60 Gigawatt Offshore-Windenergie bis 2037 geplant
Umweltverbände und Gewerkschaften stellen sechs Kriterien für sozial-ökologische Flächenvergabe auf
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Deutscher Naturschutzring (DNR) sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die IG Metall fordern die Bundesregierung auf, verstärkt sozial-ökologische Kriterien bei der Flächenvergabe für Offshore-Windenergie in den Mittelpunkt zu rücken. In einem Schreiben an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz warnen die vier Organisationen vor den negativen Konsequenzen des jetzigen Ausschreibungsdesigns: 2023 wurden demnach für insgesamt 13,4 Milliarden Euro Offshore-Windenergieflächen versteigert. Durch das vorherrschende Meistbietendenprinzip zahlten zwei kapitalstarke Unternehmen das Gros davon. 2024 droht sich das in beiden Ausschreibungsrunden zu wiederholen: Die hohen Flächenpreise verstärken den Kostendruck auf Lieferkette, Industrie und Beschäftigte und begünstigen unnötig hohe Offshore-Strompreise.
Der Schutz von Natur, Arten und Arbeitsplätzen spielt dagegen bei der Flächenvergabe bisher kaum eine Rolle. Die Organisationen stellen daher sechs konkrete Kriterien für eine sozial-ökologische Reform des Offshore-Ausschreibungsdesigns vor. Dazu gehören die Umweltaspekte Zirkularität, nachhaltiger Schiffsverkehr und Natur-Inklusives-Design. Aus sozialer Sicht komme es insbesondere auf gute Arbeitsbedingungen, eine resiliente Industrietransformation sowie nachhaltige Aus- und Weiterbildung an.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Der wichtige Ausbau der Offshore-Windenenergie muss mehr als bisher ökologische und soziale Mindestkriterien berücksichtigen und einer Vielfalt von Akteuren Zugang zu den begrenzten Flächen ermöglichen. Dabei darf nicht immer das höchste, sondern muss das qualitativ beste Angebot zum Zuge kommen. Akteursvielfalt, Menschenrechte und Artenschutz müssen in der gesamten Lieferkette sichergestellt werden. Dafür muss das Preiskriterium deutlich abgeschwächt werden, während ökologische und soziale Kriterien in den Mittelpunkt rücken.“
Florian Schöne, Geschäftsführer des DNR: „Für uns Umweltverbände steht fest: Der Ausbau der Offshore-Windenergie muss naturverträglich erfolgen. Die Klimakrise und der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt können nur gemeinsam gelöst werden. Daher ist es umso wichtiger, einen stärkeren Fokus auf ökologische Kriterien bei der Flächenvergabe zu legen. Denn die Belastung der Meeresökosysteme ist immens. Es gilt, sowohl Schutzgebiete zu stärken, marine Arten und Lebensräume zu sichern – beispielsweise durch umweltverträglichen Schiffsverkehr – als auch technische Innovationen zu fördern. Eine Absenkung oder ein Aussetzen von Umweltstandards ist definitiv die falsche Antwort auf die gemeinsamen Herausforderungen.“
Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands: „Bei der Offshore-Windkraft zeigt sich, ob die Transformation funktioniert. Hier müssen gute Arbeitsplätze und die starke Industrieproduktion der Zukunft entstehen. Bei der Offshore-Flächenvergabe darf nur zum Zug kommen, wer seinen Teil dazu beiträgt – nämlich nach Tarif bezahlt und Anlagen aus europäischer Produktion errichtet. Ich erwarte daher von der Politik, die Ausschreibungskriterien entsprechend anzupassen.“
Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste: „Bei den Offshore-Auktionen darf es nicht nur ums Geld, sondern muss es auch um bessere Arbeit, mehr Wertschöpfung und mehr Umweltschutz gehen. Die Bundesregierung muss bei den Ausschreibungen Kriterien vorgeben, die einen Verdrängungswettbewerb verhindern und helfen, eine Windindustrie mit guten, tariflichen Arbeitssplätzen in Deutschland und Europa zu halten. Wir erwarten auch, dass der Arbeits- und Gesundheitschutz stärker berücksichtigt wird. Die Menschen, die die Energiewende draußen auf See voranbringen, müssen bestmöglich geschützt werden.“
Hintergrund: Je ab 1. Juni und 1. August werden Nordseeflächen mit einem Leistungspotenzial von insgesamt acht Gigawatt Offshore-Windenergie vergeben. Zwar gibt es bei den Ausschreibungen im August qualitative Kriterien – allerdings sind diese so niedrigschwellig, dass diese von faktisch allen Bewerbern erfüllt werden und schlussendlich erneut das Höchstgebot entscheiden wird. Anders als 2023 gibt es in diesem Jahr keine Flächeneintrittsrechte für bestimmte Unternehmen, weshalb in beiden Ausschreibungsrunden mit hohen Geboten von kapitalstarken Unternehmen zu rechnen ist.