Die Kuh – als Methan-Produzentin jetzt ein Auslaufmodell?
Ein Tierkundler in den USA hat eine Methode gefunden, mit der Kühe viel weniger Methan ausstossen.
Die Kuh gehört, neben Hund, Schaf und Ziege, zu den ältesten Begleitern der Menschen. Fleisch, Milch, Butter und Käse – woher nehmen, wenn nicht von der Kuh? In der Klima-Diskussion ist die Kuh aber harter Kritik ausgesetzt, weil sie zum klimaschädlichen Methan einen substanziellen Anteil liefert. Sich vegan ernährende Leute haben die Kuh deshalb bereits als verzichtbar abgeschrieben. Aber auch die Verteidiger der Kuh werden gelesen und gehört: Das Buch «Die Kuh ist kein Klima-Killer; Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können» von Anita Idel ist bereits in der siebten Auflage erschienen. Und auch die Wissenschaft kümmert sich jetzt intensiv um das Problem mit dem Methan von der Kuh, wie der hier folgende Artikel zeigt. (Weitere Buch-Empfehlungen zum Thema Kuh am Schluss des Artikels.)
1,5 Milliarden Stück Rindvieh gibt es auf der Welt. Ihr Verdauungssystem ist eine ständige Quelle von Methan, dem nach CO2 wichtigsten Klimagas. Methan ist etwa 30mal wirksamer als CO2, wenn auch nicht so langlebig. Um den Klimawandel zu bremsen, müssen diese Emissionen dringend reduziert werden.
Forscher machen sich dazu seit Jahren Gedanken. Verzichtete die Menschheit auf einen guten Teil ihres Milch- und Fleischkonsums, wäre viel gewonnen, sagen Ernährungsexperten, denn ein guter Teil des nicht-natürlich produzierten Methans stammt von Vieh.
Andere Ansätze umfassen die Behandlung von Kühen mit Mikroben, um deren Verdauung auf Trab zu bringen, die Züchtung methanarmer Rassen, eine jährliche Anti-Methan-Impfung oder eine genetische Veränderung. So würde Viehzucht vielleicht wenigstens weniger schädlich.
Kühe auf Methan-Diät
Ermias Kebreab, der an der University of California forscht, hat den konventionellen Weg eingeschlagen – mit beachtlichem Erfolg. Durch einen simplen Zusatz von Seegras zum Futter von Kühen konnte er die Methanproduktion bei der Verdauung um mehr als die Hälfte reduzieren.
Der Tierkundler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Ernährung von Rindern. Bisherige Versuche verschiedener Forscher mit der Nahrungszusammensetzung von Kühen haben eine Methaneinsparung von 30 bis 40 Prozent ergeben. Bis Kebreab auf Asparagopsis stiess, eine rote Alge. Mit nur einem halben bis einem Prozent der Alge im Futter sank der Methanausstoss von Kühen um bis zu 67 Prozent, sagt der Wissenschaftler, der seine Ergebnisse im «Journal of Cleaner Production» publiziert hat.
Für das Klima ist das eine wichtige Entdeckung. Mindestens die Hälfte des Methans in der Athmosphäre wird von Menschen produziert. Es entsteht vor allem bei der Energieerzeugung, im Ackerbau und in der Viehzucht. Davon wiederrum verursachen Wiederkäuer den grössten Anteil. Die grössten Produzenten sind China, Indien, Russland und die USA – Länder mit umfangreicher Viehwirtschaft. Für das Erreichen der Klimaziele nach dem Klimaabkommen von Paris 2015 ist es wesentlich, dass die Methankonzentration schnell verringert wird.
Kebreabs Probanden wissen davon wahrscheinlich nichts. Die zwölf Holstein-Kühe, von denen er im vergangenen Jahr einige auf «Algen-Diät» gesetzt hat, wurden genau überwacht – von ihren Nahrungsportionen bis zur Qualität der Milch. Jeweils vier Kühe bekamen Futter mit vielen Algen, weniger Algen und Standardfutter ohne Zusatz. Mehrmals am Tag prüften die Forscher die Atemluft der Kühe, um den Effekt festzustellen. Die Wiederkäuer werden nämlich mehr als 90 Prozent des Gases mit der Atemluft wieder los. Es sind nicht die Kuhfürze, sondern vor allem Rülpser der Kühe, die das Klima bedrohen.
