Klimabedingte Schäden und Verluste: Die politische Herausforderung annehmen und gerecht lösen
Im August diesen Jahres haben verheerende Überschwemmungen und Erdrutsche, ausgelöst durch ungewöhnlich starken Monsunregen, in Asien zahlreichen Menschen das Leben gekostet.
Vor allem in Myanmar wurden hunderttausende Häuser sowie Straßen zerstört und Reisfelder überflutet. Der Weltklimarat (IPCC) warnt in seinem aktuellen Bericht, dass durch den Klimawandel solche und andere Wetterextreme an Dauer und Intensität zukünftig noch zunehmen (IPCC 2014b). Damit werden auch klimabedingte „Schäden und Verluste“ (engl. Loss and Damage, L&D) wachsen, sei es in der Folge von Wetterextremen oder aufgrund von langsam voranschreitenden Klimaveränderungen, die Gletscher schmelzen, Dauerfrostböden auftauen oder den Meeresspiegel steigen lassen.
Das Ausmaß der Folgen hängt von zwei Faktoren ab: den Anstrengungen zur Emissionsminderung sowie den Erfolgen bei Klimaanpassung und Klimarisikomanagement. Beides steht im Zentrum der 1992 verabschiedeten UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), die das Ziel verfolgt, die „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird“ (UNFCCC 1992). Weil die Emissionen aus Vergangenheit und Gegenwart bereits ein bestimmtes Maß an klimabedingten Schäden bedingen (vgl. Warner/Zakieldeen 2012), ist Emissionsminderung allein keine hinreichende Antwort. Und auch künftig wird es nicht möglich sein, Folgeschäden des Klimawandels vollständig zu vermeiden, selbst wenn die Treibhausgasemissionen schnell und vollständig zurückgeführt werden. Da die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel ebenfalls an natürliche, technische und wirtschaftliche Grenzen stößt (vgl. IPCC 2007, Kapitel 17.4.2), komme es zu Schäden und Verlusten.
Abschätzungen über die künftige geographische Verteilung sowie das Ausmaß klimabedingter Schäden und Verluste ‒ etwa auf Grundlage der Klimaszenarien des IPCC ‒ sind bislang noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Die aktuellen Trends, wissenschaftlichen Erkenntnisse und Risikofaktoren sind Gegenstand des ersten Kapitels dieser Publikation.
Es ist schon heute absehbar, dass eine zunehmende Zahl von Menschen in besonders verwundbaren Regionen wie Ozeanien, Südostasien, Zentralamerika und der südlichen Sahelzone durch den Klimawandel vor unlösbare Probleme gestellt wird. Ob der Auslöser nun zunehmende Dürren wie im afrikanischen Mali oder der Meeresspiegelanstieg wie in Kiribati sind – die Betroffenen müssen ihre Heimat verlassen. Wie wenig Unterstützung sie bislang erfahren und worin die politischen Herausforderungen liegen, beschreibt das zweite Kapitel.
Nicht nur klimabedingte Migration ist fast ein politisches Tabu: Grundsätzlich tut sich die internationale Klimapolitik sehr schwer mit dem Thema klimabedingter Schäden und Verluste. Warum das so ist und wo die Konfliktlinien verlaufen, welche Fortschritte es dennoch gibt und was von der Zukunft erwartet werden kann, wird im dritten Kapitel analysiert.
Neben den internationalen Verhandlungen unter dem Dach der Klimarahmenkonvention gibt es weitere Foren der internationalen Politik innerhalb wie außerhalb der Vereinten Nationen, die sich damit befassen, Klimarisiken zu begrenzen, Schäden und Verluste besser abzusichern, Migrantinnen und Migranten zu schützen und menschenrechtsbasierten Prinzipien mehr Geltung zu verschaffen. Hiervon handelt das vierte Kapitel.
Weil internationale Instrumente bislang aber nur sehr begrenzt wirken, sind die betroffenen Länder bei der Bewältigung von Klimarisiken noch weitgehend auf sich gestellt. Wie gehen die verwundbarsten Staaten mit dieser Herausforderung um? Gibt es positive Beispiele und was kann man aus den bisherigen Erfahrungen lernen? Das fünfte Kapitel geht dem insbesondere anhand der Südseeinsel Fidschi und dem zentralamerikanischen El Salvador nach.
Nachdem die Herausforderungen durch zunehmende Klimarisiken dargestellt und die unzureichende Lösungskapazität bestehender internationaler und nationaler Instrumente analysiert worden sind, identifiziert das sechste Kapitel als Zwischenfazit eine akut bestehende und potentiell wachsende „Klimarisikolücke“. Im weiteren Verlauf des Kapitels steht die Frage im Mittelpunkt, wie diese Lücke geschlossen werden kann.
Hier kommt es zu einem Wechsel des methodischen Ansatzes: Während die ersten fünf Kapitel neben eigenen Erfahrungen sowie denjenigen von Partnerorganisationen im Wesentlichen auf einer Analyse der internationalen Fachliteratur sowie relevanter Politikdokumente beruhen, basieren das sechste sowie die folgenden Kapitel maßgeblich auf den Ergebnissen einer Befragung von fünfzehn Expertinnen und Experten, die mit dem Thema seit langem und in herausgehobenen Positionen in Regierungen, Fachorganisationen, Wissenschaft oder NGOs befasst sind. Alle Interviews wurden im Frühsommer 2015 geführt und die Ergebnisse vereinbarungsgemäß anonymisiert. Eigene Analysen runden das Bild ab.
Unter Berücksichtigung der bis Anfang September vorliegenden Politikdokumente aus dem UNFCCC-Prozess widmet sich das siebte Kapitel der Frage, mit welchen Erwartungen und Anforderungen zum politisch kontroversen Thema klimabedingter Schäden und Verluste die unterschiedlichen Staaten in die Pariser Klimakonferenz im Dezember 2015 gehen. Basierend auf dieser Analyse werden Möglichkeiten diskutiert, wie das Thema und insbesondere der Internationale Warschau-Mechanismus im Pariser Abkommen so verankert werden können, dass darauf aufbauend in den Folgejahren Ergebnisse erzielt werden, die dazu beitragen, die Klimarisikolücke zu schließen.
Das achte Kapitel schließt ab mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und sieben politischen Handlungsempfehlungen. Sie legen dar, was zu tun ist, um Klimarisiken zu minimieren, Schäden und Verluste auszugleichen und Migration besser zu bewältigen ‒ angeleitet von dem Vorsatz, hierbei dem Verursacher-, Solidar- und Gerechtigkeitsprinzip besser Geltung zu verschaffen. […]