Alternativer Nobelpreis: „Nicht mit dem Vorschlaghammer auf die Natur einschlagen“
Aufforstung gehört zu den effektivsten und günstigsten Formen des Klimaschutzes. Menschen wie Yacouba Sawadogo und Tony Rinaudo, bekannt als „der Mann, der die Wüste aufhielt“ und „der Waldmacher“, haben gezeigt, dass dies auch unter widrigsten Umständen mit natürlichen Methoden möglich ist. Dafür erhalten sie nun den „Alternativen Nobelpreis“.
Zum 39. Mal wird er in diesem Jahr verliehen: der „Right Livelihood Award“, auch „Alternativer Nobelpreis“ genannt, mit dem seit 1980 KämpferInnen für Menschenrechte, Umweltschutz und Frieden geehrt werden.
In diesem Jahr hoffe man die Aufmerksamkeit der Welt auf die „bahnbrechende Arbeit der Preisträger für Rechenschaftspflichten, Demokratie und die Wiederherstellung von degradierten Böden“ lenken zu können, erklärte Ole von Uexküll, der Geschäftsführer der Right-Livelihood-Award-Stiftung am heutigen Montag in Stockholm. Was diese Menschen tun, gebe „enorme Hoffnung“, denn sie „zeigen in einer Zeit alarmierender Umweltzerstörung und fehlender politischer Führung den Weg in eine ganz andere Zukunft“.
Yacouba Sawadogo ist einer von ihnen. Vor 40 Jahren begann er mit seinen Versuchen, unfruchtbar gewordenes Land durch nachhaltigere Nutzung des Regenwassers zu regenerieren. Zu ineffektiv waren in der Folge des Klimawandels nämlich die traditionellen Pflanzgruben für die Speicherung von Wasser und Biomasse geworden.
„Zaï“ heißt das im westlichen Sahel gebräuchliche Verfahren zur Landsanierung, bei dem in die Vertiefungen der Pflanzgruben organisches Material – Ernteabfälle und Viehdung – gelegt wird, das so zusammen mit dem gesammelten Wasser gezielt der Pflanze zugute kommen soll. Sawadogo vergrößerte die Gruben, verbesserte Zaï, entwickelte es weiter.
„Als ich damit begann, Bäume zu pflanzen, dachten meine Nachbarn: Jetzt ist er verrückt geworden“, berichtete der Bauer aus Burkina Faso 2011 auf der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention gegen Wüstenbildung (UNCCD) im südkoreanischen Changwon. Doch trotz aller Widerstände habe er nicht aufgegeben.
Damals waren die von ihm gepflanzten Bäume bereits zu einem 15 Hektar großen Wald zusammengewachsen und UNCCD-Generalsekretär Luc Gnacadja betonte an Sawadogos Beispiel die wichtige Rolle der Kleinbauern beim Kampf gegen die Wüstenbildung und die Folgen des Klimawandels.
Mittlerweile wächst auf dem ehemals kargen und verlassenem Land ein Wald von fast 40 Hektar mit einem großen Artenreichtum aus rund 60 verschiedenen Baum- und Buscharten. Über Yacouba Sawadogos Geschichte wurde der Dokumentarfilm „The Man Who Stopped the Desert“ gedreht.
Und wenn der „Mann, der die Wüste aufhielt“ nun den „Alternativen Nobelpreis“ bekommt, dann, so die Preisbegründung, weil der 76-Jährige „unfruchtbares Land in lebendigen Wald verwandelt und lokales und indigenes Wissen zur Wiederherstellung des Bodens weiterentwickelt“ habe.
Seinem Beispiel folgend hätten Tausende anderer Bauern mit dieser Technik ihr Land regeneriert, mittlerweile seien Zehntausende Hektar in Burkina Faso und Niger wieder zu produktivem Land geworden: „Bäume, die zusammen mit den Feldfrüchten gepflanzt werden, dienen der Bodenanreicherung, produzieren Viehfutter und können Einkommensmöglichkeiten wie die Bienenzucht generieren“, so die Jury.
