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Wenn Corona Kriege befeuert

Studie zu Folgen von COVID-19 auf bewaffnete Konflikte

Als 2004 ein Tsunami Indonesien verwüstete, beendete er auch einen 28 Jahre dauernden Bürgerkrieg. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie entstand die Hoffnung, dass auch die übergreifende Bedrohung durch den Virus Waffenruhen fördert. Eine Studie der Technischen Universität Braunschweig untersucht die Folgen der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 auf neun bewaffnete Konflikte. Die in der Zeitschrift „World Development“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen, warum mehr als zuvor Grund zur Sorge besteht.

© Tobias Ide/TU Braunschweig | Bewaffnete Konfliktereignisse pro Monat in ausgewählten Ländern (orange Flächen kennzeichnen den Zeitraum der COVID-19-Pandemie. Zum Vergrößern anklicken!

Die globale Pandemie kann humanitäre Katastrophen in Krisenregionen zusätzlich verschärfen. Kriege zerstören die Infrastruktur, die gebraucht wird, um die Übertragungswege zu stoppen und Erkrankte zu behandeln. Daher besteht die Hoffnung, wonach parteiübergreifende Krisen auch die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen stärken können.

Groll und Gelegenheit

„Es gibt nur wenige Daten, die erkennen lassen, dass sich die Konflikte während der Pandemie nachhaltig beruhigen. Stattdessen nehmen Unzufriedenheiten und Gelegenheiten für bewaffnete Gruppen zu”, erklärt Dr. Tobias Ide vom Institut für Internationale Beziehungen der TU Braunschweig. Im libyschen Bürgerkrieg nutzten beispielsweise die Konfliktparteien die mediale Ablenkung durch Corona, um abseits der internationalen Aufmerksamkeit Militärschläge zu setzen. Auch Schwachstellen des Gegners werden ausgenutzt: Beispielsweise verstärkte der IS seine Aktivitäten im Irak, als die Regierung von der Pandemie geschwächt war.

© Tobias Ide/TU Braunschweig | Bestätigte COVID-19-Neuinfektionen pro Tag und Million Einwohner in ausgewählten Ländern. Zum Vergrößern anklicken!

Demgegenüber nutzen die afghanische Taliban oder die Guerilla-Bewegung ELN in Kolumbien die mangelhafte staatliche Pandemiebekämpfung, um langfristig ihre Reihen zu stärken. Die Taliban sammelten Unterstützung, indem sie eigene humanitäre Maßnahmen starteten. In Kolumbien warben die Rebellen gezielt um Menschen, die ihren bisherigen Lebensunterhalt durch die Pandemie verloren haben. Dr. Tobias Ide: „Dass diese Konflikte derzeit nicht eskalieren, liegt vor allem daran, dass die bewaffneten Gruppen selbst von der Pandemie betroffen sind. Es steht aber zu befürchten, dass sie in Zukunft umso heftiger wieder aufflammen.”

In der Pandemie nicht wegsehen

„Als 2004 ein Tsunami in Indonesien den Frieden förderte, lag das vor allem auch an der internationalen Aufmerksamkeit und den Bedingungen, die Staaten an ihre Soforthilfen knüpften. Die Eskalation von bewaffneten Konflikten in stark von Corona betroffenen Gebieten birgt große Herausforderungen. Wenn die internationale Gemeinschaft wegsieht und sich nur auf die Pandemie in den jeweiligen Ländern fokussiert, werden bewaffnete Gruppen dies ausnutzen”, sagt Dr. Tobias Ide.

Die veröffentlichte Studie gibt des Weiteren eine Einschätzung zu den aktuellen Konflikten in Indien, Pakistan, den Philippinen, Thailand und dem Jemen. Um die langfristigen Folgen aufzuzeigen, sind weitere Forschungsprojekte geplant. Dabei soll es auch um Protestbewegungen im Zusammenhang mit Corona gehen und wie diese bewaffnete Konflikten beeinflussen können.

Quelle

TU Braunschweig 2020

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