Wo es welches gab, frassen Kühe schon immer Seegras
Ganz so revolutionär ist es übrigens nicht, Kühe mit Algen und Seegras zu füttern. Dort, wo es natürlich vorkommt, kam das schon immer vor. Der Umweltwissenschaftler Rob Kinley hat im Reagenzglas mehrere Algenarten auf ihre Wirksamkeit auf die Kuhverdauung untersucht, berichtet «Yale Environment 360». Bei seinen Tests fand er Asparagopsis, dadurch wurde auch Kebreab darauf aufmerksam. Der Tierkundler experimentiert ebenfalls mit mehreren Algenarten.
Der kanadische Farmer Joe Dorgan, über den «The Conversation» berichtet hat, erntet und verkauft Seegras sogar. Angeblich verbessert es die Milchproduktion und die Kühe werden schneller trächtig. Das ist möglich. Bei Kühen ist es trotz der unterschiedlichen Verdauung ähnlich wie bei Menschen: wer dauernd rülpst, dem bekommt etwas nicht. Methanbildung ist ein Zeichen schlechter Verdauung. Das Gas entsteht unter Sauerstoffabschluss bei Fäulnisprozessen, bei Kühen geschieht das im sogenannten Pansen.
Das erste Superfood für die Kuh?
Wenn sie ihre Nahrung besser verdauen können, entsteht weniger Methan, dazu könnten sie Futter besser verwerten. Es könnte Kühen mit Algen-Supplement also tatsächlich besser gehen und die Algen-Diät wäre auch wirtschaftlich attraktiv. Den Kühen, mit denen Kebreab gearbeitet hat, ging es zumindest nicht schlechter. Andere Wissenschaftler erforschen, wie sich der Nahrungszusatz auf den Geschmack von Milch und Fleisch auswirkt.
Die Anwendung des Algen-Supplements sei problemlos, sagt Kebreab. Vieh bekomme in der Regel eine ganze Menge Nahrungszusätze, die Algen könnten dem üblichen Mix einfach zugesetzt werden. Im Versuch vermischten die Forscher das Seegras mit Melasse, um den Kühen die ungewohnt salzige Nahrung schmackhaft zu machen. Bei grösseren Mengen mochten die empfindlichen Esser ihr Futter nicht mehr so gerne und frassen weniger.
Mehr Fragen als Antworten
Wie immer bei aufsehenerregenden Entdeckungen gibt es auch bei der Wunderalge noch mehr Fragen als Antworten. Unklar ist beispielsweise noch, ob die Kuhmägen sich nach längerer Zeit an die neue Nahrung anpassen und die Alge ihre Wirkung verliert. Die Alge kann getrocknet und als Pulver verarbeitet werden, das könnte theoretisch alle Wiederkäuer methanfrei machen – im Reagenzglas zumindest ist das möglich. Wie sich der der Wirkstoff, der für die Methanreduktion zuständig ist, bei Trocknung und Lagerung verhält, muss noch überprüft werden.
Mindestens vorerst gibt es vor allem ein Hindernis: die Alge wird bisher nirgends kommerziell angebaut. Ob das jemals möglich ist, ist noch nicht klar. Asparagopsis, von der es mehrere Unterarten gibt, wächst in tropischen Meeren. Die Menge, die derzeit geerntet werden könnte, würde nicht einmal für einen Kontinent ausreichen. Ob der Anbau des Seegrases in grossem Massstab möglich ist, ist noch wenig untersucht. An der Universität San Diego wird an den technischen Möglichkeiten gearbeitet, beispielsweise der Zucht in Wassertanks.
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Weiterführende Informationen
- «Inclusion of Asparagopsis armata in lactating dairy cows’ diet reduces enteric methane emission by over 50 percent», Journal of Cleaner Production
- «The race is on to cultivate a seaweed that slashes greenhouse emission from cows, other livestock» The San Diego Union-Tribune
- «Forscher wollen klimafreundliche Kühe züchten», National Geographic
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „INFOsperber.ch“ (Daniela
Gschweng) 2019 verfasst –
der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | Grafik Methanquellen: Bildungsserver Wiki Methan | Bild Seegras: Hristov Research Group/Penn State