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Österreich: Erneuerbare lassen die fossilen Energieträger bereits 2030 hinter sich

Das Umweltbundesamt hat erstmals ein Szenario „Erneuerbare Energie“ erarbeitet, mit dem das Energiesystem bis 2050 weitgehend dekarbonisiert wäre.

Es basiert auf einem vorhandenen Effizienz-Szenario des Umweltbundesamtes und auf Potenzialerhebungen der erneuerbaren Energieverbände. Das Szenario enthält eine Fülle von Maßnahmen, die dazu führen, dass die Treibhausgas-Emissionen aus dem Einsatz fossiler Energieträger bis 2030 um ca. 60 Prozent bzw. bis 2050 um mehr als 90 Prozent gegenüber 2005 sinken. Weitere Ergebnisse: Verglichen mit 2010 wird eine 20-prozentige Reduktion des Energieverbrauchs bis 2030 erreicht, der Anteil der erneuerbaren Energien steigt bis 2030 auf 61 Prozent und bis 2050 auf 91 Prozent. Gleichzeitig wird bis 2030 eine 100-prozentige erneuerbare Stromversorgung (bilanziell) sowie ein Anteil erneuerbarer Fernwärme von 78 Prozent realisiert. Der Primärenergieeinsatz von Kohle, Öl und Erdgas im Gesamtenergiesystem reduziert sich bis 2030 gegenüber 2010 um 45 Prozent und bis 2050 um 78 Prozent.

Vollversorgung bei Strom durch erneuerbare Energien

Österreich hat sich seit 2000 vom Stromexporteur zum Importeur gewandelt. 2014 haben die Nettostromimporte von 9.275 GWh einen traurigen Höhepunkt erreicht. Mittlerweile verursachen diese bilanziell rund dreieinhalb Millionen Tonnen CO2-Emissionen. „Man muss die Chancen des Ausbaus der erneuerbaren Energien nutzen und rasch diese Entwicklung umkehren“, fordert Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. Laut Szenario steigt die inländische Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 80 Prozent bis 2030 bzw. um mehr als 36 TWh an (verglichen mit 2010). Schon zu Beginn des nächsten Jahrzehnts könnte Österreich sich wieder zum Stromexporteur wandeln und ab dem Jahr 2030 den gesamten Stromverbrauch bilanziell erneuerbar zur Verfügung stellen. „Um dieses Szenario auch Realität werden zu lassen, bedarf es einer Reformierung des Ökostromgesetzes und eines Umbaus des europäischen Strommarktes mit dem Ziel 100 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030“, bemerkt Stefan Moidl. „Das Wirtschaftsministerium ist jetzt gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. 230 Windkraftanlagen stehen in der Pole-Position, können aber im Augenblick aufgrund des Reformstaus nicht realisiert werden.“

Bioenergie wird bedeutendster Energieträger; Potenziale werden nicht ausgeschöpft

Die Bioenergie avanciert beim Energieverbrauch bereits 2030 zum bedeutendsten Energieträger und verdrängt Öl vom ersten Platz. „Die vorliegende Studie zeigt, dass für ein Dekarbonisierungs-Szenario die nachhaltig vorhandenen Biomasse-Potenziale nicht ausgeschöpft werden müssen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin massive Anstrengungen zur Mobilisierung von bisher ungenutzten Potenzialen in der Land- und Forstwirtschaft und der gleichzeitige Ausbau der Verwertungskapazitäten für niederwertige Holzsortimente vonnöten sind, will man nicht auf Importe zurückgreifen“, betont Josef Plank, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes. Der Marktanteil (inklusive Strom- und Fernwärmeproduktion) der Bioenergie am Endenergiebedarf wird laut Szenario von 18 Prozent (2010) bis 2030 auf 28 Prozent und bis 2050 auf 35 Prozent steigen. Dies ist einerseits im sinkenden Energieeinsatz und andererseits im Ausbau der Bioenergie begründet. Energie aus Biomasse weist in allen Teilbereichen (Gebäude, Industrie und Verkehr) steigende Marktanteile auf. Der Anteil der Bioenergie in der Fernwärmeerzeugung steigt bis 2030 auf 67 Prozent und in der Stromerzeugung auf bis zu acht Prozent. „Wir gehen davon aus, dass trotz starker Steigerung der Marktanteile der Primärenergieeinsatz von Biomasse bis 2030 um etwa 30 Prozent steigt, danach aber wieder leicht abnimmt“, erklärt Plank. In der Forcierung der stofflichen Verwertung von Holz in Massivholzprodukten sieht Plank einen zentralen Schlüssel zum Erfolg der Bioenergie. „Entlang der Wertschöpfungskette Holz vom Wald bis ins Wohnzimmer entstehen genug Koppel- und Nebenprodukte für alle weiteren Anwendungsbereiche. Die vollen Lager unserer Biomasseanlagen und die drohenden Schadholzmengen beweisen, wie dringend Verwertungskapazitäten für niederwertige Holzsortimente notwendig sind.“

