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„Alle Kraft kommt von Gott“

Der Journalist und Buchautor Dr. Franz Alt hat zwanzig Jahre lang als Leiter und Moderator des politischen Magazins „Report“ investigativ, ehrlich, authentisch und manchmal auch durchaus unbequem den Finger in manche Wunden gelegt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten kämpft er für den Erhalt der Schöpfung Gottes. Fragen für das „Hand-aufs-Herz-Interview“

„Die Schöpfung“ und „Der ökologische Jesus“ – das sind nur zwei Titel ihrer Bücher, die sich mit unserer Natur beschäftigen. Warum ist das so etwas wie Ihr Lebensthema geworden?

So richtig aufgewacht bin ich durch die Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986. Bis dahin war auch ich für Atomenergie. Doch jetzt wurde mir durch intensive Recherchen klar, dass Atomenergie ein Anschlag auf die Schöpfung und unverantwortlich ist. Alles, was technisch passieren kann, passiert irgendwann einmal. Nehmen Sie in der aktuellen Situation das größte AKW in Europa, das AKW Saporoshje in der Südukraine. Es liegt mit seinen sechs Reaktoren 200 Kilometer von der Kampffront entfernt. Beide Seiten haben Raketen, die jederzeit das AKW treffen können. Der Abschuss der malaysischen Passagiermaschine hat gezeigt wie schnell etwas passieren kann, ob mit oder ohne Absicht. Jedes AKW, auch jedes deutsche AKW, hat ein atomares Restrisiko. Was aber ist das genau? Das ist jenes Risiko, das uns jeden Tag „den Rest“ geben kann.

Atomenergie und Frieden – das geht niemals zusammen. In der Ukraine ist jetzt ein zweites Tschernobyl möglich. Und weltweit haben wir noch immer über 400 AKW.

Hinzu kommt: Der Atommüll strahlt etwa eine Million Jahre. Was kostet es, einen Pförtner zu bezahlen, der eine Million Jahre ein Atommüll-Lager zu bewachen hat? Das würde mehr Geld kosten als die gesamte Menschheit heute zur Verfügung hat. Billige Atomenergie? Ein größere Lachnummer ist kaum denkbar.

Die Lehre daraus ist für mich eine Art Elftes Gebot im Atomzeitalter: Du sollst den Kern nicht spalten!. Vor einigen Jahren haben mich die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki zu Vorträgen eingeladen. Ich habe in den von den Atombomben getroffenen Städten zum Thema „Vom Atomzeitalter zum Solarzeitalter“ referiert. Nach meinem Vortrag in Nagasaki nahm mich der Bürgermeister zu Seite und sagte, er wolle mit eine Zahl sagen, die in Europa völlig unbekannt sei.

Noch heute, bald 70 Jahre nach den Atembomben-Abwürfen, sterben in Süd-Japan noch immer 3.000 Menschen jedes Jahr an den Folgen der nuklearen Verstrahlung, sagte er mir. Das heißt: Hiroshima und Nagasaki liegen nicht hinter uns, sondern vor uns. Das gleiche gilt für die Verstrahlungen in Tschernobyl und Fukushima. Die Folgekosten der Atomenergie und der Atombomben sind unermesslich und unbezahlbar. Wir versündigen uns damit an künftigen Generationen. Sie werden uns verfluchen, wenn wir nicht so rasch wie möglich das Atomzeitalter verlassen und ein neues Solarzeitalter organisieren.

Was würde Jesus wohl zu unserem Umgang mit seiner Schöpfung sagen?

Dazu muss man nur die Augen aufmachen und Jesus so lesen als würde er heute leben und uns seine Bergpredigt heute halten. Wir verbrennen zurzeit an einem Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in einer Million Tagen geschaffen hat. Eins zu einer Million mal verstoßen wir also gegen die Naturgesetze.  Jesus würde heute einfach auf die Naturgesetze hinweisen so wie er das vor 2.000 Jahren am See Genezareth auch getan hat. „Selig sind die Friedensstifter“. Aber wir führen einen Dritten Weltkrieg gegen die Natur. Oder: „Die Sonne unseres Vaters scheint für Gerechte und Ungerechte.“ Wir aber hängen noch immer an Kohle, Gas, Öl und Atom wie ein Junkie an der Nadel.

