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Atomkraft – fataler Irrtum, keine Brücke

Im finalen Entwurf der EU-Taxonomie klassifiziert die EU-Kommission trotz großer Kritik die Atomkraft weiterhin als nachhaltig. Ein fataler Irrweg.

© NATURSTROM AG

Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, die Taxonomie in dieser Ausgestaltung noch zu stoppen. Eine Meinung von Thomas E. Banning

Atomkraft ist genau das Gegenteil von nachhaltig. Sie ist mit den unkalkulierbaren Risiken für Millionen Menschen verbunden, sie bürdet künftigen Generationen die Ewigkeitslasten der Atommüll-Endlagerung auf und sie ist um ein Mehrfaches teurer als die Stromproduktion in modernen Photovoltaik- und Windenergieanlagen.

Auch aus systemischer Sicht kann die Atomkraft keine Brücke in eine klimafreundliche Zukunft sein. Ein Energiesystem, in dem Erneuerbare Energien den Ton angeben, benötigt ein hohes Maß an Flexibilität auf der Erzeugungs- wie der Verbrauchsseite. Investitionen in neue Atomkraftwerke in Europa stehen dieser benötigen Flexibilisierung diametral entgegen. Sie halten das überkommene System zentraler Großkraftwerke, die sich nur geringfügig an die Nachfrage und die Angebote der Erneuerbaren anpassen können, künstlich am Leben und bremsen die nötige Transformation aus.

Ziel der EU-Kommission bei der neuen Taxonomie ist es, den Finanzströmen einen Weg der Nachhaltigkeit aufzuzeigen, der im Einklang mit den klimapolitischen Zielen des Fit-for-55-Pakets steht, und den Mitgliedsstaaten Möglichkeiten zur Unterstützung solcher Maßnahmen zu bieten. Die Aufnahme von Atomkraftwerken wie von gasbetriebenen Großkraftwerken in die Taxonomie sorgt für eine Fehlallokation volkswirtschaftlicher Ressourcen.

Es wäre leichtgläubig, die Taxonomie von vornherein als bloßen Leitfaden für private Investoren abzutun. Auch staatliche Investitionsentscheidungen und Subventionsflüsse werden künftig von der Taxonomie beeinflusst werden – wenn nicht in Deutschland, so doch in unseren Nachbarstaaten.

Neue Atomkraftwerke sind nicht nötig, um die Emissionsminderungsziele der EU zu erreichen. Was wir brauchen ist eine Entfesselung der Erneuerbaren Energien. Der Weg hierzu führt über eine klare politische und wirtschaftliche Fokussierung – überall in der EU und ohne Frage auch in Deutschland. Speziell hierzulande brauchen wir zudem schnellere Genehmigungsverfahren sowie weniger Bürokratie und Mikroregulierung. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, die Taxonomie in dieser Ausgestaltung noch zu stoppen.

Zum Hintergrund: EU-Parlament und Europäischer Rat haben vier Monate Zeit, die Taxonomie zu prüfen und, falls sie es für notwendig erachten, Einwände zu erheben. Eine Verlängerung dieser Frist um weitere zwei Monate ist möglich. Im Rat ist für eine Ablehnung eine Mehrheit von mindestens 20 Mitgliedsstaaten nötig, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Das Europäische Parlament kann die Taxonomie mit einer Mehrheit von mindestens 353 der aktuell 705 Abgeordneten ablehnen.

Quelle

Die MEINUNG wurde von der Redaktion “energiezukunft“ ( Thomas E. Banning ) 2022 verfasst – Thomas E. Banning ist Vorstandsvorsitzender des Öko-Energieversorgers NATURSTROM AG. Der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ |  Jetzt lesen | Download |

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