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© Fotolia.com | Ian Brodie | Will Deutschlands Chemieindustrie den Klimaschutz und damit ihre eigene Zukunft ausbremsen?

Studie von KfW und Deloitte: Unternehmen mit Klimaschutz sind erfolgreicher

Dass es noch keine globale CO2-Bepreisung gibt, ist für die staatliche Förderbank KfW kein Grund, regionale Systeme wie den europäischen Emissionshandel abzuschaffen. Gründe dafür legten jetzt die Bank und die Beratungsgesellschaft Deloitte vor.

Die Bleiweste macht in der deutschen Industrie gerade Karriere. Anfang Oktober beklagte der Chef des Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, in einem FAZ-Interview, andere Länder seien erfolgreicher, weil sie ohne die Bleiweste einer zusätzlichen CO2-Gebühr arbeiteten.

Am Tag nach dem gut platzierten Interview zog die Bleiweste auf dem Klimakongress der deutschen Industrie Kreise. Die Weste müsse weg, pflichtete BASF-Vorstandschef Markus Kamieth Kullmann bei. 

Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Jung, versicherte seinerseits, die Regierung arbeite daran, die Bleiweste mit einer Reform des europäischen Emissionshandels quasi in ein dünnes Hemdchen zu verwandeln.

Der Evonik-Chef durfte jetzt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung nachlegen und wetterte mit ziemlich genau denselben Worten gegen die angebliche Bleiweste.

Auch wenn eine These häufig wiederholt wird, muss sie nicht wahrer werden, das ist bekannt. Eine jetzt von der staatlichen Förderbank KfW zusammen mit der weltgrößten Beratungsgesellschaft Deloitte explizit zur Weltklimakonferenz vorgelegte Studie sieht jedenfalls in Klimaschutz keineswegs eine Bleiweste, sondern vielmehr eine Art Rüstung, die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der deutschen Wirtschaft stärkt.

KfW: Klimaschutz lohnt sich auch volkswirtschaftlich

Die Fakten sprechen da für KfW-Vorstandschef Stefan Wintels eine klare Sprache. „Unternehmen, die in Klimaschutz investieren, sind erfolgreicher“, erklärte Wintels bei der Studienpräsentation zu Wochenbeginn wörtlich, und man weiß nicht, ob er dabei auch die Äußerungen des Evonik-Chefs im Sinn hatte.

Gründe für den Mehrerfolg mit Klimaschutz hatte der KfW-Chef einige parat. So profitierten die Unternehmen, weil sie besser auf Risiken vorbereitet seien, und sie verfügten über mehr Resilienz, weil sie von schwankenden Energie- und CO2-Preisen weniger abhängig würden. Auch biete Klimaschutz Potenzial für sinkende Kosten, etwa mit dem Einsatz erneuerbarer Energien sowie mit Speichertechnologien.

„Klimaschutz ist kein Wachstumshindernis, sondern ein Schlüssel zu Innovationen, starken Märkten und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit“, bilanzierte der KfW-Chef.

Wintels wies auch auf entsprechende weltweite Trends hin. Die globalen Investitionen in saubere Energien seien mit jährlich rund zwei Billionen US-Dollar inzwischen doppelt so hoch wie die Investitionen in fossile Energien – während es vor zehn Jahren noch umgekehrt gewesen sei.

Weil die absehbaren Kosten des Nichthandelns mittlerweile die nötigen Investitionen zur Begrenzung des Klimawandels deutlich überstiegen, lohnten sich Investitionen in Klimaschutz auch volkswirtschaftlich, hob der KfW-Vorstandschef hervor. Dieser Aspekt komme in der öffentlichen Diskussion häufig zu kurz, bedauerte Wintels.

Laut der Studie summierten sich allein in den letzten fünf Jahren die klimabedingten Schäden weltweit auf mehr als eine Billion US-Dollar.

Hohe Energiepreise bleiben eine Belastung

Diese Schäden beträfen Unternehmen oft auch ganz direkt, machte Hans-Jürgen Walter von Deloitte bei der Präsentation deutlich. Nach seinen Angaben sind bereits zwei Drittel der Unternehmen in der EU von physischen Schäden und Risiken betroffen.

„Jede Verzögerung bei der Emissionsreduzierung in der Gegenwart wird Unternehmen in Zukunft in wirtschaftlicher Hinsicht teuer zu stehen kommen“, betonte der Finanzexperte.

