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Antworten auf die Abkehr von Klimazielen und Marginalisierung der Erneuerbaren

„Das Klimaproblem löst sich nicht wie das GroKo-Ziel in Luft auf“. Damit besteht die DGS, wie viele andere Umwelt- und Energieverbände auch, auf der Beibehaltung der Klimaziele 2020 und kritisiert die sondierenden GroKo-Parteien, die diese als „nicht erreichbar“ fallen lassen wollen. Ganz so, als ob sie das nicht selbst verursacht hätten. Ein Kommentar von Klaus Oberzig

„Deutschland muss mit geeigneten konkreten Maßnahmen die 2020-Ziele weiterverfolgen“, fordert dagegen das DGS-Präsidium. Denn an ein Erreichen der Klimaziele im Jahr 2030 glaubt man in der DGS nicht. Mit welcher Politik soll das glaubwürdig erfolgen, wenn schon die nächsten Schritte in den kommenden Jahren in eine falsche Richtung gehen? Denn liest man die drei Seiten aus den Sondierungsergebnissen zu „Klimaschutz, Energie und Umwelt“, die inzwischen vorliegen, stellt sich die Sache so dar, dass es eben nicht nur ein formales Verschieben der Klimaziele ist. Hinter den altbekannten Bekenntnissen zur Energiewende werden die Klimaziele 2030 sogleich unter den Vorbehalt gestellt, dass sie das „Zieldreieck Sauberkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit ohne Strukturbrüche“ erreichen müssen. Bis Ende 2018 wird dazu ein „Aktionsprogramm“ angekündigt – besser sollte man sagen angedroht – das gemessen am Sondierungspapier, an Fallstricken nicht zu überbieten sein dürfte. Es wird in etwa die Qualität haben, mit die Kanzlerin im Wahlkampf Stein auf Bein geschworen hatte, die Klimaziele aufrechterhalten zu wollen.

Dafür mögen einfach die zentralen zehn Zeilen dieser Sondierungsergebnisse im O-Ton stehen: „Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik ist ein weiterer zielstrebiger, effizienter, netzsynchroner und zunehmend marktorientierter Ausbau der Erneuerbaren Energien. Unter diesen Voraussetzungen streben wir einen Anteil von etwa 65 % Erneuerbarer Energien bis 2030 an. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss deutlich erhöht werden, auch um den zusätzlichen Strombedarf zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie zu decken. Vorgesehen ist eine Sonderausschreibung, mit der 8 bis 10 Mio. t CO2 zum Klimaschutzziel 2020 beitragen sollen. Hier sollen je 4 GW onshore-Windenergie und PV sowie ein offshore-Windenergiebeitrag zugebaut werden, je zur Hälfte wirksam in 2019 und 2020“. 65 Prozent klingt beeindruckend, aber hier folgt im Text sogleich ein Vorbehalt: „Voraussetzung ist die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze.“ Hiermit kann die Ankündigungen mit einem Schlag gekippt werden.

Der erweckte Eindruck eines „weiter so“ wird von dem Ziel überlagert, die fossilen Energien wieder zum dominierenden Geschäftsmodell zu machen. In den vor uns liegenden Jahren wird allen Beteuerungen zum Trotz das moderne und energieeffizientere Gaskraftwerk stärker als bisher zur Alternative der fluktuationsbelasteten Erneuerbaren aufgebaut werden. Münden soll das in einem „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“, das wenig Dezentralisierung erwarten lässt und zudem durch eine „Optimierung des Netzmanagements“ mit offenbar veränderten Abregelungsbedingungen für Wind und PV Parks, „ergänzt“ werden soll. Das dürfte die Geschäftsmodelle vieler Freiflächenanlagen in Frage stellen. Zum anderen sollen die Marktbedingungen der Speichertechnologien „durch die Überprüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützt“ werden. Die kryptische Formulierung lässt ebenfalls wenig Gutes erwarten.

Betrachtet man das Spiel mit Ankündigungen und Vorbehalten genauer und klopft dies auf die dahinter stehende politische Linie ab, handelt es sich nicht darum, wie etwa Anton Hofreiter von den Grünen meint, dass Union und SPD den ins Haus stehenden „Naturkatastrophen … nur tatenlos zuschauen“. Tatsächlich werden die Weichen in Richtung einer Politik gestellt, die der US-Präsident bereits fährt. Klimaschutz wird im Gegensatz zur rüpelhaften Diktion des Donald Trump noch pro forma vertreten, aber die absolute Priorität der GroKo soll bei der Wachstumspolitik liegen. Dieser hat sich auch der Klimaschutz unter zu ordnen. Für die Erneuerbaren ist nichts weniger als eine Marginalisierung vorgesehen.