Dies helfe den Landwirten, sich an den Klimawandel anzupassen, ländliche Armut zu reduzieren und lokale Konflikte um Ressourcen und Wasser zu verhindern. „Zusammen mit anderen von Bauern betriebenen natürlichen Regenerationstechniken könnte Zaï ein wichtiges Instrument gegen Zwangsmigration werden und friedensschaffende Wirkung haben“, schreiben die Juroren.
Auch bei einem weiteren der insgesamt sieben PreisträgerInnen geht es um den Einsatz gegen die Folgen des Klimawandels und für die Regeneration unfruchtbaren Bodens. Zu Beginn der 1980er Jahre war der damals 24-jährige australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo mit seiner Familie für die Missionsorganisation „Serving in Mission“ in den Niger gezogen. Er versuchte, mit der Anpflanzung von Bäumen die sich ständig weiter ausbreitende Wüste aufzuhalten.
Mindestens sechstausend waren es insgesamt, erinnert er sich – doch fast alle verdorrten in kurzer Zeit wieder. Die Lösung des Problems habe er dann im Untergrund entdeckt. Im Boden des Halbwüstensands verbargen sich die Wurzelreste einst dort gefällter Bäume.
In diesem „Untergrundwald“ schlugen nach jedem Regen frische Triebe aus. Die Baumsprösslinge, die da spontan wuchsen, mussten eigentlich nur aufgezogen und kultiviert werden. Und sie mussten eine Chance bekommen wieder heranwachsen zu können. Nämlich einige Monate lang vor grasenden Tieren geschützt und richtig beschnitten werden.
Ähnlich wie Sawadogo wurde auch Rinaudo anfangs verspottet. Doch mit seiner natürlichen Aufforstungsmethode (Farmer Managed Natural Regeneration, FMNR) wurden allein in Niger 50.000 Quadratkilometer Wald mit 200 Millionen Bäumen wiederhergestellt.
In mehreren afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern wurde das Modell kopiert. Den Right Livelihod Preis erhält der „Waldmacher“ nun „für den praktischen Beweis, wie Trockengebiete in großem Umfang und mit minimalen Kosten begrünt werden können und damit die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen verbessert werden kann“.
Der 61-jährige Rinaudo selbst kommentiert: „Wenn man nicht immer mit dem Vorschlaghammer auf die Natur einschlägt, sondern mit ihr arbeitet, dann erlebt sie ein Comeback“. Er hofft, dass der Preis mehr Aufmerksamkeit auf FMNR lenken und damit „die weltweite Verbreitung der Methode exponentiell beschleunigen wird“. Denn noch immer sei sie „Regierungen, Gebern und auch den Menschen, die sie am meisten benötigen, zu wenig bekannt“.
Und von Uexküll ergänzt: Wären die politischen Entscheidungsträger bereit, „den von den Landwirten gesteuerten Ansatz der natürlichen Regeneration zu unterstützen, könnten degradierte Trockengebiete mit einer Fläche von der Größe Indiens wiederhergestellt werden“.
Ein Alternativer Nobelpreis geht nach Saudi-Arabien – zum ersten Mal
Erstmals geht in diesem Jahr ein „Alternativer Nobelpreis“ nach Saudi-Arabien. Wobei die drei Preisträger sich derzeit aber alle im Gefängnis befinden. 2013 waren Abdullah al-Hamid und Mohammad Fahad al-Qahtani wegen „Anstiftung zur Unruhe durch den Aufruf zu Demonstrationen“ und „Bildung einer nicht lizenzierten Organisation“ zu elf und zehn Jahren Haft verurteilt worden.
2014 erhielt Abu al-Khair sogar eine 15-jährige Haftstrafe unter anderem wegen „Ungehorsam gegenüber dem Herrscher“ und „Schädigung des Ansehens des Staates durch Kommunikation mit internationalen Organisationen“.
