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Asien steigt beim Cleantech-Markt auf – Europa erlebt Einbrüche

Deutschland bleibt jedoch weltweit drittgrößter Cleantech-Standort.

Spätestens seit der Ausrufung der Energiewende steht die Cleantech-Branche im Fokus der Aufmerksamkeit: Grüne und saubere Technologien wie regenerative Energien, Elektromobilität, Energieeffizienz oder Umwelttechnik gewinnen an Bedeutung. Statt zu boomen hat die europäische und allen voran die deutsche Cleantech-Branche aber nun den Rückwärtsgang eingelegt: Der Umsatz der europäischen Unternehmen brach im Jahr 2011 um mehr als 30 Prozent ein, während sowohl in Asien als auch in Nord- und Lateinamerika die Unternehmen ihre Umsätze deutlich steigern konnten.

Asiatische Unternehmen schafften es, mit einem Umsatzsprung um 20 Prozent auf 56 Milliarden US-Dollar die bislang weltweit führende europäische Cleantech-Industrie (49,5 Milliarden US-Dollar) klar auf den zweiten Platz zu verweisen. Auch Unternehmen aus den USA (+29 Prozent) und Lateinamerika (+21 Prozent) sind weiter auf Wachstumskurs

In Deutschland sanken die Umsätze hingegen um 15 Prozent auf 17 Milliarden US-Dollar, die Beschäftigung schrumpfte sogar um 24 Prozent auf 28.000 Mitarbeiter. Nach einem Gewinn von 700 Millionen US-Dollar im Vorjahr erwirtschafteten die deutschen Unternehmen 2011 Verluste in Höhe von 2,2 Milliarden US-Dollar. Trotz dieser starken Rückgänge kann sich die deutsche Cleantech-Branche auf einem weltweiten Spitzenplatz halten: Nach Anzahl der Unternehmen, Marktkapitalisierung und Mitarbeiterzahl ist Deutschland nach den USA und China der drittwichtigste Standort für die Cleantech-Branche.

Das sind Ergebnisse einer Marktstudie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die den weltweiten Cleantech-Markt analysiert. Die Studie berücksichtigt solche börsennotierten Unternehmen, die sich schwerpunktmäßig mit Cleantech-Technologien beschäftigen (sogenannte Pure-Player).

Cleantech gilt als die neue industrielle Revolution: Ressourceneffiziente und klimaschonende Technologien verändern ganze Branchen, treiben technologische Entwicklungen voran, schaffen neue Geschäftsmodelle und Produkte. Europäische Unternehmen hatten bisher auf diesem Wachstumsmarkt klar die Nase vorn. Ob erneuerbare Energien, Effizienztechnologien, Energiespeicher, ressourcenschonende Produkte und Prozesse, Elektromobilität oder moderne Techniken zur Wasseraufbereitung: Europa setzte die Trends und entwickelte die relevanten Technologien – nicht zuletzt, weil strenge Umwelt- und Klimaauflagen das Thema für die Wirtschaft früh interessant machten. Vor allem deutsche Unternehmen sind auf den Cleantech-Märkten vorgeprescht und exportieren Hochtechnologie in die ganze Welt.

Doch die Zeiten der europäischen Vorherrschaft sind vorbei: „Spätestens seit China die „grüne Revolution“ ausgerufen hat, haben asiatische Unternehmen aufgeholt. Mit einer aggressiven Wachstumsstrategie und staatlicher Unterstützung haben sie einen harten Preiswettbewerb auf den Cleantech-Märkten losgetreten – und innerhalb weniger Jahre Europa als umsatzstärksten Standort abgelöst“, stellt Robert Seiter, Leiter des deutschen Cleantech-Teams bei Ernst & Young, fest. „Auch Unternehmen aus Nord- und Lateinamerika haben längst zur Aufholjagd angesetzt. Der Wettbewerb auf dem weltweiten Cleantech-Markt wird härter.“

Harter Preiswettkampf führt zu Gewinneinbruch

„Vor allem chinesische Unternehmen haben es sich klar zum Ziel gesetzt, auf dem Cleantech-Markt die Führungsrolle zu übernehmen“, sagt Seiter. „Sie verfolgen eine aggressive Wachstumsstrategie, die radikal auf Umsatzwachstum ausgelegt ist – auch, wenn das auf Kosten der Gewinn-Margen geht.“ Inzwischen stamme bereits rund die Hälfte der größten Cleantech-Unternehmen aus China.

Die Tiefstpreise der asiatischen Unternehmen haben einen harten Preiswettkampf auf den Weltmärkten ausgelöst. Weltweit erwirtschaftete die Branche im Jahr 2011 insgesamt 11,7 Milliarden US-Dollar weniger als im Vorjahr. Die Unternehmen der Region Asien-Pazifik waren selbst Opfer der Dumpingpreis-Politik, sie schrieben Verluste in Höhe von drei Milliarden US-Dollar – im Vorjahr hatten sie noch dieselbe Summe als Gewinn in den Büchern stehen. In Europa und den USA fiel der Gewinneinbruch sogar noch deutlich stärker aus.