Wie zur Ausleuchtung des Szenarios erhellen zwei Meldungen dieser Woche die Lage. Zum einen hat die US-Regierung nun endgültig alle Restriktionen gegen die Gas- und Ölförderung vor den US Küsten (Ausnahme Florida) beseitigt. Das belegt, wie die Öl- und Gasmonopole der USA samt den auf ihren Produkten aufbauenden Industrien und Banken alle vorhandenen Ressourcen und Reserven (also noch unbekannte Ressourcen) fördern und vermarkten wollen. America first heißt Wachstum, so Donald der Erste. Die andere Meldung stammt von Wissenschaftlern des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die als Ergebnis einer Studie anmahnen, mehr für den Hochwasserschutz in Deutschland zu tun. Veränderte Regenfälle als Folge der globalen Erwärmung führten an vielen Orten der Welt zu einem deutlich erhöhten Risiko von Überschwemmungen und Naturkatastrophen. „Wir waren überrascht, dass selbst in hoch entwickelten Ländern mit guter Infrastruktur der Anpassungsbedarf so groß ist“, erklärte dazu PIK-Experte Anders Levermann.

Mit der Begrifflichkeit der Anpassung schließt sich der Kreis dessen, was sich als politische Linie abzeichnet. Die Marginalisierung der Erneuerbaren, wie sie Merkel betreibt, basiert nicht nur darauf, dass die bestimmenden Kräfte der Deutschland AG – oder des fossilen Imperiums, wie es Claudia Kemfert formuliert – die lästigen Konkurrenten verdrängen wollen. Indem sie den Klimaschutz hinauszögern, geben sie, wie in den USA, dem immer stärker werdenden Kapitalanlagedruck ein Aktionsfeld. Damit wird peu à peu und ganz von alleine ein Mechanismus in Gang gesetzt, bei dem sich Anpassungsmaßnahmen in den Vordergrund schieben. Die Erfahrungen, dass sich an Kriegen zweimal verdienen lässt, nämlich am Krieg selbst und danach am Wideraufbau, werden immer deutlicher auf die Klimakrise übertragen. Diesem Kurs schließt sich, verborgen hinter dem üblichen Einlullen des Publikums, die noch ungeborene neue Bundesregierung an.

Viele Solarfreunde empfinden dies mehr oder weniger als Horrorszenario. Das zeigen die Reaktionen aus nahezu allen Verbänden. Was dagegen noch uneinheitlich erscheint, ist die Frage nach den adäquaten Reaktionen. Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen hatte die DGS schon in den letzten beiden Jahren einen Kurswechsel eingeleitet. Natürlich bleibt es nach wie vor erforderlich, auf Regierung, Parlament und Parteien Einfluss und Druck auszuüben, um möglichst akzeptabel Rahmenbedingungen zu erhalten. Mehr und mehr steht aber im Vordergrund, praxistaugliche Lösungen zu realisieren, die die Erneuerbaren ausweiten und den Fossilien Marktanteile wegnehmen. Das spiegelt sich einmal im DGS SolarRebell, der Mieter für eine Solarisierung gewinnen soll. Darüber hinaus geht es um die grundsätzliche Philosophie der Erneuerbaren im Verbund, die als nächste Entwicklungsstufe eine Grundlage für planbare Erzeugung mit Erneuerbaren und die Dezentralisierung bieten soll. Vor diesem Hintergrund ist die Präferenz zu sehen, im Bereich der Wärme aus der Defensive gehen zu wollen. Denn interessanterweise sind Hybrid- und Verbundlösungen hier bereits deutlich weiter entwickelt, als bei der EE-Stromerzeugung, die noch viel zu oft als singuläre Lösung daherkommt. Die Gewichtungen und Schauplätze werden sich von der parlamentarischen Einflussnahme in Richtung außerparlamentarisch und praxisorientiert verändern. Neue Wege der Solarisierung werden auf der Basis unserer Rechte als freie Energiebürger und, falls notwendig, mit einer Portion solaren Ungehorsams notwendig sein.

SONNENENERGIE 04/2017
Quelle

Klaus Oberzig | SONNENENERGIE | 4/2017 | Inhaltsverzeichnis | Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. 2018

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