Al-Hamid und al-Qahtani sind Akademiker und Mitbegründer einer der wenigen saudischen Menschenrechtsorganisationen, der „Saudi Civil and Political Rights Association“ (ACPRA). Sie ist derzeit ebenso verboten wie „Monitor of Human Rights in Saudi-Arabien“ (MHRSA), die von Abu al-Khair gegründet wurde. Einem für seine rechtliche Verteidigung prominenter saudischer Aktivisten – so dem Blogger Raif Badawi – bekanntem Rechtsanwalt.
Die Jury des Right Livelihood Award wählte dieses Trio aus, weil es „im Streben nach Reformen in diesem Land standhaft geblieben“ und „das autoritäre System durch friedliche Methoden herausgefordert“ habe: „Sie fordern die Gewaltenteilung und die Gleichheit für alle, einschließlich der Abschaffung der männlichen Vormundschaft, die den Frauen ihre grundlegendsten Rechte nimmt.“ Inhaftiert seien sie „als Folge ihres mutigen Kampfes für eine pluralistischere und demokratischere Gesellschaft“.
Ausdrücklich konstatiert die Stiftung, dass es im Jahr, in dem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 70 Jahre alt werde, besonders beschämend sei zu sehen, „wie sich die führenden Politiker der Welt auf die Seite der repressiven Herrscherfamilie von Saudi-Arabien schlagen, statt für die mutigen Reformisten, die Demokratie und Gleichheit im Land fördern, Partei zu ergreifen“.
„Bahnbrechende Arbeit für Transparenz und Demokratie“ (von Uexküll) wird auch mit dem Ehrenpreis anerkannt, der in diesem Jahr an Thelma Aldana (Guatemala) und Iván Velásquez (Kolumbien) geht, „für deren wegweisende Arbeit zur Aufdeckung von Machtmissbrauch und Verfolgung von Korruption und für die Wiederherstellung von Vertrauen in öffentliche Institutionen“.
Seit 2014 beziehungsweise 2013 würden Aldana als oberste Staatsanwältin und Velásquez als Leiter der „Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala“ (CICIG) an der Spitze „einer der erfolgreichsten Anti-Korruptions-Bemühungen auf der ganzen Welt“ stehen. Sie hätten damit eine „Kampagne zur Bekämpfung tief verwurzelter krimineller Netzwerke und Korruption angeführt, die Guatemala seit Jahrzehnten plagt“.
Diese „mutige und vorbildliche Arbeit“ habe dazu geführt, dass „bislang mehr als 60 kriminelle Strukturen aufgedeckt werden konnten, es mehr als 310 Verurteilungen gegeben hat und 34 Gesetzesreformen vorgeschlagen wurden“. Damit sei das „Vertrauen in öffentliche Institutionen wieder aufgebaut“ worden: „Als Folge davon waren sie anhaltendem Widerstand und einem großen persönlichem Risiko ausgesetzt.“
Die Bekanntgabe des Preises kommt wenige Wochen, nachdem der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales angekündigt hat, die von den Vereinten Nationen unterstützte Kommission im kommenden Jahr schließen zu wollen.
Ole von Uexküll verband die Preisverleihung deshalb auch mit der Aufforderung an Morales, „diese guatemaltekische Erfolgsgeschichte fortzusetzen“: „Die von Aldana und Velásquez geleistete Arbeit ist ein einzigartiges Modell einer effektiven Zusammenarbeit zwischen der nationalen und der UN-Ebene, um eine gute Regierungsführung zu etablieren.“
Die Verleihung der „Alternativen Nobelpreise“ findet am 23. November in Stockholm statt. Die traditionelle Right Livelihood Lecture wird Tony Rinaudo am 28. November an der Universität Zürich halten. Thelma Aldana und Iván Velásquez werden am 27. November im Deutschen Bundestag zu Gast sein.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Reinhard Wolff) 2018 verfasst – der Artikel
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