100% Erneuerbare Energien für Bayern
Nach dem epochalen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz hat nun auch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder die Hektik ergriffen. Er will das bayerische Klimaschutzgesetz, wie auch das deutsche auf Bundesebene, schnell nachbessern.
Ein spätes Eingeständnis, dass eben auch das bayerische Klimagesetz nicht konform ist mit dem 1,5 °C-Ziel von Paris. Es bleibt allerdings zu befürchten, dass die nun von CSU und CDU vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen – für das bayerische wie auch das bundesdeutsche Klimaschutzgesetz – bei weitem nicht ausreichend sind. So sind nun die Jahreszahlen von 2045 oder 2040 für Klimaneutralität statt wie bisher 2050 in der Diskussion. Doch auch dieses Vorziehen von wenigen Jahren würde dem Beschluss des Verfassungsgerichtes nicht Rechnung tragen, weil damit weder 1,5°C noch 2°C einzuhalten sind.
Da der fossile Energiesektor deutlich über die Hälfte aller Treibhausgase verursacht, steht die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien im Zentrum einer wirksamen Klimaschutzpolitik. Um Paris einzuhalten, muss dies aber bis spätestens 2030 und nicht erst bis 2040 gelingen.
Doch 100% Erneuerbare Energien haben Markus Söder und seine CSU bisher nie als Ziel ins Auge gefasst. Nun wurde gestern, am 11. Mai 2021, die Machbarkeit einer Energieversorgung durch 100% Erneuerbare Energien in Bayern, mit einer neuen Studie belegt. Durchgeführt wurde diese vom Lehrstuhl für Energiesysteme der Technischen Universität München und vom ZAE Bayern, im Auftrag des BUND Naturschutz in Bayern e.V..
Die Studie berechnet mehrere stundengenaue Szenarien einer Vollversorgung Bayerns in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität, gespeist aus 100% erneuerbaren Energiequellen für bis zum Jahr 2040, unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten. Aufgrund der hohen durchschnittlichen Sonneneinstrahlung in Bayern, würde der Strombedarf im Sommer hauptsächlich über Photovoltaik gedeckt werden. Im Winter müsste auf Windkraft und Batteriespeicher zurückgegriffen werden.
Einige elementare Faktoren müssen für dieses Ziel erfüllt werden. Die Studie zeigt beispielsweise, dass für die Strombereitstellung aus Solarstrahlung und Wind die bestehenden Ausbaupotenziale nahezu vollständig genutzt werden müssen. Darüber hinaus wird auch ein starker Ausbau klimaneutraler Technologien zur Sektorenkopplung sowie zum zeitlichen Ausgleich von Bereitstellung und Nachfrage notwendig. Weiterhin geht die Studie von einer deutlich gesteigerten Energieeffizienz in allen Sektoren aus, um die Szenarien zu ermöglichen. Trotz dieser Herausforderungen ist die Machbarkeit einer Versorgung der Bevölkerung durch 100% Erneuerbare eindeutig möglich.
Im Rahmen der Studie wurden fünf verschiedene Szenarien berechnet, die von verschiedenen Randbedingungen ausgehen. Die Szenarien unterscheiden sich beispielsweise in dem angenommenen Anteil Erneuerbarer Energien in benachbarten Energiesystemen, der für eine Versorgung Bayerns während sogenannter „Dunkelflauten“ relevant ist. Die Studie zeigt dabei auf, dass selbst im Falle des Szenarios „Inselsystem“, bei dem kein Stromaustausch mit benachbarten Energiesystemen erfolgt, eine vollständige Versorgung mit Erneuerbaren gewährleistet werden kann, möglich durch einen erhöhten Ausbau von Windkraft- und von Power-to-Gas-Anlagen.
Weitere interessante Punkte der Studie beinhalten unter anderem die Berechnung einer vollständigen Elektrifizierung des Autoverkehrs. Durch die höhere Effizienz elektrischer Antreibe im Vergleich zu Verbrennungsmotoren würden so etwa 52% des Energiebedarfs in diesem Sektor eingespart. Diese Energie müsste vollständig als Strom, statt wie bisher in Form fossiler Brennstoffe, bereitgestellt werden. Wärme würde ebenfalls in hohem Maße elektrisch produziert. Der Gesamtstromverbrauch würde so, trotz der angenommenen Einsparungen in allen Sektoren, auf fast das Anderthalbfache des heutigen Wertes ansteigen.
Studien wie diese sind enorm bedeutsam, da sie aufzeigen, dass die technologischen Möglichkeiten bereits heute existieren, um alle weitestgehend jeglichen Energiebedarf mit Erneuerbaren zu decken. Das erhöht Druck auf politische Entscheidungsträger*innen, strukturelle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und die globale wie auch bayerische Energiewende schnellstmöglich Realität werden zu lassen.
Allerdings hat die Studie ein großes Manko: 100% Erneuerbare Energien bis 2040 kommt, wie oben erwähnt, zu spät, um das Pariser Klimaziel von möglichst 1,5°C einzuhalten. Damit besteht die Gefahr, dass diese Studie genau dafür benutzt wird, um das bayerische Klimaschutzgesetz trotz Novelle weiterhin unzulänglich zu halten.
Der große Wert der Studie ist, dass sie aufzeigt, dass 100% Erneuerbare Energien auch in Bayern machbar und eben keine unrealistische Utopie sind. Dennoch sind weitere Studien von Nöten, die sich auf das Zieljahr 2030 beziehen. Nur mit Hilfe solcher Untersuchungen kann abgeleitet werden, welche jährlichen Ausbauziele für Erneuerbare Energien in Bayern ab sofort bis 2030 in das bayerische Klimagesetz geschrieben werden müssen. Nur so kann ein Klimagesetz dann tatsächlich verfassungskonform werden.
Quelle
Hans-Josef Fell 2021 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG