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Die Stadt als Schwamm: Von der Hitzeinsel zum Wasserspeicher

Im Projekt PeriSponge entwickelt ein Team um Eva Schwab vom Institut für Städtebau einen evidenzbasierten Werkzeugkasten, mit dem Gemeinden Bodenversiegelung und damit das Überschwemmungsrisiko minimieren können.

Aller Initiativen und Debatten zum Trotz steigt der Flächenverbrauch in Österreich nahezu ungebremst. Im vergangenen Jahr lag er bei zwölf Hektar – pro Tag. Knapp die Hälfte davon wurde versiegelt, also überbaut, asphaltiert oder gepflastert. Das entspricht acht Fußballfeldern, die sich im Sommer auf bis zu 50 Grad Celsius aufheizen können und wo Regen nicht versickern kann. Derart versiegelte Flächen führen zu Hitzeinseln und steigern das Überschwemmungsrisiko bei Starkregen.

Im Inneren der Städte ist nahezu jeder Quadratmeter genutzt, daher kommen neu versiegelte Flächen vor allem am Stadtrand hinzu, im so genannten peri-urbanen Raum: „Das prägende Element ist hier die Verkehrsinfrastruktur mit Straßen und Parkplätzen. Alles andere wird praktisch drumherum etabliert“, sagt Eva Schwab vom Institut für Städtebau der TU Graz. Oft sind dies Gewerbeflächen und Baumärkte, an Grün- und Gewässerflächen wird zu wenig gedacht. Peri-urbane Räume sind dadurch oft fragmentiert und in ihrem Funktionsmix aus großflächigem Gewerbe, Wohnen und Verkehrsinfrastruktur unwirtlich.

Eva Schwab vom Institut für Städtebau entwickelt in ihrem Forschungsprojekt PeriSponge Methoden und idealtypische Vorgehensweisen, mit denen Gemeinden Versiegelung in bestehenden und neuen Quartieren minimieren können. (Bildquelle: Fotogenia/PeriSponge)

Topographie, Bodenbeschaffenheit und Kontaminationen als Einflussfaktoren

Dabei können urbane und peri-urbane Räume auch anders gestaltet werden – mit minimaler Versiegelung und ausreichend Flächen, auf denen Büsche und Bäume Schatten spenden. An geeigneten Stellen werden Mulden geschaffen, wo sich Regenwasser sammeln und in den Untergrund versickern kann. So kann der städtische Raum mehr Wasser aufnehmen und langsam über die Vegetation an die Umgebung zurückgeben – wie ein Schwamm. Das Prinzip ist schon länger bekannt, doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. „Das Schwammstadtkonzept muss auf die lokalen Gegebenheiten angepasst werden“, sagt Eva Schwab. Wichtige Faktoren sind unter anderem die Topographie, der Grundwasserstand, die Bodenbeschaffenheit und mögliche Kontaminationen. „Ist beispielsweise der Untergrund wasserstauend, kommt eine Versickerungsfläche nicht in Frage“, sagt Schwab. Als Alternative eignet sich in so einem Fall aber vielleicht ein kleiner Teich, der im Sommer durch Verdunstung die Umgebung kühlen kann. Oder das Regenwasser kann an einen anderen Ort abgeleitet werden, wo es versickern kann.

Wie sich diese Konzepte in der Realität umsetzen lassen, erforscht Eva Schwab im Projekt PeriSponge, an dem auch das Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau der TU Graz beteiligt ist. PeriSponge arbeitet mit den Städten Feldbach, Wels und Feldkirchen zusammen und entwickelt dort jeweils maßgeschneiderte grün-blaue, also vegetations- und wasserbezogene Maßnahmen. Für das Projektkonsortium konnten zahlreiche Expert*innen gewonnen werden, um den notwenigen integralen Ansatz in der Planung und Gestaltung zu gewährleisten. Die Planer*innen von Verkehrplus liefern wichtige aktuelle Verkehrsdaten, auf deren Basis z. B. Straßenbreiten überdacht werden können. bgmr Landschaftsarchitekten aus Berlin haben das Gestaltungskonzept für das Pilotprojekt in Feldbach erarbeitet, an dem auch Grün statt Grau mit Know-how zu Gebäudebegrünung beteiligt ist. Die Grazer Landschaftsplanerin Maria Baumgartner bringt ihre langjährige Erfahrung in Beteiligungsverfahren in die Kommunikation mit den Feldbacher Bürger*innen ein, um praktisches Erleben, Ideen und Sorgen in die Planung aufnehmen zu können.

Sieben Maßnahmen in Feldbach

In Voruntersuchungen wurden in Feldbach, Wels und Feldkirchen neuralgische Punkte gefunden, an denen es häufig zu Kanalüberlastungen, Überschwemmungen oder Hitzestau kommt. Gemeinsam mit Politik, Verwaltung, aber auch Anwohner*innen und Gewerbetreibenden diskutierten die Forschenden anschließend grün-blaue Maßnahmen, die die lokalen Probleme bestmöglich mildern oder gar beseitigen können. In Feldbach etwa werden auf einem 300 Meter langen Straßenabschnitt insgesamt sieben Maßnahmen umgesetzt: einzelne Gebäude werden vom Kanalnetz abgekoppelt, so dass das Regenwasser auf dem Grundstück versickert; die Straßenbreite wird reduziert, um Platz für Grünstreifen zu gewinnen; Parkplätze bekommen durchlässige Oberflächen und am Friedhof fallen einige Parkplätze weg, um Bäume pflanzen zu können.

Wenn die Bau- und Pflanzarbeiten abgeschlossen sind, wird Schwabs Team im letzten Projektjahr detailliert messen, wie sich das Mikroklima geändert hat, wie viel Wasser nun versickert, aber auch ob die Grünflächen sowie die Fuß- und Radwege häufiger frequentiert werden als zuvor.

Aufbauend auf den Ergebnissen aus Feldbach, Wels und Feldkirchen möchte Schwab eine Toolbox erstellen, aus der sich andere Gemeinden bedienen können, wenn sie grün-blaue Maßnahmen umsetzen möchten. Diese Tools umfassen einerseits Informationen zu den (landschafts-)baulichen Maßnahmen, wie diese technisch umzusetzen sind, für welche Standorte sie geeignet sind und welche Effekte sie haben. „Zum anderen bezieht sich unsere Toolbox auf das Projektmanagement“, sagt Eva Schwab, „Wie sollte eine Gemeinde solch einen Prozess angehen? Wen sollte sie einbeziehen? Was sind kritische Momente in der Kommunikation?“ Im Rahmen von PeriSponge wird dazu ein idealtypisches Vorgehen ausgearbeitet.

Bedarf an diesem systematischen Planungswerkzeugkasten dürfte in vielen Gemeinden in Österreich und auch darüber hinaus bestehen. „Denn Wasser“, sagt Eva Schwab, „ist nicht etwas, das schnellstmöglich weggeleitet werden muss. Wir müssen es auf intelligente Weise in der Stadt halten, um es nutzen zu können: gegen die Hitze und für mehr Lebensqualität.“

Quelle

TU Graz | Graz University of Technology 2023 | Philipp Jarke

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