Ziel: Erneuerbare Energie und Energieeffizienz

„Nach unserem Szenario sinken die THG-Emissionen auf 20,3 Mio. t CO2-eq im Jahr 2050. Im Jahr 2005 waren es noch 92,5 Mio. t CO2-eq. Die gesamten THG-Emissionen würden im Szenario erneuerbare Energie im Jahr 2030 um 50 Prozent und im Jahr 2050 um 78 Prozent gegenüber 2005 sinken“, erläutert Jürgen Schneider, Klima- und Energieexperte im Umweltbundesamt. Die vorliegende Studie sieht eine Reduktion des Endenergieverbrauchs auf knapp über 900 PJ bis 2030 vor. Besonders im Gebäudebereich werden durch forcierte Sanierung und hohe Baustandards große Energiemengen eingespart. Im Verkehrsbereich bringt die Verlagerung des Personenverkehrs in Richtung öffentliche Verkehrsmittel und des Gütertransportes in Richtung Bahn sowie eine breite Einführung elektrisch betriebener Antriebe eine deutliche Effizienzsteigerung. Im Industriebereich wurde bis 2030 eine leichte Erhöhung des energetischen Endverbrauchs auf 320 PJ und 2050 eine leichte Reduktion auf 273 PJ berechnet. In allen Bereichen müssen erneuerbare Energieträger verstärkt eingesetzt werden. Kritik über zu hohe Kosten für die Energiewende lässt Schneider nicht gelten: „Die Energiewende bringt deutlich mehr als sie kostet. Sie sollte gerade jetzt als Beschäftigungs- und Konjunkturmotor genutzt werden. Hinzu kommt, dass die Schäden durch den Klimawandel minimiert werden müssen. Das Umweltbundesamt hat zusammen mit dem Wegener Center die derzeitigen Kosten des Klimawandels mit einer Milliarde Euro pro Jahr abgeschätzt. Bis Mitte des Jahrhunderts könnte dieser Wert auf 8,8 Milliarden Euro steigen.“

Ambitionierte Energie- und Klimastrategie

2016 ist ein Schlüsseljahr für die österreichische Klimaschutz und Energiepolitik. Mit der Erarbeitung einer österreichischen Klima- und Energiestrategie und der Arbeit an einem neuen Ökostromgesetz mit dem Ziel 100% Ökostrom bis 2030 sind die nächsten neun bis 12 Monate die Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewusstsein sowie die Weitsicht der österreichischen Klima- und Energiepolitik. Die vorliegende Studie des Umweltbundesamtes zeigt für die Energiewende: „Yes, we can“. Jetzt ist die Politik gefordert nachzulegen, und zwar mit einem „Yes, we want“ und einem „Yes, we do“. Österreich hat schon einige Male bewiesen, dass man im Energie- und Umweltbereich erfolgreicher Pionier sein kann: der Ausbau der Wasserkraft in den 50er bis 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Pionierrolle der Industrie im Umweltschutz, vor allem zwischen 1970 und 2000, und der Ausbau der Landwirtschaft zum „Feinkostladen Europas“, mit dem höchsten Bio-Anteil, sind Erfolgsgeschichten, die Österreich hohes Ansehen und der Wirtschaft große Erfolge gebracht haben. Nach Paris ist es jetzt entscheidend den Absprung in die neue Energiewelt optimal zu erwischen. „Eine ambitionierte Klima- und Energiestrategie ist besonders für die Wirtschaft essentiell. Sie braucht Investitionssicherheit und Anschub für einen der Megatrends dieses Jahrhunderts, der Energiewende, weg von den klimazerstörenden Energien Kohle, Öl und Erdgas, hin zu den sauberen Erneuerbaren, die Österreich in großem Ausmaß hat“, fordert Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreichs (EEÖ). „Wenn die Politik nicht bald die Schanze für Biomasse, Wind, Wasser, Photovoltaik und Solarthermie freigibt, droht mittel und langfristig ein Absturz in Form einer De-Industrialisierung.“

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Quelle

IG WINDKRAFT 2016 | Umweltbundesamt 2016

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