Oder: „Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben“.  Doch zurzeit vererben wir unseren Kindern und Enkeln von Braunkohle und Atomkraft zerstörte Landschaften, vergiftetes Wasser und ausgetrocknete Böden . Mit der alten fossil-atomaren Energiewirtschaft zerstören wir unsere Lebensgrundlagen. Jeden Tag rotten wir zurzeit 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Jeden Tag produzieren wir 50.000 Hektar Wüste zusätzlich. Und jeden Tag emittieren wir 150 Millionen Tonnen Triebhausgase.

Jesus würde uns fragen: Seid ihr noch zu retten?

Das ist nicht homo sapiens, das ist homo Dummkopf. Keine Tier- und keine Pflanzenart ist so bescheuert wie ausgerechnet jene Spezies, die sich – größenwahnsinnig geworden – selbst als  „Homo Sapiens“ bezeichnet.  Wir müssen endlich lernen, Jesus heutig zu machen. Mit seinen Positionen hätte er aber keine Chancen, im Petersdom predigen zu dürfen. Der ökologische Jesus würde seine Botschaft heute wahrscheinlich auf einem Greenpeace-Schiff vortragen. Seine ganze Botschaft ist voll von ökologischen Bildern: Bilder von Sonne und Wind, vom Sämann und von Samen, von den Früchten des Feldes und den Vögeln des Himmels. Den Jesus, der unendliches Vertrauen in die gute Schöpfung seines Vaters hat, den nenne ich den ökologischen Jesus.

Und dieser neue Jesus könnte die Leitfigur des 21. Jahrhunderts werden, gerade weil unser Jahrhundert ein Jahrhundert der ökologischen Zerstörung ist. Der ökologische Jesus bietet einen verlässlichen Kompass für ökologisches Bewusstsein und umweltbewusstes Handeln in unserer Zeit und für alle Zeit. Wenn die christlichen Kirchen überhaupt noch Zukunft haben wollen, dann müssen sie weg von Rom und weg von Wittenberg und endlich hin zu Nazareth. Dort und in der Bergpredigt finden wir den ökologischen Jesus.

Die Naturgleichnisse Jesu sind keine romantische Poesie, sondern sie wollen uns zu einer Vision der Gegenwart Gottes erwecken, die auch in Situationen verlässlich ist, die sehr verlustreich sind. Der Kernsatz einer modernen Theologie im Geiste des ökologischen Jesus müsste heißen:  Gott ist in allem und alles ist in Gott. Deshalb mehr Achtsamkeit gegenüber der wundervollen Schöpfung. Zum Glück für die Menscheit war Jesus kein Theologe. Er hat ja kein einziges Semester Theologie studiert. Er war in den wunderschönen Gegend von Obergaliläa ein großer Naturbeobachter und ein Naturpoet und er bringt dies in all  seinen Gleichnissen genau so zum Ausdruck. Jesu „Theologie“ ist Öko-logie und Vita-logie, dankbare Achtsamkeit gegenüber seinem Vater.

Sie kämpfen seit langem für den vermehrten Einsatz der Sonnenenergie. Warum?

Die Sonne ist die Energie von ganz, ganz oben. Energie vom „Chef“ selbst. Die Sonne schickt uns theoretisch 15.000 mal mehr Energie als zurzeit alle sieben Milliarden Menschen verbrauchen. Das macht sie umweltfreundlich, kostenlos und für alle Zeit, das heißt noch etwa vier Milliarden Jahre. In allen Religionen ist die Sonne ein göttliches Symbol. Hinzu kommen die Windkräfte, die Wasserkraft, die Bioenergie, die Erdwärme sowie die Wellen- und Strömungsenergie der Ozeane.

Das heißt: Auch praktisch gibt es von Natur aus kein Energieproblem. Wenn wir trotzdem ein Energieproblem haben, ist das ein Hinweis darauf, dass wir etwas grundsätzlich falsch machen. Wir wirtschaften nicht mehr mit der Natur, sondern gegen die Natur. Die Lösung unseres heutigen Energieproblems steht am Himmel. Der große Vorteil der künftigen solaren Energieversorgung ist jedoch nicht nur ökologischer, sondern auch ökonomischer Natur: Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung. Den Rohstoff gibt es umsonst als Geschenk des Himmels. Die alten Energien gehen rasch zu Ende und deshalb werden sie immer teurer, aber die erneuerbaren Energien werden immer preiswerter – durch Massenproduktion der neuen Technologien.

Warum ist Franziskus´ Sonnengesang aktueller denn je?

