohl alleine schon am fehlenden Kühlwasser scheitern. Denn auch in weiten Teilen der EU nehmen Dürren katastrophale Ausmaße an.

Frankreich, der Anführer dieser Nuklear-Allianz, hat mit einer nie dagewesenen Winterdürre zu kämpfen. Im sonst regenreichen französischen Winter ist dieses Jahr kaum Regen gefallen und das nach einer Rekorddürre im letzten Sommer.

Bereits im letzten Sommer standen in Frankreich – zum Einen wegen Reparaturen an den alten maroden Reaktoren und zum Anderen wegen Kühlwassermangels – zeitweilig die Hälfte der 56 Atomkraftwerke still. Insbesondere die starke deutsche Solar- und Windstromproduktion half Frankreich vor einem Blackout.

Frankreichs Kernkraftwerke machen allein 30 Prozent des nationalen Wasserverbrauchs aus, was in Zeiten von Dürre und Wassermangel besonders ins Gewicht fällt.

Nun kommt zu den Sommerdürren noch die Winterdürre. Was wird wohl im Sommer 2023 los sein? Französische AKWs werden möglicherweise noch aufgrund von Kühlwassermangel abgeschaltet.

Und gleichzeitig schmelzen die Alpengletscher im Rekordtempo.

Viele kleinere Gletscher sind schon längst verschwunden und spenden im Sommer kein Wasser mehr in die Flüsse. Die großen Gletscher wie Aletsch oder Rhone Gletscher schmelzen ebenfalls im Rekordtempo. Ob sie im Jahre 2050 überhaupt noch nennenswert Sommerwasser liefern ist kaum mehr zu erwarten.

Doch bis dahin will Präsident Macron seine neuen Atomkraftwerke fertig haben. Kühlwasser werden diese dann sicherlich nicht ausreichend haben und vor allem im Sommer still stehen müssen.

Atomkraft in der EU finanziert russischen Krieg und atomare Aufrüstung

In der EU wird viel davon geredet, dass Russlands Kriegsfinanzierung beendet werden müsse. Gerade wurde ein neues Sanktionspaket erlassen.

Doch die fundamentale Abhängigkeit der EU-Atomkraftwerke ist davon nicht betroffen. Alleine der französische Atomkonzern EDF hat im letzten Jahr mindestens 345 Millionen Euro an den russischen Atomkonzern Rosatom gezahlt und so den Krieg in der Ukraine und die Aufrüstung im russischen Atomwaffenarsenal erheblich mitfinanziert. Die Furcht vor einem russischen Atomschlag wird viel diskutiert, aber die russische Atomwaffenfinanzierung wird weiter aus der EU befördert. So hat Rosatom auch die Aufsicht über die russischen Atomwaffen – dennoch gibt es keine EU-Sanktionen gegen das russische Unternehmen – wie z.B. den Boykott von russischen Brennelemente-Lieferungen.

Der Grund ist klar: Ein Boykott würde schnell zum weitgehenden Stillstand der Atomkraft in der EU führen. Die im Erdgassektor weit beklagte Abhängigkeit von russischer Energie ist im Atomsektor noch viel höher. Die Nuklear-Allianz der elf EU-Staaten ist auf dem besten Wege diese russische Atom-Abhängigkeit immer weiter zu verstärken, so wie dies einst Kanzlerin Merkel zusammen mit Vizekanzler Scholz im Erdgassektor taten. Wo bleiben die Einsprüche ihrer Parteikollegin, der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, gegen die EU-Abhängigkeit von Rosatom?

Die Nuklear-Allianz der 11 EU-Staaten ist schlichtweg blind für alle diese gravierenden Probleme. Schon alleine aus Kostengründen, Abhängigkeit von Rosatom und künftig fehlendem Kühlwasser werden sie nicht erfolgreich sein können. Von anderen Problemen wie der Sicherheit und fehlender Atommüllentsorgung ganz zu schweigen.

Die Nuklear-Allianz wird so erfolglos bleiben, wie schon die herbeigeredete weltweite „Renaissance“ der Atomkraft im letzten Jahrzehnt.

Der größte Schaden dieser europäischen Nuklear-Allianz ist aber, dass sie zig Milliarden Steuergelder vergeuden wird, die wir dringend für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien bräuchten. Diese sind bereits heute schon viel kostengünstiger als Atomstrom und können – wenn wir 100% Erneuerbare Energien bis 2030 umsetzen – noch nennenswert den Klimawandel bekämpfen, damit die Wasserprobleme durch Dürren und Gletscherschmelze uns nicht gänzlich unsere Lebensgrundlagen rauben.

Quelle

Hans-Josef Fell 2023 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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