Natürlich muss auch in den Augen von KfW und Deloitte die Klimaschutz-„Rüstung“ hier und da verstärkt oder umgebaut werden, darunter bei den Energiekosten.

Auch wenn der Ausbau der Erneuerbaren vorangehe und einzelne Kosten sänken, würden die Systemkosten für Netz, Speicherung und Steuerung den Strompreis auf absehbare Zeit höher halten als in anderen Ländern, räumte KfW-Chef Wintels ein.

Die vergleichsweise hohen Energiepreise sieht auch er als eine Belastung für den Standort Deutschland. Die Wirtschaftspolitik müsse hier gegensteuern, zum Beispiel durch die Senkung der Stromsteuer und gezielte Ausgleichsmaßnahmen, um Deutschland für energieintensive Industrien attraktiv zu halten und den Transformationsprozess abzusichern.

Was die gerade von der Chemiebranche so sehr beklagte CO2-Bepreisung angeht, plädiert die KfW-Deloitte-Studie nicht fürs Aussetzen oder Abschaffen, sondern hebt die ursprüngliche Idee des Zusammenspiels von CO2-Preis und Emissionshandel hervor.

Dieser Ansatz schaffe Anreize, die Emissionen dort zu reduzieren, wo dies besonders kosteneffizient erreichbar ist, betont die Studie. Zugleich steige so die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten, da deren Verwendung wirtschaftlich attraktiver wird. Das erleichtere wiederum mögliche Geschäfte auf grünen Märkten.

Europäische CO2-Bepreisung als „zweitbeste Lösung“

KfW und Deloitte sprechen sich damit für eine sogenannte „anreizkombatible CO2-Bepreisung“ aus. Beim CO2-Preis komme es darauf an, dass er einem verlässlichen, planbaren Pfad folge, um Investitionsanreize für die privaten Investoren zu bieten, erläutert Finanzexperte Walter. „Angesichts der langen Investitionshorizonte ist langfristige Planbarkeit hier besonders wichtig“, sagt er auf Nachfrage von Klimareporter°.

In der Studie wird auch klargestellt, dass die aktuellen CO2-Preise die tatsächlichen sozialen Kosten der Emissionen noch nicht vollständig widerspiegeln. Zudem profitierten Technologien, die fossile Brennstoffe nutzen, wie Verbrennungsmotoren und herkömmlicher Flugkraftstoff, derzeit von erheblichen Subventionen sowie einem künstlich niedrig gehaltenen CO2-Preis, wird kritisiert.

Würden dagegen bei der Bepreisung die tatsächlichen Kosten der CO2-Emissionen angemessen berücksichtigt, falle die wirtschaftliche Abwägung deutlich zugunsten sauberer Technologien wie erneuerbarer Energien, Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen aus, sind sich die Studienautoren sicher.

Dabei sehen die staatliche Förderbank und die Berater von Deloitte auch, dass eine globale Lösung mit fairen CO2-Preisen noch „in weiter Ferne“ liegt, wie sie schreiben. Regionale CO2-Bepreisungen wie das EU-Emissionshandelssystem könnten deswegen höhere Kosten für Unternehmen in diesen Regionen bedeuten und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte verringern, räumt die Studie ein.

KfW und Deloitte plädieren dennoch im Sinne einer zweitbesten Lösung, wie sie es nennen, für einen ambitionierten regionalen CO2-Preis, kombiniert mit zusätzlichen kosten- oder risikomindernden Maßnahmen für grüne Technologien.

Das könnten laut Studie internationale Handelsabkommen mit einheitlichen Standards und CO2‑Preis-Strategien sein. Hilfreich sei auch der ab 2026 geplante EU-Grenzausgleich für CO2-Emissionen (CBAM), mit dem unter anderem die geringeren CO2-Kosten importierter Waren ausgeglichen werden sollen.

Unabhängig von der zweitbesten Lösung sieht sich die Chemieindustrie aus Sicht des Deloitte-Experten Walter noch dem besonderen Problem gegenüber, dass CO2 hier nicht nur einen emittierten Stoff darstelle, sondern auch einen Rohstoff. Die hiesige Branche müsse deswegen schauen, wie sie zu einer ausgeglichenen Umweltbilanz komme.

Zuerst müsste die deutsche Industrie, die Chemie eingeschlossen, vermutlich erst einmal wieder ein ausgeglichenes Verhältnis zur CO2-Bepreisung bekommen und die argumentative Bleiweste ablegen.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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