Franziskus erzählt von „Schwester Sonne“, „Bruder Wind“ und „Mutter Erde“. Genau darum geht es. Alles Leben ist geschwisterlich. Das ist Vertrauen in die gute Schöpfung unseres himmlischen Vaters ganz konkret und praktisch. Franziskus verstand Jesus eben ökologisch. Das macht die Faszination dieses großen Heiligen gerade in unserer Zeit aus. Franziskus ist der Prophet des ökologischen Jesus. Der hundertprozentige Umstieg auf erneuerbare Energien ist in 20 bis 30 Jahren möglich, wenn der politische Wille dazu gegeben ist, was ich zurzeit in Deutschland bezweifle. Und Papst Franziskus hat angekündigt als erster Papst eine Öko-Enzyklika zu schreiben.

Die sollte ganz im Sinne des ökologischen Jesus und des heiligen Franziskus sein. Das könnte ein Notprogramm für die ganze Menschheit und für alles leben werden. Die Energiewende bietet eine Riesenchance für die armen, aber meist sonnenreichen Länder im Süden. Afrika und die Sonne – welch eine Chance, endlich den Hunger zu überwinden. Wenn die reichen Länder wie Deutschland es vormachen, dann können wir den Hunger bald ins Museum der Geschichte stellen.

Sie sind mit dem Dalai Lama befreundet. Was macht die Faszination dieses Mannes aus?

Wir haben uns dreißigmal getroffen und 15 Fernsehsendungen und drei Bücher miteinander produziert. Dieser große, weise Mann ist nicht zufällig der populärste Mensch unserer Zeit – außerhalb Chinas, wo die kommunistische Partei ein total verzerrtes Bild von ihm zeichnet. Aber ich war einigemal mit ihm zusammen auch bei chinesischen Intellktuellen. Wer ihn kennenlernt ist fasziniert, weil er authentisch ist und sagt, was er tut und tut, was er sagt.

Ein Buch von Ihnen dreht sich ums Pilgern. Inwiefern ist bei Ihnen auch sonst der Weg das Ziel?

Pilgern ist das, was alle Religionen verbindet. Pilgern ist ein Weg zu sich selbst und ein Weg zu Gott. Pilgern verändert jeden. Wer pilgert, kommt mit zumindest einer neuen Erkenntnis und einem Vorurteil weniger zurück. Schon  das ist ein Gewinn. Pilgern gibt unseren gestressten Seelen Zeit zur Erholung. Pilgern kann ein Aufbruch zur Achtsamkeit sein. Im Raum der Stille können wir der Stimme unseres Herzens lauschen. Wir werden dabei auch eine neue Sensibilität für die gefährdete Schöpfung gewinnen.

Was begeistert Sie so sehr an der Bergpredigt?

Sie ist die Magna Charta dessen, was uns Jesus lehren wollte. Sie ist das Grundsatzprogramm  einer besseren Welt. In der Bergpredigt finden wir Wege zum Frieden, Wege zu einer größeren Gerechtigkeit und Wege zu einer nachhaltigeren Wirtschaft.  Die Bergpredigt Jesu bietet den „Rohstoff“ für eine bessere Welt.

Sie engagieren Sie sehr für Menschen, die in Armut und Not leben, z.B. in Indien und Bangladesch. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Wenn jeder und jede von uns in den reichen Ländern auch nur einem einzigen anderen Menschen zu einem besseren Leben verhilft, dann haben wir bald auch eine bessere Welt. Und genau dafür sind wir hier. Anderen zu helfen, das macht den Sinn unseres Lebens aus. Gott hat nur unsere Hände. Theorie ist nichts, handeln ist alles. Auch das lerne ich in der Schule des wunderbaren jungen Mannes aus Nazareth.

Was bedeutet für sie „gelebte Nächstenliebe“ im 21. Jahrhundert?

Im Atomzeitalter muss Nächstenliebe immer  auch Fernsten-Liebe und Feindesliebe im Sinne der Bergpredigt heißen.

Sie sind 76 Jahre alt und nach wie vor sehr aktiv. Wie viel Kraft gibt Ihnen Gott in ihrem Leben?

Alle Kraft kommt von Gott. Gott ist ein anderes Wort für Energie oder Kraft. Gott verdanken wir alles. Er  oder sie oder es ist die Ur-Kraft oder die Ur-Energie, der wir alles verdanken.  Gott ist Geist und Energie – so lerne ich es im Geiste Jesu. Ich verstehe mich als Festangestellter des Lebens.

Quelle

WDR-Interview 2014Franz Alt 2014

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