Jobverluste in Europa

Der Gewinneinbruch hat vor allem für den Standort Europa Folgen: Europäische Cleantech-Unternehmen mussten 2011 bei den Personalkosten sparen und entließen 33 Prozent ihrer Mitarbeiter. Allein in Deutschland, dem nach Umsatz und Anzahl der Unternehmen wichtigsten europäischen Cleantech-Standort, gingen fast 9.000 Arbeitsplätze in der Branche verloren. Die asiatischen Unternehmen hingegen bauten nur acht Prozent ihrer Stellen ab. Weltweit ging die Zahl der Beschäftigten in der Cleantech-Branche um acht Prozent zurück.

Die sinkenden Margen belasteten auch die Aktienkurse der Unternehmen: Der Börsenwert europäischer Cleantech-Anbieter sank um 58 Prozent auf 36,2 Milliarden US-Dollar. In den übrigen Regionen fielen die Aktienkurse ebenfalls, wenn auch weniger drastisch. „Der Preiswettkampf belastet insbesondere die Unternehmen in den etablierten Industriestaaten. Das ist auf dem Markt für Solar-Technologie besonders stark spürbar“, sagt Seiter. „Nicht ohne Grund wehren sich die USA und die EU inzwischen mit Anti-Dumping-Klagen gegen die chinesische Preispolitik bei Solarpanels“, sagt Seiter.

Windkraft und Energieeffizienz als Hoffnungsträger

Allerdings dürfe man den Markt für Cleantech nicht auf die Solar-Industrie reduzieren, so Seiter. Zwar ist die Solar-Industrie nach Anzahl der Unternehmen, Marktwert und Mitarbeiterzahl noch immer der wichtigste Cleantech-Bereich – weltweit arbeiten 179.500 Menschen in den von Ernst & Young analysierten Solarunternehmen. „Doch auch andere Marktsegmente wie die Windenergie und Energieeffizienz-Technologien sind vielversprechende Märkte, die dynamisch wachsen und in Zukunft eine immer größere Rolle spielen werden.“

Gerade auf diesen Märkten können europäische und deutsche Unternehmen gegen die Konkurrenz aus Asien punkten, ist Seiter überzeugt. Auf dem Markt für Windkraftanlagen seien europäische Hersteller technologisch noch immer führend. „Deutsche Anbieter profitieren von ihren Stärken im Engineering und im Anlagenbau“, erklärt Seiter. Anlagenbauer aus Deutschland und der Schweiz würden auf der ganzen Welt Fabriken für die Herstellung von Windkraftanlagen ausrüsten. „Die chinesischen Anbieter sind hingegen vor allem auf den eigenen Markt fokussiert.“ Allerdings werde auch die Windkraft-Industrie zunehmend gezwungen, Produktionsanlagen in die Märkte mit der stärksten Nachfrage zu verlagern: in die USA und nach Asien. „Ein Windrad verschifft man nicht mal eben um die ganze Welt, wie es mit Solarpanels möglich ist. Die Unternehmen müssen dort produzieren, wo die Anlagen zum Einsatz kommen“, sagt Seiter.

Dynamische Marktentwicklung in Teilbereichen der Cleantech-Branche

Auch wenn es um komplexe technische Lösungen wie etwa Effizienz-Verbesserungen im Produktionsprozess oder um Smart Grids gehe, bei denen mehrere Technologien integriert werden, seien deutsche und europäische Anbieter der Konkurrenz noch weit voraus. Ein wichtiges Ergebnis der Studie sei, dass sich der Markt weiterentwickle und ausdifferenziere. „Wir werden auf der einen Seite einen preisgetriebenen Massenmarkt für einige Technologien und Produkte sehen, andererseits einen Premium-Bereich, in dem hochkomplexe technische Systemlösungen gefragt sind.“

Wachstumschancen verspricht vor allem der Markt für Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz und intelligente Verbrauchssteuerung: Während der Umsatz der Solar- und Windkraftbranche im Jahr 2011 leicht zurückging, konnten die Energieeffizienz-Spezialisten ihren Umsatz weltweit um 55 Prozent steigern. „In diesem Bereich sind auch viele kleinere, spezialisierte Unternehmen aktiv, der Markt ist extrem dynamisch“, sagt Seiter. Darunter fallen etwa Smart Meter und Smart Grids, die den Energieverbrauch effizient regeln, und Speichertechnologien, die in intelligenten Stromnetzen zum Einsatz kommen, um die Schwankungen der erneuerbaren Energiequellen auszugleichen.

Insgesamt habe der Markteintritt der asiatischen und zunehmend auch amerikanischer Unternehmen aber auch positive Auswirkungen: „Wir haben bis etwa zum Jahr 2008 eine Angebotsknappheit auf dem Markt gesehen. Das hat sich rasant gewandelt und dem Cleantech-Markt vorübergehend zu einem enormen Wachstumsschub verholfen“, sagt Seiter. Weltweit steigt die Zahl der Unternehmen, die auf dem Cleantech-Markt mitmischen wollen. Auch in Europa lassen sich Unternehmer von dem härter werdenden Wettbewerb nicht abschrecken: Die Anzahl der Unternehmen, die von dem Wachstums-Trend profitieren wollen, stieg im Jahr 2011 um 15 Prozent. „Wenn auf die Dumping-Preise nun aber ein Subventionswettkampf zwischen Asien, Europa und den USA folgt, würden die Wachstumschancen wieder zunichte gemacht“, warnt Seiter.

Quelle

oekonews 2012

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