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© Fotolia.com | XtravaganT | Digitaler Zähler und zertifiziertes Smart Meter Gateway bilden das intelligente Messsystem, eine Voraussetzung zum Angebot flexibler Stromtarife.

Smart Meter Rollout: Stopp per Gerichtsbeschluss

Die Einbaupflicht für intelligente Messsysteme wurde gerichtlich gestoppt. Nach Auffassung der Richter hat das BSI die Anforderungen an die Smart Meter Gateways so verändert, dass sie nicht mehr den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen.

Der Smart-Meter-Rollout ist seit letztem Jahr im Gange, nun wurde er gerichtlich gestoppt. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Eilbeschluss vom 4.3.2021 den Vollzug der Allgemeinverfügung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausgesetzt. Messstellenbetreiber sind nun vorläufig nicht mehr zum Pflichteinbau zertifizierter intelligenter Messsysteme verpflichtet.

Das Gericht hat aufgrund der Beschwerde eines privaten Unternehmens aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, die Vollziehung der Allgemeinverfügung ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits verbaute intelligente Messsysteme müssen aber nicht ausgetauscht werden.

Intelligente Messsysteme bestehen aus einem digitalen Zähler und einer Kommunikationseinheit, die Daten übermittelt. Dieses Smart Meter Gateway muss höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen. Erst nachdem drei Geräte verschiedener Hersteller die Systemanforderungen erfüllten, initiierte das BSI den Pflichteinbau. Er erfolgt seit letztem Jahr zunächst bei großen Verbrauchern, wird aber im Laufe der Jahre stufenweise auf kleinere Verbraucher ausgedehnt. Die zeitnahe Übermittlung von Verbrauchsdaten ist eine Grundvoraussetzung für das Angebot flexibler Stromtarife. Die Vorgabe dazu kam von der EU.

Anforderungen an Datenaustausch nicht erfüllt

In ihrer Begründung argumentieren die Richter, dass die Allgemeinverfügung des BSI voraussichtlich rechtswidrig sei. Zum einen seien die Zertifizierungen auf Basis einer technischen Richtlinie erfolgt, die das BSI erlassen habe, ohne alle vorgeschriebenen Gremien einzubinden. Neben diesem formalen Fehler seien die Vorgaben auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Anforderungen zum Datenaustausch hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleiben. Seien die Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Das BSI habe dazu keinen Auftrag.

Der Eilbeschluss ist unanfechtbar. Die Hauptklage muss aber noch entschieden werden. Sie liegt beim Verwaltungsgericht Köln. Dieses Gericht hatte auch erstinstanzlich die Klage des Aachener Unternehmens zugunsten des BSI entschieden.

Die sogenannte Marktverfügbarkeitserklärung des BSI gibt nach dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) den Startschuss für den verpflichtenden Einbau intelligenter Messsysteme. Die lange erwartete Erklärung hatte das BSI Anfang des letzten Jahres veröffentlicht. Rund 50 Messstellenbetreiber hatten sich im Eilrechtsschutz dagegen gewandt, diese Marktverfügbarkeitserklärung vollziehen zu müssen – denn entgegen den Vorgaben des MsbG blieben nach Auffassung der Messstellenbetreiber die aktuell vom BSI zertifizierten und für marktverfügbar erklärten intelligenten Messsysteme weit hinter den gesetzlich vorgegebenen technischen Anforderungen zurück.

Zu viel Regulierung behindert Innovation

Nach Auffassung des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) fehlen dem Energiemarkt ohne geeignete intelligente Messysteme wichtige technische Voraussetzungen für die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle und zur Erreichung der Klimaziele.

bne-Geschäftsführer Robert Busch kommentiert: „Es ist schade, dass erst ein Gerichtsurteil knapp fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende den von an Anfang an verkorksten Prozess stoppen muss.“ Der im Messtellenbetriebsgesetz angelegte Zertifizierungsprozess sei ein strukturell überfrachtetes Desaster – er sei zeitraubend und ersticke Innovationen. Wenn Deutschland seine Führungsrolle bei der Digitalisierung der Energiewende wieder zurückholen wolle, müsse ein schnellerer und besserer Weg zur Wiedererlangung der Innovationsfähigkeit eingeschlagen werden. Strukturelle und prozessuale Abrüstung sei nun das Gebot.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (pf) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 29 / 2019 | „Urbane Energiewende“ |  Jetzt lesen | Download

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