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© pixabay.com |Michal Jarmoluk | Immer häufiger werden Arzneimittelrückstände in Gewässern und Böden nachgewiesen und führen dort schon in geringen Konzentrationen zu einer kontinuierlichen Belastung.

Arzneimittelrückstände in der Umwelt

BUND fordert Umweltprüfung und „Green Pharmacy“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert die Bundesregierung auf, die Belastungen durch Arzneimittelrückstände in der Umwelt zu reduzieren. Zwar sind Arzneimittel segensreich für die menschliche Gesundheit, gleichwohl jedoch hochaktive Stoffe, die vor allem über die Ausscheidungen behandelter Menschen und Tiere zunehmend in der Umwelt verteilt werden. Hier reichern sich die Stoffe an und schädigen die Artenvielfalt in Gewässern und Böden.

„Die Bundesregierung und die Europäische Kommission dürfen die Situation nicht länger nur beobachten, sondern müssen dafür sorgen, dass alle gesellschaftlichen Bereiche dazu beitragen, die Umwelt von diesen gefährlichen Arzneimittelrückständen zu entlasten“, erklärt Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin Politik und Kommunikation. „Medikamente, die vor 2006 zugelassen wurden, müssen einer Umweltprüfung unterzogen werden und bei vorhandenen Risiken vom Markt genommen werden.“

Immer häufiger werden Arzneimittelrückstände in Gewässern und Böden nachgewiesen und führen dort schon in geringen Konzentrationen zu einer kontinuierlichen Belastung. Für mehrere Wirkstoffe werden die Umweltqualitätsnormen für Gewässer überschritten, das heißt eine Schädigung von Wasserorganismen ist nicht auszuschließen. Dabei nimmt – auch wegen der demographischen Entwicklung – der Konsum von Arzneimitteln zu: Im Jahr 2012 lag nach Angaben des Umweltbundesamtes der Verbrauch an Humanarzneimitteln bei circa 30.000 Tonnen mit 2300 Wirkstoffen. Mit einer Zunahme um 30 bis 70 Prozent in den nächsten 25 Jahren wird gerechnet.

„Wir müssen erkennen, dass Arzneimittel-Wirkstoffe gefährliche Stoffe für die Umwelt sind. Sie sind oft langlebig und giftig und gefährden damit die biologische Vielfalt in Wasser und Boden“, sagt Klaus Günter Steinhäuser, stellvertretender Sprecher des BUND-Arbeitskreises Umweltchemikalien und Toxikologie. „Wir müssen alles tun, um die Umwelt vor diesen Chemikalien und ihren Folgen zu schützen. Hierzu zählt auch eine verstärkte Forschung in Wirkstoffe, die in der Umwelt rasch zerfallen, aber bei der Bekämpfung von Krankheiten genauso wirksam sind. Das Stichwort lautet ‚Green Pharmacy‘.“

Auch Tieren werden Arzneimittel verabreicht. Ohne den intensiven Einsatz von Tierarzneimitteln wäre die verbreitete Massentierhaltung nicht denkbar. Besonders problematisch ist der umfangreiche Einsatz von Antibiotika: Obwohl die Anwendung in den vergangenen zehn Jahren zurückging, ist sie mit 670 Tonnen im Jahr 2019 immer noch etwa genauso hoch wie bei den Humanarzneimitteln.

Dabei kommen auch Reserve- und Breitband-Antibiotika zum Einsatz, dies stellt zunehmend eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Denn die Ausscheidungen der Tiere werden als Gülle über die Felder verteilt. Dabei gelangen nicht nur die Rückstände der schwer abbaubaren und für Umweltorganismen giftigen Wirkstoffe in die Umwelt, sondern wird diese auch zunehmend mit Antibiotika-resistenten Keimen belastet. Die Zunahme der resistenten Krankheitserreger erschwert immer mehr die Behandlung bakterieller Erkrankungen beim Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die zunehmende Verbreitung der Antibiotikaresistenzen zu den drängendsten globalen Gesundheitsproblemen.

  • Hintergrund: Der BUND fordert in einem Positionspapier ein Maßnahmenpaket zur Reduktion der Umweltbelastungen durch Arzneimittel. Hierzu zählen:
    • Die Umweltprüfung von Arzneimitteln darf nicht länger zahnlos sein. Sogenannte „Altarzneimittel“, die vor 2006 zugelassen wurden, müssen geprüft und bei vorhandenen Risiken vom Markt genommen werden.
    • Ein Umbau der Nutztierhaltung ist nicht nur aus Tierschutzgründen notwendig, damit künftig weniger Antibiotika eingesetzt werden und die Umweltbelastung durch Pharmaka verringert wird. Reserveantibiotika in der Tierhaltung sind zu verbieten. 
    • Ärzt*innen und Apotheker*innen müssen gezielt über die Umweltrisiken der Arzneimittel fortgebildet werden. Ein Umweltklassifikationssystem soll es ihnen ermöglichen – wo therapeutisch vertretbar – weniger umweltbelastende Arzneimittel zu verabreichen.
    • Ein Sammelsystem bei den Apotheken sorgt für eine fachgerechte Entsorgung von Arzneimittelresten und vermeidet, dass diese über Toiletten ins Abwasser gelangen.
    • Bei hohen Belastungen sind Abwasserteilströme zum Beispiel aus Krankenhäusern vor Einleitung in die Kanalisation zu behandeln. Große Kläranlagen mit deutlicher Arzneimittelbelastung sind auszubauen, damit sie effektiv die Arzneimittelkonzentrationen reduzieren (4. Reinigungsstufe).
    • Das Umweltmonitoring von Arzneimitteln und resistenten Keimen ist auszubauen.
    • Ein Werbeverbot für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (zum Beispiel Schmerzmittel) soll verhindern, dass Medikamente als Lifestyle-Drogen eingenommen werden. Die Gesundheitsprävention hilft die Einnahme von Medikamenten zu verringern.
  • Arzneimittel in der Umwelt (PDF)
  • Audio (Experten-Interview: 5:46 Minuten) zum Thema mit Klaus Günter Steinhäuser (Alle O-Töne des BUND können Sie als mp3-Datei herunterladen, bearbeiten und lizenzfrei für Medienberichte verwenden)
Quelle

BUND 2020

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